Rauschendes Geburtstagsfest für System V 4.2 USL-Partner wollen Unix für PCs auf andere Chips portieren

26.06.1992

MÜNCHEN (CW) - Die offizielle Vorstellung von Unix System V, Release 4.2 (SVR4.2), ist zu einer allgemeinen Verbrüderung in der Unix-Szene geraten. Die Absichtserklärungen zahlreicher DV-Hersteller lassen erwarten, daß Release 4.2 sich zur Standard-Unix-Version für Intel-basierte PC9 entwickelt und darüber hinaus alsbald auf anderen CPU-Architekturen Verbreitung finden könnte.

Nach monatelanger Medien vorbereitung war auf der Geburtstagsparty in San Franzisko eigentlich nicht viel Neues zu erwarten - gleichwohl gab es noch einige Überraschungen. Der System-V-Mutter Unix System Laboratories (USL) gelang es, weite Teile der Industrie zu einer Demonstration der Geschlossenheit zusammenzubringen.

Prominentester Gast von USL war David Tory, Chef des einstigen Hauptrivalen Open Software Foundation (OSF). Er bekräftigte die Zusammenarbeit von OSF und USL. Die offizielle Erklärung der OSF war knapp und betonte "die führende Rolle der OSF". Dies muß als Eingeständnis an jene OSF-Mitglieder gewertet werden, die sich gegen den Auftritt von Tory ausgesprochen hatten. So hielt sich die IBM auf, Distanz, und auch die Stellungnahme von Hewlett-Packard fiel nach Ansicht von Beobachtern diplomatisch aus.

Ganz anders die Erklärung von OSF-Mitglied Digital Equipment Corp. Deren Vice President Software Product Group, David Stone, bekundete die DEC-Absicht, SVR4.2 in das hauseigene Middleware-Programm Network Application Support (NAS) einzubeziehen. DEC werde SVR4.2 nicht auf den Alpha-Chip portieren, aber Stone meinte: "Wenn das ein anderer Anbieter machen will, ist es gut."

Auch für andere Prozessorarchitekturen wird es SVR4.2 demnächst geben. Mips Computer, NEC und Olivetti erklärten, an einer Portierung für den Chip R4000 zu arbeiten, der im ACE-Konsortium neben der Intel-Architektur Grundlage ist. Fujitsu und die europäische Tochter ICL kündeten eine Anpassung von SVR4.2 auf die Sparc-Architektur an.

Sequent Computer Systems Inc. betreibt nach eigenen Angaben bereits die Entwicklung der Version SVR4.2 ES/MP, einer Variante des Betriebssystems für Multiprozessoren und hohe Sicherheitsanforderungen.

Hal Computer Systems Inc. hat eine Referenzimplementierung von SVR4.2 für 64-Bit-Prozessoren angekündigt. Die Absicht, SVR4.2 für ihre fehlertoleranten Systeme anzupassen, bekundeten die Sequoia System

Inc., die mit der Motorola-Architektur 680x0 arbeitet, und die Stratus Computer Inc., die der Sparc-Architekur vertraut.

Kräftige Unterstützung kam von der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI). Die Münchner verwiesen darauf, daß sie schon die Referenzimplementierungen der Distributed Computing Environment (DCE) der OSF, der Enhanced-Security-Version sowie die Internationalisierung der Zeichensätze für das Standard-Unix SVR4 geschaffen hätten. Auch zahlreiche andere Hersteller rühmten sich, in dieser oder jener Hinsicht am Entstehen von SVR4.2 beteiligt gewesen zu sein.

Die USL ließ sich nicht lumpen und bedankte sich artig mit der Verkündung weiterer Kooperationsprogramme. So wurde ein Early Access Program ins Leben gerufen, bei dem derzeit über 50 Unternehmen mitarbeiten, um frühzeitig vor allen Dingen Applikationen und Kommunikationssysteme für SVR4.2 nutzbar zu machen.

Zusammen mit Fujitsu Networks Industry und Tangent International Computer Consultants hat USL eine gemeinsame Tochter mit der Bezeichnung Unilinx gegründet.

Die Gesellschaft soll ein weltweites Netzwerk aufbauen von dem Anbietet wie Anwender Informationen und Beratung über System V, passende Applikationen und Kommunikationssysteme sowie Vertriebswege abrufen können.

Zur Unterstützung bei Projekten der Integration heterogener Umgebungen will USL ferner in verschiedenen Ländern mit nationalen Partnern Tochtergesellschaften unter dem Namen Unix System Technology gründen.

In ähnliche Richtung zielt ein "Letter of Agreement", den die USL und die Defence Research Agency (DRA) des britischen Verteidigungsministeriums unterzeichnet haben. Hierbei soll das Application Neutral Distribution Format (ANDF) genutzt werden, um Software unverändert auf unterschiedlichen Systemen lauffähig zu machen.

Die DRA hat das ANDF konzipiert, auf das sich die OSF festgelegt hat. Durch das Abkommen zwischen DRA und USL zeichnet sich nun eine Beilegung der letzten technischen Differenzen zwischen Unix System Laboratories und der OSF ab.