PC auf dem Schoß entspringt eher dem Wunsch nach ungewöhnlichen Anwendungen

Rechnerleistung nur mit Nabelschnur

16.05.1986

Der tragbare PC bedarf beim gegenwärtigen Stand der Technik noch einer Netzstromversorgung, gewissermaßen als Nabelschnur. Das ist jedenfalls die Vorgabe, nach der verschiedene Anbieter ihre Marketing-Strategie ausrichten. Hendrik Geissler* schildert die Compaq-Sicht der Dinge.

Betrachtet man heute den Markt der professionellen PCs, so hat sich mit dem Eintreten der IBM in den PC-Markt eindeutig ein Standard - eben der Industriestandard - gebildet. Innerhalb dieses professionellen PC-Marktes unterscheidet man grundsätzlich zwischen Tisch- und portablen PCs.

Im professionellen Markt ist ein zunehmender Anteil von Portables festzustellen, der sich in Stückzahlen von 1985 auf 1986 um über 100 Prozent steigern wird. Dieses sehr hohe Wachstum erklärt sich aus der Tatsache, daß moderne Portables neben vergleichsweise geringem Gewicht mindestens die Leistung von Tisch-PCs aufweisen. So liegen AT-kompatible Portables mit 80286-Prozessor bis 4 MB Hauptspeicher und 20 MB Festplatte bei einem Gewicht von ein wenig mehr als 10 Kilogramm. Volle Kompatibilität - bei Software und Hardware - ist Voraussetzung.

Der Anwender solcher Hochleistungssysteme läßt sich wie folgt charakterisieren: Er - oder sie - ist ein "Power-User", der die volle Funktionalität und Portabilität benötigt. Er braucht ein stabiles Gehäuse ebenso wie einen hochauflösenden Monitor und Steckplätze für Erweiterungskarten - ohne zusätzliche Erweiterungseinheiten anschließen zu müssen.

Spricht man von Portables, spricht man häufig auch von der Stromversorgung. Nach Untersuchungen der Marktforscher zeigt sich, daß der Portable-Anwender High-Tech fordert, also hohe Prozessorleistung und Speicherkapazität. Mit der heutigen Technik ist es jedoch nicht möglich, diese Anforderungen ohne Netzanschluß zu erfüllen.

Es sind derzeit keine Hochleistungs-Prozessoren und Festplatten verfügbar, die netzunabhängig, also mit Akku oder Batterie, betrieben werden können.

Die im Markt befindlichen batteriebetriebenen PCs können diesen Anwenderwünschen nicht gerecht werden. Sie haben Displays, die in LCD- oder ELD-Technik gefertigt sind, damit also eine schlechte Ablesbarkeit haben. Sie verwenden einen relativ "alten" und langsamen Prozessor, den 80C88, haben keine Festplattenlaufwerke, setzen als Datenträger häufig die zum Industriestandard inkompatiblen 3,5-Zoll-Mikro-Floppies ein und bieten im Gerät keine Erweiterungsmöglichkeiten für Funktionen wie die 3270-Emulation.

Hinzu kommt, daß der Einsatz eines PCs üblicherweise dort erfolgt, wo die Frage der Stromversorgung nicht relevant ist. Der vielzitierte Manager im Flugzeug, mit einem PC auf dem Schoß, entspringt wohl eher dem Wunsch nach "ungewöhnlichen" Anwendungen.

Ohne Netzanschluß kaum Professionalität

Die Portable-Anwendungen im Business-Bereich lassen sich in

- "Büro-zu-Büro"-,

- "Büro-nach-draußen"-,

- "Vor-Ort"

Anwendungen unterteilen. Die Anwender sind hierbei:

- erfahrene PC-Käufer und Entscheider (beispielsweise EDV/Org. Leiter), die mobile, netzwerkfähige Arbeitsplätze sowie Arbeitsgruppen-PCs (werden zentral verwaltet und an Fachabteilungen "ausgeliehen") in mittleren und großen Unternehmen planen und einsetzen;

- "Zwei-Schreibtisch"-Manager;

- Freiberufler mit wechselnden Arbeitsplätzen wie Architekten und Planer zum Beispiel auf Baustellen, Gutachter und Sachverständige, Handelsvertreter, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Trainer/Seminarveranstalter sowie Unternehmensberater;

- Ingenieure/Techniker, die in Bereichen wie Programmierung, Labor und Test, Meßwert-Erfassung, Maschinensteuerung oder CAD/CAM/ CIM mobil sein müssen.

Der Anteil der Portables im PC-Markt wird sich besonders deshalb stark vergrößern, weil der Anwender feststellt, daß ein Portable ein hervorragender "Ersatz" für einen Tisch-PC ist. Der Portable kann das gleiche wie oder mehr als ein Tisch-PC, nur hat er darüber hinaus den "Zusatznutzen" der Portabilität. Wichtig hierbei ist auch, daß ein kompletter PC-Arbeitsplatz einschließlich Drucker mit einem Portable nur 50 Prozent der Schreibtisch-Stellfläche benötigt wie ein Tisch-PC. Daß er sich dabei auch durch den Entfall des Kabelsalats und einer wenig ansprechenden Gestaltung an der Rückseite eines Tisch-PCs optisch harmonischer in die Bürowelt einfügt, ist ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt.

*Der Autor ist Marketingleiter der Compaq Computer GmbH, München.