Mutterkonzern steht vor Umstrukturierung

RAG Informatik wird verkauft

19.03.2004
MÜNCHEN (jha) - Der RAG-Konzern verkauft seine IT-Tochter RAG Informatik. Die Entscheidung kommt nicht unerwartet, steht der Mutterkonzern doch vor einer grundlegenden Neuausrichtung.

Ab dem 1. Juni ist RAG Mehrheitseigner der Degussa AG und treibt die eingeleitete Umstrukturierung damit einen entscheidenden Schritt voran. Vor wenigen Wochen bereits kündigte der Konzern an, sich vom traditionellen Steinkohlegeschäft im Ausland sowie von einigen deutschen Branchentöchtern trennen zu wollen. Nicht zuletzt soll mit dem Verkauf die Übernahme der Degussa-Anteile finanziert werden. Von der Veräußerung der RAG Informatik war zunächst keine Rede, einen Sinneswandel vollzog der RAG-Vorstand unter Leitung des Ex-Wirtschaftsministers Werner Müller in einer Sitzung am 9. März: Er beauftragte RAG-Informatik-Chef Dieter Pfaff damit, bis Jahresende einen IT-Partner zu finden.

Wer beliefert RAG?

"Es handelt sich eher um einen Verkauf als um ein Outsourcing-Projekt", schildert Pfaff. "RAG Informatik ist als marktnaher Dienstleister aufgestellt und unterhält mit internen wie externen Kunden die gleichen Verträge und Qualitätsvereinbarungen." Dennoch werden die anstehenden Verkaufsgespräche wohl überwiegend um die Bedingungen des Outsourcing-Vertrags geführt, denn auch RAG verfolgt das Ziel, die IT-Tochter als Lieferanten zu erhalten. Zudem sprechen die Zahlen von RAG Informatik für die Interpretation als Outsourcing-Projekt: Der Jahresumsatz von 108 Millionen Euro stammt nur zu 20 Prozent aus externen Quellen.

Eine weitere Bedingung an den künftigen Partner wird sein, die rund 830 Arbeitsplätze der RAG-Informatik-Gruppe, zu der auch die Saardata zählt, zu sichern. "Wir glauben, dass die beste Grundlage für den Erhalt von Arbeitsplätzen eine langfristig gesicherte wirtschaftliche Perspektive ist", erläutert Pfaff. Die traute der RAG-Vorstand zuletzt seiner IT-Tochter im Alleingang nicht mehr zu. Angesichts der Marktkonsolidierung und der technischen Neuerungen ist RAG Informatik zu klein, um auch international eine führende Rolle zu übernehmen.

Der Sinneswandel im RAG-Vorstand kommt unmittelbar, nachdem der Thyssen-Krupp-Konzern seine IT-Tochter Triaton zum unerwartet hohen Preis von 340 Millionen Euro verkaufte. "Seitdem dürften sich immer mehr Konzervorstände die Frage stellen ,Was machen wir eigentlich mit unserer IT-Tochter?''", vermutet Peter Kreutter vom Institute for Industrial Organization der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar. "Mit der Entscheidung hat Thyssen Krupp dem Markt indirekt eine Einschätzung über das fehlende Weiterentwicklungspotenzial solcher Einheiten signalisiert. Zudem könnte der hohe Erlös gerade für finanziell knappe Konzerne ein Verkaufsanreiz sein. Insofern dürften wir in den nächsten sechs Monaten viel Bewegung bei den IT-Töchtern sehen." Die Quelle-Karstadt-Tochter Itellium gilt als nächster Verkaufskandidat. Ungewiss dürfte zudem die Zukunft der 100-prozentigen Degussa-IT-Tochter Its.on sein. (jha)