Quo vadis, Apple?

21.07.1995

Ralf Symanzick, Geschaeftsfuehrer der Unix-Consulting und Softwareentwicklungsgesellschaft mbH (UCS), Neu-Isenburg

Nur noch ein Weilchen, toent es aus dem Orchestergraben in Cupertino, dann sei man zur Premiere des neuen Opus bereit.

Allerdings will die feine Zukunftsmusik nicht so recht gelingen. Wer nimmt den Taktstock in die Hand, wer bringt dem Markt die Floetentoene bei? Das Getoese um den Power-PC und das angekuendigte Betriebssystem Copland als Nachfolger des Mac-OS nimmt allmaehlich befremdliche Zuege an.

Der verschworenen Entwicklergemeinde geht der Eiertanz der Vorturner aus Kalifornien ganz schoen auf die Nerven. Zwar faellt der vom Innovationszauber der liebenswerten Chaotentruppe bezirzte Mac-Fan angesichts der tiefen Kluft zwischen Visionen und nackten Tatsachen nicht gleich vom Hocker. Doch der Umgang zwischen Apple und seinen Entwicklern, den Sinnstiftern unter Entrueckten und Phantasten, stimmt bedenklich. Einige liebaeugeln bereits mit dem Wechsel ins andere Lager. Sollte Copland weiter auf sich warten lassen und Windows 95 zudem nahtlos an den ueberwaeltigenden Markterfolg seines Vorgaengers anknuepfen koennen, bliebe nur noch Schulterzucken: "Und wo ist Apple?"

Im Lichte der ueberschwappenden Windows-Mania geraten selbst die eingefleischten Ap(p)ologeten ins Gruebeln.

Sind sie im falschen Film oder einfach nur auf der falschen Seite? Irgendetwas laeuft schief beim High-Tech-Pionier. Vielleicht hilft ein Rueckblick in die Geschichte, die das ganze Dilemma ans Tageslicht foerdert. Zwar erfand Apple das grafische Benutzer- Interface, das aber von Microsoft mit Windows billig imitiert und erfolgreich vermarktet wurde. Zwar verhalf man Maeusen, Trackballs und auch der 3,5-Zoll-Diskette zum Durchbruch, doch auch dabei wurde einem die Schau gestohlen.

Apple baute Netz-Schnittstellen in alle Macs ein, versaeumte es aber, die Anwender vom Nutzen der verkabelten Kommunikation zu ueberzeugen. Wer, wenn nicht Apple, brachte DTP, Multimedia und Videokonferenzen in die Diskussion, ueberliess aber sofort anderen das Feld? Wer ausser Apple ist zu einer so maechtigen Innovation wie dem Personal Digital Assistant (PDA) in der Lage, die zwar mit grossem Wagemut, aber denkwuerdigen Marketing-Fehlern auf den Markt purzelt?

Man kann es kaum fassen, aber die Apple-Story ist reich an solchen Beispielen. Genie und Wahnsinn gehen Hand in Hand.

John Sculleys Fauxpas, die Abloesung der IBM-Dominanz durch den ehemaligen Sandkastengefaehrten Microsoft uebersehen zu haben, muss der wackere Michael Spindler nun ausbuegeln. Fuerwahr keine leichte Aufgabe. Allmaehlich erkennt man in Cupertino, dass - in the long run - nicht der Innovator, sondern der Imitator die Oberhand behaelt. Analysten rund um den Globus raten dem ersten Apfelmann, endlich den Entwicklersupport auf Platz eins der Prioritaetenskala zu setzen. Spindler muss begreifen, dass ohne diese Leistungstraeger kein Staat zu machen ist.

Schon heute laboriert der Patient an grassierendem Softwareschwund: Windows ist die bevorzugte Plattform fuer Entwickler, die Zahl der Windows- und PC-Anwendungen uebertrifft Mac-Applikationen bereits um Laengen. Also herauf mit dem Entwicklersupport und herunter mit den Kosten fuer die Entwicklungs-Tools.

Was ist mit Taligent? Noch vor Jahresfrist Anlass zu grossem Tamtam, dann der Tod auf Raten, und jetzt wird wieder zum Halali geblasen. Und nicht zuletzt: Gelingt es der Power-PC-Trias IBM, Motorola und Apple, den DOS-Jumbo von Intel und Microsoft mit der quicken RISC- Concorde zu ueberfluegeln? Was wird aus dem Mac-OS-Nachfolger Copland?

Eines ist klar: Als Spaetzuender versagt der High-Tech-Pionier Apple auf der ganzen Linie. Alle warten auf ein deutliches Signal, bei Industriekunden ist die Luft bereits zum Schneiden dick.

Gefahr lauert an einer weiteren Front, naemlich im Publishing- Bereich: Auch in die Mac-Phalanx stoesst die Spitze der Windows- Ritter ohne Furcht und Tadel vor. Sicherlich - die Hauptprobleme von Apple lauten noch immer: "Inkompatibel, teuer, zuwenig Laeden". Wer diesen Stall ausmisten will, hat alle Haende voll zu tun.

Was bleibt zu tun? In der zerfledderten Landschaft der Mac-Presse sucht der geplagte DV-Verantwortliche leider vergeblich nach konstruktivem Ratschlag, mit welchen Argumenten und Loesungen seine Apple-Investitionen langfristig gesichert werden koennen. Es ist kein Scherz - der Anwender im Unternehmen muss die Business-Loesung fuer seine wunderbare Plattform wie die Nadel im Heuhaufen suchen!

Apple, quo vadis?