Qualitätssprung

07.12.1979

Den Praktikern unter den Datenschützern auf dem DAFTA-Forum der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung mochte der Satz von Professor Dr. Bull zwar arrogant geklungen haben, als dieser zur Datenschutzgesinnung und zu Datenschutzmaßnahmen der Industrie bemerkte: "Immerhin haben wir schon zwei Jahre das Bundesdatenschutzgesetz." Daß Bull dennoch ein immer besser informierter Gesprächspartnerauch für den DV-Mann - ist, dies setzt sich landauf, landab durch. Außer Zweifel steht auch, daß seine Datenschutzgespräche noch fruchtbarer werden könnten, wenn die Straße nicht mehr mitdiskutiert; hier sollte Bull seIbst ein Zeichen setzen und die Datenschutzdiskussion mit der Polizei für ein paar Monate im stillen betreiben .

Daß besserer Datenschutz immer notwendiger wird, das verursacht im übrigen nicht die Wirtschaft. Es ist der unersättliche Datenhunger des Gesetzgebers, der beispielsweise allein die Bundesanstalt für Angestellte in Berlin in eine Daten-Megalopolis mit 11 Milliarden Bytes verwandelt hat. Weil es keine Löschungsfristen gibt, entstehen hier Datenfriedhöfe unermeßlicher Größe. Daß die BfA "nicht der unheimliche große Bruder sein will", wie es auf der DAFTA ausgesprochen wurde, ist verständlich. Bloß: Der Gesetzgeber drängte sie in eine Rolle, in der sie bald "von jedem Bürger ein besseres Persönlichkeitsprofil zeichnen könnte, als es durch eine Personalakte möglich wäre".

Mit solchen Beitragen haben der DAFTA-Arbeitskreis Sozialversicherung wie die anderen DAFTA-Schwerpunkte signalisiert: Die Datenschutz-Diskussion in der Bundesrepublik hat einen Qualitätssprung gemacht. Die naive Ansicht, allein durch juristisches Hinterfragen könnten technische Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen bloßgelegt werden, die ist gottlob seiten geworden. Denn auch bei Aufsichtsbehörden setzt sich durch - so hatte es zumindest der niedersächsische Vertreter formuliert -, daß "das Ineinandergreifen von rechtlichen und technischen Belangen befriedigend im BDSG gelöst ist und eingrenzender Erläuterungen bedarf". Bissige Ermahnung der Münchener Aufsichtsbehörde an die BDSG-Novellierer: "Was im Gesetz steht, muß vollzichbar sein." Nur durch Annäherung der technischen und juristischen Interessen - die ökonomischen Interessen sind gegenwärtig wohl mehr auf der technischen Seite zu vermuten - wird sich der Datenschutz in Zukunft weiter qualifizieren lassen. Das ist erkannt. Dieser Prozeß der Annäherung fordert erste-personelle Konsequenzen: Einzelgänger, oder notorische Vogprescher werden da und dort von der Täte der Aufsichtsbehörde in die Etappe zurückgepfiffen. Auch unter den Mitgliedern der Gesellschaft für Datenschutz und-Dafensicherung vollzieht sich ein fliegender Wechset von den Notnagel-Männern der ersten Stunde zu ERFS-Kreis-informierten engagierten Datenschützern.

Je besser nun die Datenschützer selbst werden, desto konfliktgefährdeter werden sie. Dehn auch dies ist die Wahrheit, daß das Datenschutz-Gesetz den Wildwuchs der Informations-Verarbeitung - vor allem beim Anwender- kanalisiert. Damit werden schnelle Einführungen neuer DV- Amwendungen gerbend;

Gegenüber ihren Arbeitgeber bauen die Datenschützer dem Konflikt vor, indem sie ein Forum wie die DAFTA nutzen, laut über ihre arbeitsrechtliche Stellung zu philosophieren. Da sich unterdessen alle großen Parteien die Stärkung der DSB-Stellung auf die Fahnen geschrieben haben, wird der Kündigungsschutz für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dialektisches Bonbon für die Unternehmen: Je stärker die innerbetriebliche Stellung des Datenschützers, desto weniger externe Kontrolle ist notwendig.

Gleichwohl: Die rechtliche Stärkung des Datenschutzbeauftragten ist nicht die ultima ratio. Denn nicht juristisch ist Datenschutz zu realisieren, sondern technisch - weil kein noch so eng geflochtenes Paragraphengesetz einen technischen Tüftler abhalten kann, wenn es will unentdeckt gegen Datenschutz-Bestimmungen zu verstoßen.