Expertengespräch

Reality-Check Green IT

12.11.2009
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Verantwortung für die Kinder

Gudrun Speer, Leiterin Infrastruktur-Management beim Flughafen Berlin und dort für das Thema Green-IT zuständig.
Gudrun Speer, Leiterin Infrastruktur-Management beim Flughafen Berlin und dort für das Thema Green-IT zuständig.
Foto: Joachim Wendler

Nicht jeder IT-Verantwortliche denkt beim Thema Green-IT nur an die Kosten. Gudrun Speer, Leiterin Infrastruktur-Management beim Flughafen Berlin und dort für das Thema zuständig, sagte: "Für uns bedeutet Green IT auch ganz bewusst der Wunsch, auf diese Weise den Kohlendioxidausstoß zu senken. Das ist für uns eine wesentliche Motivation beim Thema Green IT."

Die Frage, ob man in Zeiten der Wirtschaftskrise aus Überzeugung im Rechenzentrum grün sein könne, beantwortete Speer mit einem überzeugten Ja: "Wir sind alle Menschen und sollten an der Umwelt interessiert sein." Den Einwand, was ihr Controller zu solch einer Feststellung sagen würde, beantwortet Speer schlicht mit: "Er ist auch nur ein Mensch", womit sie allgemein zustimmendes Lachen erntet. "Wir sind verantwortlich für unsere Kinder und Kindeskinder".

Wertvoll aber schwachsinnig?

Da Ökologie und Ökonomie in der IT keinen Gegensatz darstellen, fand Popp besonders klare Worte: "Es kommt ja wohl nur relativ selten vor, dass man eine ökologisch wertvolle IT aufbaut, die aber ökonomisch schwachsinnig ist". Deshalb müsse das Thema nicht weiter gestresst werden. Auch hierfür gab es heitere Zustimmung.

Lohnt Green IT als Kostensenker?

Ganz unwichtig scheint die Frage dennoch nicht, da in vielen Unternehmen die Meinung vorherrscht, angesichts des geringen Beitrags zur Kostensenkung müsse man nicht in eine saubere IT investieren. Immerhin gibt es Berechnungen, die Energiekosten der IT eines Unternehmens machten im Schnitt lediglich rund zwei Prozent der Gesamtenergiekosten aus. Da stellt sich schon die Frage, wie attraktiv es für einen Controller ist, diese zwei Prozent durch Green-IT-Strategien vielleicht auf 1,5 Prozent zu drücken?

Ardisson vom IT-Dienstleister Strato macht nachvollziehbar eine ganz andere Rechnung auf. Das Geschäftsmodell von Strato ist die Bereitstellung von Rechenleistung, Rechenzentren sind im Kern die Produktion seines Unternehmens. Entsprechend falle der Löwenanteil der Energiekosten in den Data Centers an. Natürlich, so Ardisson, "sieht das in der metallverarbeitenden Industrie ganz anders aus." Die kolportierten zwei Prozent müssten also stark relativiert werden nach dem jeweiligen Betätigungsfeld eines Unternehmens.

Ist das Klima noch zu retten?

Die Klimaveränderung wird die Menschheit Unsummen kosten. Das ist jetzt schon klar. Die Frage ist, wie viel genau.

Lord Nicholas Stern, ein angesehener Wissenschaftler aus Großbritannien, hatte es 2006 in dem von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen und nach ihm benannten Stern-Report auf den Punkt gebracht: Wenn die Menschheit ihr Verhalten in Sachen Klimaschutz nicht sofort ändere, koste sie das pro Jahr künftig 5,5 Billionen Euro. Das war ein Wort. Stern hatte das getan, was mittlerweile viele fordern: In die Gesamtrechnung der industriellen und wirtschaftlichen Produktion müssten auch diejenigen Ausgaben gerechnet werden, die durch die Folgen der Umweltverschmutzung und die weltweite Klimaveränderung entstehen. Seine wissenschaftliche Untersuchung "Die Ökonomie des Klimawandels" schlug bei den Regierungen weltweit ein wie eine Bombe.

Stern ist nicht der einzige Warner: Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hatte Mitte 2008 gewarnt, nur eine "Energie-Revolution" könne einen unumkehrbaren Klimawandel noch aufhalten. Die IEA machte in einem Bericht an die acht führenden Industrienationen die Rechnung auf, für einen Klimawandel zum Guten seien bis zum Jahr 2050 Investitionen von 45 Billionen Dollar nötig.

Die vier Berichte des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und insbesondere der letzte aus dem Jahr 2007 haben die Dramatik der Klimaveränderungen ebenfalls deutlich hervorgehoben. Bis 2050, so der IPCC, müssten die globalen Treibhausgas-Emissionen halbiert werden. Tatsächlich, so IEA-Direktor Nobuo Tanaka seinerzeit, verstärkt sich der Ausstoß umweltfeindlicher Gase jedoch immer mehr - trotz Kyoto-Protokoll und der Tatsache, dass das Problem der Umweltzerstörung grundsätzlich erkannt ist.

Fazit von Stern und Mitstreitern: Die Menschheit hat nicht mehr viel Zeit, eine dann unumkehrbare Entwicklung zum Schlechten noch zu verhindern. Gehandelt werden müsse jetzt. Das gilt für alle Bereiche der weltweiten Wirtschaft und Politik. Das gilt für jeden Einzelnen. Das gilt auch für die ITK-Branche.