Rechtfertigungsanstalt

02.07.1982

Was den Franzosen, Engländern, Japanern und Amerikanern nützt, kann auch den Bundesdeutschen nicht schaden. Andernorts kennt man ja schon, wovon die Bundespostler noch träumen: vom Staat finanzierte Einrichtungen, die Kommunikationsforschung betreiben. Doch jetzt wurde in Bonn ein "Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste" gegründet.

Unsere westlichen Nachbarn waren, was Innovationsförderung betrifft, in jüngster Zeit wesentlich aktiver. JJSS (Jean-Jaques Servan-Schreiber) sieht seine Pariser Telematikklause schon als künftige Kultstätte für Kommunikationsforscher aus aller Herren Länder.

Keine Frage: Der Bereich der Telekommunikation ist hochdynamisch. In den Vereinigten Staaten etwa findet ein knallharter Wettbewerb im Telekommunikationsnetz statt, seitdem der American Telephone and Telegraph (AT&T) durch ein Urteil der US-Antitrustbehörde ermöglicht wurde, ins "Langstreckengeschäft" mit Datenkommunikationsdiensten einzusteigen (CW 26 vom 25. Juni 1982, Seite 2).

Die Reagan-Administration braucht sich keine Gedanken zu machen, ob sie der jüngsten AT&T-Tochter vielleicht einmal unter die Arme greifen muß, um Arbeitsplätze zu erhalten. Die Marketiers von "Ma Bell" werden sich überlegt haben, wie sie den Verkauf ihrer Bit-Dienste forcieren können. Den Bedarf zu ermitteln, einen Markt zu machen, darin sehen sie ihre Aufgabe. Ein Scheitern, wenn auch nicht erwünscht, ist zumindest einkalkuliert, Plan B in der Schublade. Kommt's dann wider Erwarten knüppeldick, wird der neue Dienst ein Flop, dann heißt es: "Auf ein neues!"

Bei uns ist das bekanntlich anders. Und damit wären wir bei der Rolle der Deutschen Bundespost. Postminister Matthöfer bedauert, daß die öffentliche Diskussion über die "Neuen Medien" emotional geführt wird, eingeengt, von ideologischen Grundpositionen aus, ohne die Zusammenhänge auszuleuchten.

Was Matthöfer meint, ist klar. Da wird, sei's von Herstellern oder Anwendern, von Normungsgremien oder Gewerkschaften, in bezug auf die Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien mit Zahlen argumentiert, die letztlich niemanden überzeugen. Das neue Institut soll nun Hilfen für die Unternehmenspolitik der Deutschen Bundespost bieten. Wie hat man sich nun einen konkreten Fall vorzustellen, in dem die Kommunikationsforscher forschen und die Post mit Feedback versorgen? Die Akzeptanz von Bildschirmtext wäre ein interessantes Thema.

Gemach: Bildschirmtext ist ein schlechtes Beispiel. Denn die Dinge sind auf den Weg gebracht. Ein Zurück gibt es nicht mehr, weder für die Post als Dienst- und Netzherrn, noch für Industrie und Handel als Informationsanbieter. Wie wär's mit Paketvermittlung? Auch dieses Beispiel taugt nichts. Datex-P läuft bereits. Gut oder schlecht? Weiß der Kuckuck!

Kommt nicht die Matthöfer-Aktivität viel zu spät, muß man vor diesem Hintergrund fragen. Soll mit dieser Institutsgründung nicht lediglich Rechtfertigung betrieben werden, daß jeben alles getan wird, um Innovationen auf dem Telekommunikationssektor zu fördern?

Eine derartige Vermutung liegt nahe. Denn ob wissenschaftlich oder nicht - bei der Post wird in Marketingsachen weiter spekuliert. Wie sagte doch Minister Matthöfer bei der Institutstaufe: "Für die neuen Dienste, wie Paketvermittlung oder Bildschirmtext, ist ein enormer Markt vorhanden." Der Anwender kommt in der "Analyse" des Gscheidle-Nachfolgers nicht vor. Wozu braucht Matthöfer dann die Hilfe der Kommunikationsforscher?