Rauswurf bei Modalis: Kündigung per E-Mail

11.09.2001
Call-Center-Agents der Modalis Research Company demonstrierten in Berlin für die Zahlung ausstehender Honorare. Da die deutsche Niederlassung ihre Pforten geschlossen hat, befürchten die Mitarbeiter kein Geld von den amerikanischen Mutter zu bekommen.

Modalis Research Technologies erklärte zum 13. August, dass es seine Aktivitäten in Europa einstellen wolle. Die Schließung, begründete Modalis-President William MacElroyd, sei Teil weltweiter Umstrukturierungsbemühungen und gehe einher mit der Entlassung von etwa 40 europäischen Mitarbeitern.

Call-Center-Agents demonstrierten gemeinsam mit Vertretern der Call-Center-Offensive und der Gewerkschaft Verdi, um auf „offene Rechnungen“ in Höhe von „mehreren zehntausend Mark“ aufmerksam zu machen, so Kuno Schrader, Sprecher der Call-Center-Offensive.

Quelle: Stephan Pramme
Quelle: Stephan Pramme

Die Protestierenden versammelten sich vor den Toren des Meinungsforschungsinstituts Emnid, das nach Auffassung von Betroffenen nach der Schließung des Modalis-Call-Centers Aufträge übernommen haben soll. „Modalis schuldet mir 1400 Mark für zwei Projekte“, erzählt Jean-Paul Lejeune. Als Interviewer habe er sich im Mai auf eine Anzeige hin bei dem Unternehmen gemeldet. „Ich suchte einen Job. Da ich perfekt französisch spreche, passte das Profil.“

Lejeune verbrachte mindestens 15 Stunden in der Woche im Call-Center von Modalis. „Ich war anfangs angetan von der angenehmen Arbeitsatmosphäre, musste aber bald feststellen, dass es keineswegs offen im Unternehmen zuging. Unsere Kündigungen erhielten wir per E-Mail.“

Zu den Geschädigten gehört auch Natalie Polynice. Vier Monate lang, so die französische Fotojournalistin, habe sie für Modalis in alle Welt telefoniert. Jetzt schulde ihr das Unternehmen noch 4600 Mark. Wie hoch die Summe der bislang nicht gezahlten Honorare tatsächlich ist, lässt sich nach Auffassung von Lejeune nur schwer schätzen. Allein in Berlin hätten zuletzt zwischen 50 und 100 Mitarbeiter im Modalis-Call-Center gearbeitet. „Wenigstens 30 haben zuletzt kein Geld gesehen“, glaubt Lejeune. Mehr als zehn Mahnverfahren sowie eingeleitete Klagen und Anzeigen würden bereits laufen.

Dass viele Agents dennoch nicht an der Demonstration vor dem Emnid-Institut teilnahmen, erklärt der ehemalige Interviewer mit einem Treffen, das am Vorabend der Protestveranstaltung stattgefunden habe: „Dort ist ein Stillhalten der Betroffenen mit einem Vertreter des Managements vereinbart worden.“ Klaus König, ehemaliger Chief Sales Officer in Düsseldorf und mit der Abwicklung von Modalis Deutschland beauftragt, hatte im Auftrag der amerikanischen Geschäftsführung mit Mitarbeitern, denen Modalis noch Honorare schuldet, gesprochen. Er gehe davon aus, so König gegenüber der COMPUTERWOCHE, dass offene Rechnungen bis Ende September beglichen würden. Gerüchte über einen Verkauf an Emnid wollte er nicht bestätigen. Emnid-Geschäftsführer Gunter Bierbaum gab zu, dass die Muttergesellschaft seines Unternehmens, Taylor Nelson Sofres, Gespräche mit Modalis führe, er sei aber in diese Verhandlungen nicht einbezogen und könne deshalb auch dazu nichts sagen. Er betonte vielmehr, dass einige Modalis-Mitarbeiter die Möglichkeit erhielten, ihre Tätigkeit in den Emnid-Räumen fortzuführen.

Noch im Mai hatte der damalige Geschäftsführer der Berliner Modalis-Niederlassung Hans Schmolke angekündigt, das Personal in der zweiten Hälfte des Jahres „kräftig aufzustocken“. Stattdessen gab es keine drei Monate später die ersten Entlassungen. Die Kunden hatten 25 Prozent aller Aufträge gestrichen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, so Schmolke. Gut die Hälfte der Berliner Angestellten entschloss sich daraufhin, die Arbeitszeit freiwillig zu reduzieren, um weitere Entlassungen zu vermeiden - ohne Erfolg.

Emnid reagierte auf die Demonstration vor seinem Haus mit einem Flyer, der dann allerdings nicht verteilt wurde. Dort hieß es unter anderem: „Liebe InterviewerInnen, (...) Wir können uns nicht so richtig erklären, warum die Kundgebung vor unserem Telefonstudio stattfindet.“