Technolinguistik

Rationalisierung mit Hilfe der Sprache

30.07.1976

MÜNCHEN - "Im deutschen Sprachgebiet dürften die Spezial- oder Fachsprachen zusammen mehrere Millionen Termini umfassen. Dem Übersetzer, der nicht auf allen Gebieten der modernen Technik und Wissenschaft sachkundig sein kann, vermögen nur terminologische Datenbanken eine wirkliche Hilfe zu bieten" erklärte kürzlich der Leiter des Übersetzungsbüros der Europäischen Gemeinschaften, J. A. Bachrach, bei einem Kongreß. Bei den vom Verein deutscher Ingenieure (VDI) seit gut einem Jahr formierten Diskussionen über das Kommunikationsmittel Sprache und die Terminologie-Arbeit - Fachbegriff dafür: "Technolinguistik" - haben sich für die aktuelle praktische Arbeit fünf Gebiete als wesentlich ergeben:

1. Exaktes Übersetzen

Das Übersetzungsbüro der EG in Luxemburg beispielsweise hat eine terminologische Datenbank aufgebaut, damit die Flut der europäischen Verordnungen und Veröffentlichungen richtig in die verschiedenen Amtssprachen übertragen wird.

2. Zügige Abwicklung von Lieferungen und Bestellungen

Da für dasselbe Teil häufig ein halbes Dutzend unterschiedlicher Bezeichnungen existiert, ergeben sich zahlreiche Rückfragen, Erläuterungen und Mißverständnisse. Besonders störend wirkt sich diese Vielfalt im grenzüberschreitenden Verkehr aus: Wenn in Bestellungen, Lieferscheinen, Rechnungen, Einfuhrlizenzen und Zollpapieren nicht exakt die gleichen Bezeichnungen verwendet werden, kann es leicht zu beträchtlichen Verzögerungen bei der Zollabfertigung kommen.

3. Innerbetriebliche Rationalisierung

"Vor allem Pflege und Vereinheitlichung der Teilebenennungen - so Margot Häfele (Robert Bosch GmbH, Stuttgart) - gewinnt zunehmend an Bedeutung". Nach Bosch-Erfahrungen verschieben sich mit zunehmendem Einsatz der EDV Gewicht und Auswirkungen sprachlicher Nachlässigkeiten - andererseits biete die Datenverarbeitung aber auch neue Möglichkeiten, der betrieblichen Sprachpflege und der Rationalisierung mit Hilfe der Sprache.

4. EDV-gerechte Lexikografie

Bei der Erstellung von Registern und Fachwörterbüchern kann die Datenverarbeitung in großem Umfang eingesetzt werden. Voraussetzung ist jedoch, daß die an einer Stelle vorhandenen Daten mit anderen Stellen ausgetauscht werden können, um Mehrfacherfassung zu vermeiden. Der DIN-Fachnormen-Ausschuß Terminologie arbeitet deswegen in zwei "MATER"-Arbeitskreisen an Normen für einen Magnetbandaustausch terminologischer und lexikografischer Daten.

5. Informationssysteme

Beim Aufbau von Informationssystemen wirken sich beispielsweise Synonyme zeitraubend und verteuernd aus. Prof. Dr. D. Möhn (Universität Hamburg) fordert deswegen:

- Zur Verbesserung der Kommunikation müssen Vorzugsbenennungen vereinbart und praktiziert werden.

- Die Weiterentwicklung von Fachsprachen durch Neubenennungen darf nicht losgelöst vom konventionellen Sprachgebrauch erfolgen.

- Datenbanken müssen sowohl im Hinblick auf Neubenennungen wie auf Bedeutungsänderungen eines Fachwortes aktuell gehalten werden.

- Die Sprachwahl darf nicht losgelöst von der Zielgruppe erfolgen.

Möhn: "Gerade die EDV als wichtigstes Hilfsmittel der Dokumentation und Information zwingt dazu, den vorhandenen Sprachvorrat zu sichten und neu zu ordnen." -py

Informationen: Verein deutscher Ingenieure, Ausschuß Sprache und Technik, 4 Düsseldorf 1, Graf-Recke-Str. 84; DIN-Fachnormen-Ausschuß Terminologie, 1 Berlin 30, Burggrafenstr. 4-7.