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Computerspiele

Rache im Web 2.0: Wie man seinen Ruf im Handumdrehen verspielt

04.02.2008
Von Handelsblatt 
Eine Psychologin aus den USA bekommt gerade den geballten Zorn der Fans von Videospielen zu spüren. Nachdem Cooper Lawrence beim TV-Sender Fox News ein Spiel kritisierte, das sie gar nicht kannte, nutzt die Spielergemeinde die Möglichkeiten des Web 2.0 zum massiven Gegenangriff. Mit Schmähschriften auf Amazon.com machen sie Lawrence systematisch zur Lachnummer. Ein mahnendes Beispiel für alle Pseudo-Experten.

Hätte sie doch bloß mal ihren Mund gehalten. Bis vor wenigen Tagen durfte Cooper Lawrence ausgesprochen zufrieden sein mit ihrer Präsenz in den Medien. Die Psychologin hat eine eigene Radiosendung, ist Autorin mehrerer Selbsthilfebücher und wird laufend als Expertin eingeladen - von der Tyra-Banks-Show bis hin zu CNN. Das dürfte sich ändern. 300 000 Treffer ergibt derzeit bei Google die folgende Suchanfrage: Cooper Lawrence lies - Cooper Lawrence lügt.

Die erfolgsverwöhnte Psycho-Expertin hat sich mit den Falschen angelegt - so viel steht fest. Die Geschwindigkeit, mit der ihr Ruf gerade im Internet abstürzt, wird nur übertroffen von der Heftigkeit der Attacken gegen Lawrence. "Dreckige Heuchlerin" ist noch eine der freundlicheren Beschreibungen, die unzählige Fans von Computerspielen gerade über sie verbreiten. TV-Gästen sollte der Fall eine Lehre sein. Denn Lawrence Cooper hat etwas getan, das gar nicht so selten ist: Sie hat öffentlich über etwas gesprochen, von dem sie keine Ahnung hat.

"Der Spieler entscheidet in diesem Spiel als Mann, mit wie vielen Frauen er schlafen will", erklärte Lawrence kürzlich, als sie als Expertin vom TV-Sender Fox News eingeladen wurde. Thema der Sendung war "Mass Effect" - ein Spiel, dass Lawrence vor ihrem Auftritt nie gesehen hatte, wie sie inzwischen einräumt. Dies hinderte sie freilich nicht daran, angefeuert von den Fox-Moderatoren vor Videospielen wie "Mass Effect" zu warnen, "in denen Frauen ausschließlich als Lustobjekte dargestellt werden." Das sei ausgesprochen schädlich für die Entwicklung der Jugendlichen.

Electronic Arts, der Herausgeber des Spiels, reagierte sofort. In einem Brief an Fox News geißelte der Konzern die Berichterstattung als beleidigend und irreführend. Weder gebe es bei "Mass Effect" pornographische Nacktaufnahmen, noch könne man als Spieler in Sexszenen agieren, wie von den Fox-Moderatoren behauptet. Die Aussagen seien wohl mit der Angst der TV-Sender zu erklären, dass ihre Zielgruppe immer mehr Zeit mit Videospielen statt mit Fernsehen verbringe.

Den Fans von "Mass Effect" freilich ist ein einfacher Protestbrief nicht genug. Gegen den TV-Giganten Fox können sie nichts ausrichten, doch die TV-Expertin Lawrence treffen sie genau dort, wo es ihr weh tut: bei ihrem Ruf. Zu hunderten strömten die Spielefans auf die Seiten des Online-Händlers Amazon und hinterließen Rezensionen zu Lawrences gerade erst erschienem Buch "The Cult of Perfection". Sie kanzelten Lawrence als "Schande für den Berufsstand der Schriftsteller" ab und schrieben, ihr Buch verursache Kopfschmerzen.

Amazon hatte inzwischen ein Einsehen und hat die Mehrheit der mehr als 400 Negativkritiken gelöscht. Schließlich steht in den Richtlinien des Online-Händlers, dass sich eine Kritik auch mit dem Kritikgegenstand beschäftigen muss - und die meisten Anti-Lawrence-Tiraden geben offen zu, dass ihre Verfasser das Buch nie in den Händen hielten. Doch die angezeigte Durchschnittsbewertung für das Werk sank trotzdem auf einen von fünf Sternen - schlechter geht es nicht. Dank der Feedback-Möglichkeit bei Amazon ist das Werk von Lawrence heute unter den Stichworten "Müll", "Gefasel" und "Heuchelei" verzeichnet.

Das Ziel der Schmähkritik ist nun zerknirscht. "Ich bedaure wirklich, was ich gesagt habe", sagte Lawrence der New York Times. "Ich habe vor der Show Leute gefragt, was sie über das Spiel gehört haben, und sie sagten mir, es sei wie Pornographie." Inzwischen hat sich Lawrence das Spiel angeschaut und meint: "Das ist keine Pornographie. Ich kenne Episoden von ´Lost´, die härtere Sex-Szenen enthalten."

Eine Erklärung von Fox News, warum der Sender eine Expertin einlud, die keine ist, steht aus. Ebenso eine Entschuldigung der Moderatoren, die in ihrem Urteil über das Spiel noch weit härter waren als Lawrence, und sich gegenseitig versicherten, sie würden "Mass Effect" auf keinen Fall in ihr Haus lassen. Der Fox-Beitrag zu dem Spiel für die Konsole X-Box 360 von Microsoft lief unter dem mehrfach eingeblendeten Motto: Sex-Box.

Ausbaden muss den Unsinn aber nun Frau Lawrence - einerseits wegen ihres Status als Expertin, andererseits, weil sie verwundbar ist. Die Spielergemeinde genießt die Gelegenheit, mal gegen eine der selbst ernannten Kapazitäten in Sachen Videospiele zurückzuschlagen. Und zahlen nun in gleichen Münze heim: "Das Schlimme ist, ich handle jetzt genau nach dem Inhalt dieses Buches", schreibt ein Kritiker auf Amazon. "Ich habe es nie gelesen und bin trotzdem davon überzeugt, dass es ein furchtbar schlechtes Buch ist. Klingt blöd. Und das ist es auch."