Schlechte Noten für die Post beim größten DV-Projekt im Fernmeldebereich:

Rechnungshof kritisiert "Kontes"-Vorhaben

17.01.1986

Von CW-Mitarbeiter Egon Schmidt

In seinem jüngsten Bericht übt der Bundesrechnungshof in Frankfurt harsche Kritik an einem ambitionierten DV-Projekt der Bundespost: Die "Kundenorientierte Neugestaltung der Teilnehmerdienste mit Einsatz von Datenverarbeitungssystemen" - besser bekannt unter der Bezeichnung "Kontes" - weist "erhebliche Mängel" in Vorbereitung und Durchführung auf.

Sie hatten sich ehrgeizige Ziele gesetzt, die Fernmeldebeamten der Post mit ihrem Projekt: Mit nur 876 Millionen Mark Aufwand zwischen 1983 und 1992 wollten sie doch glatt 1,45 Milliarden Mark einsparen - allein an Personalkosten.

Jetzt konstatierten die Frankfurter Prüfer Mängel, die die erwarteten Einsparungen "verzögern und vermindern werden". Um zu verstehen, was beim DV-Großprojekt der Post alles nicht so recht nach Wunsch lief, muß man ins Jahr 1979 zurückblenden, denn damals begann der Versuch, den Kundendienst der Telefonämter zu verbessern und gleich auch "die Effektivität der Verwaltung zu erhöhen". Dabei plante die Post seinerzeit folgende sechs Teilvorhaben: den Buchdienst "Budi", den Auskunftsdienst "Audi", den Anmeldedienst "Andi", die Ortsanschlußkabelschaltung "Orka", den Fernsprechstörungsdienst "Fedi" und den Rechnungsdienst "Redi".

Von diesen Diensten standen vor einem Jahr "Budi" und "Audi" bereits kurz vor der bundesweiten Einführung, während "Andi" und "Orka" nach Feststellung der Frankfurter Kontrolleure erst bei zwei Fernmeldeämtern im Testbetrieb liefen. Noch trauriger stand es um "Fedi" und "Redi", denn hierfür lagen "nur erste Realisierungskonzepte vor", wie man aus dem Bericht erfährt. Das heißt im Klartext: Die Gesamtheit aller sechs Teildienste wird wohl kaum mehr vor 1990 bundesweit eingeführt sein können . . .

Teilziele geändert

Doch zurück zum eigentlichen Problemkern von "Kontes", denn immerhin hofft Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling, wie man aus Frankfurt hört, bei dem Projekt bis spätestens 1988 den sogenannten "Break-Even-Point" erreicht zu haben; und zwar sogar dann, wenn man auch noch die Zinsen auf das eingesetzte Geld berücksichtigt.

Das wäre vor allem insofern ein recht ordentlicher Erfolg, als die Frankfurter Prüfer bei ihren Recherchen feststellen mußten, daß die Post innerhalb ihrer Planziele die "zugehörigen Teilziele" von 1978 bis zum Jahre 1983 "mehrfach ohne Begründung geändert" hat. Weiterhin vermissen die Prüfer auch Angaben darüber, "in welchem Maß die einzelnen Zielgrößen bereits durch das jetzige Verfahren und in welchem Maß sie durch das künftige (Computer-)Verfahren erfüllt werden".

Diese und andere Mängel erschweren es, klagen die Kontrolleure, "sinnvolle, begründete und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen", zumal es auch an hinreichend genauen und zuverlässigen Grunddaten mangele, von denen aus überhaupt erst abgeschätzt werden könnte, welche Ergebnisse die Umstellung denn wirklich bringen werde.

Die Experten des Rechnungshofs zweifeln also schlicht und einfach an, was ihnen von der Post als voraussichtliche Einsparung aufgetischt wird. Und für diesen Zweifel haben sie gleich noch einen weiteren Grund: Sie bemerkten nämlich, daß die Erfolgsprognosen der Postler "von einer unendlich langen Anwendung des Verfahrens" ausgehen - mit der Folge natürlich, daß "die jährlichen Entwicklungs- und Umstellungskosten in der Erfolgsprognose zu niedrig" angesetzt werden. Es ergeben sich also statt schöner Zahlen - geschönte Zahlen.

Nachdem heutzutage jedes Kind weiß, daß gerade DV-Vorhaben immer neuer Modifizierungen und Modernisierungen bedürfen, sehen sich auch die obersten Kontrolleure des Bundes veranlaßt, der Post folgende Regel ins Stammbuch zu schreiben: "Auch für das Vorhaben KONTES wird zu gegebener Zeit eine umfangreiche Neuentwicklung zumindest der Software erforderlich werden" - und sei es zum Beispiel nur, weil später einmal eine Schnittstelle zwischen Anmeldedienst und Buchdienst eingeführt werden soll, oder auch, weil eine "Datenintegration dieser beiden Teilsysteme" fällig wird. Alle diese Überlegungen führen zur Empfehlung, die Post mögt realistischerweise doch besser mit nur 20 Jahren Anmeldungsdauer ihres "Kontes" rechnen.

"Orka" spart zu wenig

Besonders pikant liest sich im Bericht der Frankfurter Prüfer daneben noch ein Passus, in dem der Post nachgewiesen wird, die Dienste, die der Rechner allein im Rahmen von "Orka" leisten soll, seien teilweise überflüssig. Denn weder bedürfe es eines DV-Systems, um alle in den Telefon-Ortsnetzen vorhandenen Leitungsreserven auch wirklich voll ausschöpfen zu können - das gehe auch manuell ganz gut - noch brauche man die EDV, um mit Hilfe von deren automatischen Plausibilitätsprüfungen Fehler zu erkennen. Da alles wiederum führe dazu, daß der Computer im Bereich "Orka" nicht helfe 472 Millionen Mark einzusparen, sondern allenfalls bloß rund 8 Millionen.

Ein weiterer noch interessantere Punkt in der "Kontes"-Kritik der Rechnungshofs betrifft, neben Anmerkungen zur ungenügenden personellen Besetzung des Vorhabens die öffentlichen "Ausschreibungen jener Entwicklungsvorhaben, die zu den drei Testsystemen "Audi" samt "Budi", "Andi" und "Orka" führen sollten. Die Entwicklung dieser drei Testsysteme wurde im Jahre 1980 "getrennt, aber zeitgleich mit Aussicht auf spätere Erteilung des Auftrags" für die bundesweite Einführung ausgeschrieben. Um die spätere Integration nicht zu gefährden, sollten "Andi" und "Orka" dabei "zusammen an eine Firma vergeben werden".

Nachdem die entsprechenden Offerten der Industrie "bewertet" worden waren, wurde der Zuschlag aber nicht etwa, wie es zu erwarten gewesen wäre, "an eine erste Firma" erteilt, sondern es kam auf geheimnisvolle Weise noch eine zweite Firma ins Spiel, die zwar schon "mitgeboten" hatte, deren Offerte aber nach Meinung des Bundesrechnungshofs ein "sowohl vom Preis als auch vom Konzept her unbefriedigendes Angebot" war. Trotzdem erhielt auch sie von Big Yellow "den Auftrag, ein entsprechendes Testsystem zu entwickeln", denn, so zitieren die Frankfurter aus den Papieren der Post, es sollte eben auch "der maßgebenden deutschen EDV-Firma" die Möglichkeit eingeräumt werden, "ihr Know-how auf diesem wichtigen Gebiet auszubauen". Und für dieses hehre Ziel war die Post, in bester Subventionistenmanier, denn auch gerne bereit, "die Mehrkosten hierfür" in Höhe von 12,7 Millionen Mark sowie außerdem gleich auch noch "den Mehraufwand der Deutschen Bundespost im eigenen Bereich" in Kauf zu nehmen . . .

Was aber alles nichts half: Im September 1982 schied besagte zweite Firma, also besagter "maßgebender" deutscher EDV-Hersteller, doch wieder aus dem Vertrag aus - allerdings nicht, ohne von der Post "im Ergebnis 7,7 Millionen Mark" eingesackt zu haben.

Der Frankfurter Rechnungshof nun findet diesen Sachverhalt nicht so erfreulich wie vielleicht besagte maßgebende deutsche EDV-Firma und kritisiert - mit offiziell gebotener Zurückhaltung, aber unverkennbar mißbilligend -, er halte "die zusätzliche Vergabe an die zweite Firma" angesichts eines "derartig mangelhaften Angebots" für "nicht sachgerecht". Auch die später nachgereichte Belehrung durch die Postler, es habe "zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Interesse der Deutschen Bundespost bestanden", dieselben Teilsysteme gleich an zwei Bieterfirmen zu vergeben - so hoffte die Post angeblich, "deren Wettbewerb aufrecht zu erhalten" -, kann die aus Erfahrung skeptischen Prüfer aus der Mainmetropole nicht so recht umstimmen. Sie finden nämlich, die hier von Postminister Christian Schwarz-Schilling nachträglich vorgebrachten Gründe "vermögen insbesondere im Hinblick auf die Ausgangslage" und natürlich erst recht im Hinblick auf "die tatsächliche Entwicklung" leider bloß eines: nämlich "nicht zu überzeugen". Der Postminister solle sein Vorhaben daher "zügig zum Abschluß bringen" und - so steht es deutlich zwischen den Zeilen - endlich nicht weiter mit dem Nebelwerfer hantieren . . .