MWC

Reality-Check Femtocells

23.02.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Ungelöste Sicherheitsfragen

Eine andere Gefahr sieht Blake-Wilson etwa im Missbrauch des Femtocell-Gateways. Wie kann beispielsweise verhindert werden, dass ein User sein Gateway - in dessen Empfangsbereich er günstiger mit dem Handy telefonieren kann - einfach zu Bekannten oder in den Urlaub mitnimmt und dort dann ebenfalls zu diesen Konditionen telefoniert? Einer der US-amerikanischen Femtocell-Netzbetreiber ließ deshalb in seine Gateways GPS-Empfänger einbauen, um dies zu verhindern. Damit fing sich der Carrier ein neues Problem ein: Da der GPS-Empfang innerhalb von geschlossenen Gebäuden meist nicht möglich ist, benötigte das Gerät nun eine externe GPS-Antenne. Eine andere Schwierigkeit ist die Frage, ob die SIM-Karte eines Handy wirklich zur Authentifizierung eines Benutzers ausreicht. Der Safenet-Manager favorisiert hier eine Kombination aus digitalen Zertifikaten und SIM-Karte - allerdings nicht ganz uneigennützig. Eine entsprechende Lösung vermarktet das Unternehmen mit seinen Security Toolkits for Femtocell.

Angesichts dieser teilweise ungelösten Fragen rechnet Blake-Wilson erst 2010 mit der Einführung von Femtocells auf breiter Front. Dann, so ist er überzeugt, werden sich die Femtocells zuerst im Consumer-Markt durchsetzen. Eine Ansicht, die Kineto-Director Shaw, dessen Unternehmen unter anderem Gateways und Controller für Femtocell-Netze produziert, nicht teilt. In seinen Augen wird sich die neue Technik zuerst in Unternehmen durchsetzen und dann im zweiten Schritt bei den Verbrauchern Einzug halten. So plane etwa Orange bereits für 2009 entsprechende Enterprise-Angebote. Dass sich Femtocells zuerst in Unternehmen durchsetzen hat für Shaw vor allem wirtschaftliche Gründe: "Ein Femtocell-Gateway wird anfangs zwischen 200 und 300 Dollar kosten, dieses Investment rechnet sich im Consumer-Bereich nicht." Im Enterprise-Umfeld versorge der Netzbetreiber dagegen meist mehrere hundert Benutzer mit einer besseren Funkabdeckung, so dass das Ganze wieder rechne. Zumal die Femtocell-Technik unter dem Strich günstiger ist als das Picocell-Equipment, mit dem heute die Indoor-Abdeckung bei größeren Kunden verbessert wird. Allerdings warnt Shaw Business-Kunden vor zu hohen Erwartungen in Sachen Femtocells: So erlaube heute ein Access Point oder Gateway nur, dass sich die Kunden des jeweiligen Mobilfunkbetreibers einbuchen können - also an Femtocell-Equipment von T-Mobile wirklich nur T-Mobile-Handybesitzer. Alle anderen blieben außen vor oder es müssten für jeden Betreiber zusätzliche Funkknoten installiert werden. Ob es einmal Equipment geben wird, das für alle Netze geeignet ist, steht noch in den Sternen. Auch der erste Gedanke, einfach eine Femtocell auf dem freien Markt zu kaufen, hilft nicht weiter. Da es sich bei den Femtocells um so genannte lizenzierte Frequenzen handelt, wird es einen freien Käufermarkt wie bei WLAN-Equipment nicht geben, dämpft Shaw die Erwartungen. Selbst die Frage, ob sich ein Besucher, der einen Vertrag beim gleichen Provider wie der Femtocell hat, in diese einbuchen darf, ist noch ungeklärt. Andere Punkt wie etwa das Roaming zwischen den Femtocells in einem Unternehmen, die Möglichkeit Femtocell-Usergroups zu bilden oder ein differenziertes Billing zu realisieren, sind zwar in der Praxis gelöst, basieren aber auf Herstellerlösungen wie dem Femtocell Gateway von Kineto. Shaw ist jedoch zuversichtlich, dass sein Gateway später per einfachem Software-Upgrade auf den offiziellen Standard gebracht werden könne. Zudem ermöglichten es die Pre-Standardprodukte ähnlich wie bei 802.11n bereits heute die Vorzüge der neuen Technik zu nutzen, ohne ewig zu warten.