Deutscher Markt auf dem Prüfstand

R/3-Outsourcing enttäuscht Kunden in punkto Kosten

23.10.1998

Mindestens 78 Dienstleister bieten mittlerweile auch R/3-Outsourcing an. Laut Schätzungen der Autoren Karin Henkel und Helmuth Gümbel wurden Mitte 1998 zwischen 120000 und 160000 Endanwender betreut, und bis zum Jahresende sollen rund 1000 ausgelagerte Installationen voll produktiv sein. Weitere Anbieter, insbesondere für Einzeldienstleistungen, werden hinzukommen, verspricht der Markt doch allein bis 2001 Wachstumsraten von 35 Prozent pro Jahr. Zur Kundschaft gehören große und mittelständische Unternehmen sowie künftig verstärkt die öffentliche Verwaltung und der Finanzsektor. Allen gemein ist, daß sie in der Standardsoftware die Lösung für ihre Anwendungsprobleme sehen, die Implementierung und Wartung jedoch nicht selber übernehmen wollen oder können.

Hinter dieser Haltung stecken vor allem strategische Überlegungen und begrenzte Kapazitäten, die den Kunden zwingen, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Außerdem fehlt insbesondere in kleineren Unternehmungen das nötige Know-how und das Personal. Als Konsequenz entscheiden sich immer mehr Anwender dafür, ihr R/3-System komplett oder partiell einem Dienstleister anzuvertrauen. Laut den Autoren erhoffen sich die Kunden von diesem Schritt vor allem eine qualitative Verbesserung ihrer DV sowie eine Senkung der Betriebskosten.

Allerdings trüben die bisherigen Erfahrungen solche Hoffnungen. So ergab eine Umfrage unter 1000 DV-Verantwortlichen durch die internationale Unternehmensberatung Deloitte Touche Tohmatsu, daß die Mehrheit der Kunden vom Know-how der Outsourcer, den Kosteneinsparungen und der Qualität der Leistungen enttäuscht waren (siehe Grafik "Wunsch und Wirklichkeit"). Für Gümbel und Henkel liegt eine der wesentlichen Ursachen für den Verdruß der Kunden darin, daß sie sich oftmals keine "Restkompetenz" bewahrt haben und dadurch die Arbeit des Anbieters nicht mehr aktiv steuern können: "Jedes Unternehmen, das mit Outsourcing liebäugelt, sollte mit einer strategischen Standortbestimmung beginnen." Dies beinhaltet vor allem eine Unternehmens-Revision, die Aufschluß über Nutzen, Kostentreiber und den möglichen Umfang des gewünschten Outsourcing-Abkommens geben kann (siehe Grafik "Einsparungspotentiale"). Immerhin bedürfen laut Karin Henkel R/3-Installationen mit weniger als 100 Endanwendern keiner näheren Untersuchung: "Hier lohnt sich Outsourcing immer."

Doch die Vorarbeit ist nicht nur Sache des Anwenders. Die Outsourcer müssen wesentlich mehr als bisher in die Pflicht genommen werden, denn ihren Angeboten fehlt es an der nötigen Transparenz (siehe Kasten "Kriterien"). Bisher ist das Servicespektrum der Dienstleister kaum vergleichbar, selbst Angaben über die Zahl der betreuten Endanwender und Installationen sind manchmal geschönt. Hinzu kommt, daß es eine Vielzahl von Preismodellen gibt, etwa nach Aufwand (Tagessatz), als Prozentsatz vom Hardwarepreis oder als feste Wartungspauschale pro System. Problematisch ist etwa, daß ein Kunde den Zusammenhang zwischen dem Aufwand (Kosten) des Dienstleisters und seinen Preisen nicht nachvollziehen kann. Weil nicht nach Transaktionen abgerechnet wird, lassen sich weder die tatsächlichen Betriebskosten des Outsourcers etwa für einzelne Dienste herausbekommen noch Kostenvergleiche anstellen.

Künftig müssen deshalb detailliertere Angebote möglich sein, die auf einem entsprechenden Benchmarking basieren. Gegenwärtig ist dies weltweit aber erst bei einem Prozent aller R/3-Installationen möglich.

Ein häufig übersehenes Problem bei Outsourcing-Verträgen ist ihre lange Laufzeit. Sie liegt durchschnittlich zwischen drei und zehn Jahren. Durch solche langjährigen Verpflichtungen versucht der Dienstleister, die oft hohen Investitionen der Anfangsjahre zu kompensieren. Da sich aber die technischen und unternehmerischen Rahmenbedingungen ständig ändern können, droht dem Kunden bei langer Laufzeit eine Veralterung seiner Systeme. Daher raten die Autoren, spätestens alle zwei Jahre die Konditionen mit dem Outsourcer neu zu verhandeln.

Genauer hinschauen sollte der Auftraggeber auch bei den vom Outsourcer angebotenen Branchenlösungen. Entgegen den vollmundigen Behauptungen mancher "Universalanbieter" zeigte sich in der Studie, daß sich bei den meisten Dienstleistern lediglich Schwerpunkte bei der Elektro-, Auto- und chemischen Industrie sowie bei Finanzdienstleistern erkennen lassen. Gerade die Industrielösungen von R/3 werden hingegen bisher kaum unterstützt.

Bei den Outsourcing-Plänen darf schließlich auch der Blick in die Zukunft nicht fehlen. Stehen heute noch technische Dienstleistungen im klassischen RZ-Umfeld bei den Anbietern im Vordergrund, so werden künftig Gestaltung und Ablauf von Geschäftsprozessen das Angebot erweitern. Neben Komplettdiensten werden dann immer speziellere Outsour- cing-Dienstleistungen für R/3 erhältlich sein. Letztere können unter Umständen den Bedürfnissen der Kunden eher entsprechen und zugleich die Kosten und Abhängigkeiten reduzieren. Diese Entwicklung wird durch das Versprechen der SAP gefördert, ihr Enterprise-Resource-Planning-(ERP-) System in eine Komponentenarchitektur zu überführen. Diese ermöglicht künftig neuartige Dienstleistungskomponenten und den Markteinstieg von Spezialanbietern.

Weitere Chancen für Outsourcer und Kunden sind die wachsende Zahl von R/3-Funktionen. Hierzu zählen momentan vor allem Produkte für Sales-Force-Automation, Data-Warehousing oder die Unterstüzung von Lieferketten. Ein wichtiger neuer Servicekanal könnte zudem über das Internet entstehen. Nach Ansicht von Marktkennern werden in absehbarer Zeit hö- here Bandbreiten verfügbar sein, so daß sich annehmbare Daten- raten für einen ausgelagerten R/3-Anwendungsbetrieb erzielen ließen.

Vor allem aber rechnen die Autoren in den kommenden 18 Monaten mit einem stärkeren Engagement der SAP und ihrer Partner im Outsourcing-Markt. Schon heute bieten die Walldorfer erste Teildienstleistungen wie "Remote Upgrade". Ein Outsourcing von Geschäftsprozessen wie etwa die "Personalwirtschaft" ist zudem denkbar. Die Folgen werden eine Neuordnung des Angebotsspektrums zugunsten der SAP und ihrer Klientel, und damit sicher auch das Ende mancher, noch nicht voll etablierter Anbieter sein. Insbesondere kleine Dienstleister mit weniger als 500 produktiven Benutzern, so die Autoren, bewegen sich schon heute in wirtschaftlich stürmischen Gewässern und könnten künftig ihr Heil in Gemeinschaftunternehmen suchen. Andererseits könnte der Softwareriese durch Volumenrabatt (Nachlässe bei einem bestimmten Bruttowert) und modifizierte Wertkontraktabkommen (Anzahlung statt voller Bezahlung für ein R/3-System) die Preise und Kosten im Outsourcing-Markt senken.

Kriterien

Vor einer Entscheidung für Outsourcing sollte der Anwender sein Unternehmen einer Revision unterziehen. Folgende Fragen können bei den Vertragsverhandlungen eine Orientierungshilfe geben:

- Lassen sich die Geschäftsprozesse später ändern?

- Sind genügend Kapazitäten verfügbar?

- Wie sind die Betriebs- und Unterstützungszeiten?

- Wie hoch soll der Servicelevel sein?

- Welche Anforderungen existieren für die Integration von Altsystemen und Erweiterungen für R/3?

- Was wird vom Endbenutzerservice erwartet (Helpdesk, Synchronisation, Upgrades)?

- Wie sehen die Sicherheitsanforderungen aus?

- Was geschieht beim Systemausfall?

- Werden zusätzlich zum Vertrag gelegentlich noch andere Dienstleistungen benötigt?

- Gibt es Subunternehmer, die den Outsourcer unterstützen?

- Ist ein Technologiewechsel möglich?

- Können Software-Releases gewechselt werden?

- Welches sind die Anforderungen an die Test- und Integrationssysteme?

- Welche Tarifierung ist gewünscht?

- Wie soll bei Versionswechseln, Anpassungen oder der Integration neuer Anwendungen verfahren werden?

- Auf welche Plattform soll migriert werden?

- Wie läßt sich ein Vertrag ordentlich oder außer- ordentlich beenden?

- Wer haftet bei technischen Problemen?

Methode

Die Studie "R/3-Outsourcing: Markt und Anbieter" beruht auf der Bewertung von insgesamt 78 Anbietern aus dem deutschsprachigen Raum. Sie ist damit die bisher umfassendste Übersicht für diesen Markt. Es wurden nur Dienstleister berücksichtigt, die mindestens über ein "Kernangebot" verfügen. Dieses umfaßt neben RZ-Dienstleistungen:

- Stellung der Server-Hardware,

- Konfiguration der Betriebssystemparameter,

- Einrichtung der Benutzerprofile,

- Operating sowie

- Backup/Restore.

Bezug: IT Research GmbH, Arnikastraße 2, 85 635 Höhenkirchen.