Finanzierung von IT-Firmen

Quo vadis, Corporate Finance?

08.03.2012
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Abschied vom Hausbankprinzip

Seit 2007 sind die Banken im Zuge von Basel II verpflichtet, ihre Kredite je nach Bonität des Kunden in unterschiedlichem Umfang mit Eigenkapital zu unterlegen. Das heißt, die Kosten der Eigenkapitalunterlegung variieren je nach Bonität des Unternehmens. Das Hausbank-Prinzip hat vielfach ausgedient, die Teilnehmer der Studie sprechen zunehmen von "Kernbank" - spezielle Bankstrukturen werden sich auf bestimmte Risikoklassen und Investitionstypen fokussieren.

Daher reduzieren Banken die Zahl der Finanzinstrumente (Cluster wie Kredite, Mezzanine, Eigenkapital etc.), die in der Mittelstandsfinanzierung angeboten werden, von im Schnitt 3,80 auf 3,67 nach Inkrafttreten der Basel-Regularien. Im Gegensatz dazu blieb dies bei Nicht-Bank-Finanziers (1,56, mit Fokus auf Eigenkapitalbereitstellung) konstant. Analog reduzierten die Banken im Pre-/Post-Basel-Vergleich die Anzahl der Phasen (zum Beispiel Seed, Wachstum, Turnaround etc.), die unterstützt werden, von 2,80 auf 2,60, während Nicht-Banken diese ausweiteten (von 2,27 bis 2,44).

Primäres Ziel muss es sein, die Eigenkapitalstruktur der Unternehmen zu verbessern. Denn damit ist es für Unternehmen wieder leichter, ihr Working Capital über Fremdfinanzierung darzustellen - frei nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. Während zum Beispiel in Frankreich die Eigenkapitalquote 40 Prozent beträgt, liegt sie gemäß dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Deutschland durchschnittlich bei gerade mal 11,7 Prozent.

Die Lücke, die das klassische Kreditgewerbe durch den partiellen Rückzug hinterlassen hat, bietet Raum für innovative Instrumente alternativer Finanzierungsformen - von Private Equity bis hin zu eigenkapitalähnlichen Strukturen:

Der Private-Equity-Stimmungsindikator von Deloitte reichte im vierten Quartal 2010 bereits wieder an die Spitzenwerte der Boomjahre bis 2007 heran. Dies liege an der Erholung der Gesamtwirtschaft sowie dem wieder einfacheren Zugang zu Fremdkapital für Buy-out-Finanzierungen.

Und nicht zuletzt öffnet sich für die Venture Capital/Privat-Equity-Unternehmen die Börse wieder als Exit-Kanal: Gab es 2009 nur eine Neueimission, so waren es 2010 bereits 14 (Centre for Management Buyout Research). Und mit 55,7 Milliarden Euro war das Exit-Volumen dem Centre for Management Buyout Research (CMBOR) zufolge zum ersten Mal höher als die Gesamtinvestitionen von 49,0 Milliarden Euro

Cash für Cloud-Computing-Start-ups

Es gilt: Je besser der Exit-Kanal, desto höher die Investitionsneigung. Dies dürfte insbesondere innovativen IT-Unternehmen wie etwa Cloud-Computing-Start-ups zugute kommen, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Zudem scheinen die Taschen der Venture-Capital-/Private-Equity-Unternehmen gut gefüllt: Dem "European Private Equity Outlook 2011" von Roland Berger zufolge verfügen die europäischen Private-Equity-Fonds über Cash-Reserven in Höhe von rund 170 Milliarden Euro.

Davon können insbes. mittelständische Unternehmen, die den Großteil der IT-Unternehmen ausmachen, profitieren: Untersuchungen von PEREP zufolge entfallen 81 Prozent der Private-Equity-Investitionen auf mittelständische Unternehmen (weniger als 50 Millionen Euro Umsatz).

Mit der zunehmenden Erfahrung der Unternehmer jenseits der Bankkredite wandelt sich das Bild von Private Equity. Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit und Unterstützung der Beteiligungsgesellschaften im Vergleich zu anderen Kapitalgebern seien, beurteilen zwei Drittel der von PWC und BVK befragten Portfoliounternehmen diese besser als mit der Bank!

Neben dem klassischen Eigenkapital nehmen stille Beteiligungen eine immer stärkere Rolle ein. Mezzanine-Kapital ist hier zu nennen, da es aufgrund seiner flexiblen Ausgestaltung (stille / atypisch stille Beteiligung) viele Optionen ermöglicht und bei geeigneter Strukturierung die Eigenkapitalbasis stärkt. Und auch bei der Vergabe von Bankkrediten lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: Banken aus den Anrainer-Staaten versuchen immer wieder, deutschen Kreditinstituten Marktanteile im Heimatmarkt abzunehmen.

Eine weitere Option bilden Banken mit sogenanntem Strukturauftrag. Die genaue Kenntnis der einzelnen Förderprogramme ist entscheidend, damit förderfähige Vorhaben nicht an formalen Fehlern scheitern. Und last, but not least bilden Business Angels und - stark steigend - auch Manager mit ihrem "Smart Money" Möglichkeiten bei der Syndizierung.