In Zukunft hochwertige E-Business-Projekte

Realtech will weg vom Body-Leasing

13.04.2001
FRANKFURT/M. - Nicht mehr nur als klassisches SAP-Systemhaus, sondern als Technologieberater für komplexe IT-Landschaften will sich die Realtech AG in den nächsten Jahren positioniert sehen. Hohe Investitionen in die strategische Neuausrichtung werden allerdings auch noch im laufenden Geschäftsjahr auf die Bilanz drücken. Von Andrea Goder*

Eine rasante Talfahrt von 120 auf derzeit nur mehr zehn Euro legte die Aktie des Walldorfer SAPSystemhauses seit ihrem Höchststand im Januar 2000 hin. Daniele Di Croce, Mitbegründer und Realtech-Vorstandssprecher, erklärte die unbefriedigende Kursentwicklung auf der Bilanzpressekonferenz in Frankfurt unter anderem so: "Wir haben im letzten Jahr noch zu wenig auf das Spiel der Börse geachtet, die vor allem Gewinne sehen will." Mit einer Ebit-Halbierung auf zwei Millionen Euro wurden im Geschäftsjahr 2000 die ursprünglichen Prognosen deutlich verfehlt. Auch hatten die Walldorfer ihren Aktionären beim Nettoergebnis mehr versprochen. Nach einem Jahresüberschuss von 2,1 Millionen Euro im Vorjahr musste 2000 jedoch ein Jahresfehlbetrag von 0,9 Millionen Euro ausgewiesen werden.

Starkes UmsatzplusDie Umsatzentwicklung bei Realtech verzeichnete dagegen ein kräftiges Plus von 56 Prozent auf 45,2 Millionen Euro (Vorjahr: 28,9 Millionen Euro). Doch auch hier stellten die vier Realtech-Vorstände und Ex-SAP-Mitarbeiter noch zu Beginn des letzten Jahres erheblich mehr in Aussicht. Das Gros der Umsätze (87 Prozent) erzielte das 1994 in unmittelbarer Nähe zur SAP gegründete Unternehmen mit technologischer Beratung rund um die Software R/3. Ausgehend vom traditionellen Geschäft, also der Planung, Implementierung und Betreuung von R/3-Systemen, soll der Schwerpunkt in Zukunft in Richtung E-Business-Lösungen verschoben werden.

Um aus dem Schatten des Walldorfer Nachbarn herauszutreten, entwickelt Realtech auch eigene Softwarelösungen für das System- und Applikations-Management. Mit Erfolg, wie es scheint, denn das margenstarke Produktgeschäft konnte gegenüber dem Vorjahr von sechs auf 13 Prozent am Umsatz (5,7 Millionen Euro) zulegen.

Umfasste das Leistungsspektrum im Consulting-Bereich noch vor wenigen Monaten vorwiegend die technische R/3-Beratung, werden in Zukunft verstärkt hochwertige Projekte in Angriff genommen: "Wir wollen weg vom reinen Body-Leasing", betonte der Vorstandssprecher. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Umsatz von knapp 90000 Euro bewege sich Realtech heute noch in den unteren Rängen des Beratermarktes, wo sich laut Di Croce Spitzenwerte bis zu 150000 Euro erzielen lassen. Mit Themen wie Business Intelligence (BI), Customer-Relationship-Management (CRM), IT-Security, dem Advanced Planner & Optimizer (APO) oder E-Learning wollen die Walldorfer jetzt ihre Margen verbessern.

Investitionen ins Mysap-GeschäftZunächst erfordert der Aufbau des Geschäfts mit Mysap.com-Komponenten allerdings größere Investitionen, die sich in der Bilanz 2000 negativ niederschlugen. Für den Gewinnrückgang machte Di Croce daher das schnelle Wachstum des Unternehmens, das zum Jahresende 514 Mitarbeiter beschäftigte, verantwortlich. Da die Strukturen der rasanten Umsatzentwicklung zunächst nicht gerecht wurden, hat Realtech im letzten Jahr eine zweite Führungsebene aufgebaut.

Einen negativen Einfluss auf die Bilanz hatten vor allem die ausländischen Aktivitäten. Realtech ist weltweit mit neun Niederlassungen vertreten. Das "Problemkind" sind laut Di Croce die USA, wo im letzten Jahr ein Umsatzrückgang von 22 Prozent auf drei Millionen Euro hingenommen werden musste. Mittlerweile wurden umfassende Sanierungsmaßnahmen eingeleitet, ein neues Management an Bord geholt und ein Teil der US-Mitarbeiter entlassen.

Internationalen Rückenwind erwarten sich die Walldorfer von einer im Februar mit SAP eingegangenen Kooperation als weltweit erster "Global Alliance Partner" für Support. Bereits in der Vergangenheit war die Entwicklung von Realtech eng an den Erfolg von SAP gekoppelt. Angesichts der Schwierigkeiten, mit denen viele E-Business-Firmen in Zeiten der New Economy zu kämpfen haben, fällt das Bekenntnis zu SAP heute noch ein bisschen klarer aus: "Wir sehen keine Veranlassung, in Zukunft von dieser Strategie abzuweichen", ist im Geschäftsbericht zu lesen. Realtech plant für 2001 ein Umsatzwachstum um 37 Prozent auf 61,8 Millionen Euro. Keine großen Sprünge dürfen sich Aktionäre allerdings vom Jahresüberschuss erwarten, der 2001 bei einer halben Million Euro liegen soll.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München