Arbeitsbedingungen erschweren Identifikation mit der Arbeit

Qualität: Arbeitserleben bestimmt Verhalten

05.05.1989

Die Qualität von Büroarbeit hängt eng damit zusammen, welche Qualität die Arbeit für die Mitarbeiter hat. Welche Qualität jemand produziert, wird wesentlich dadurch bestimmt, welche Bedeutung, das heißt welche "Qualität" seine Arbeit für ihn hat. L. Wexlberger hat dies auf die Formel gebracht: "Die Qualität des Arbeitserlebens bestimmt die Qualität des Arbeitsverhaltens." Dieser fundamentale Zusammenhang gilt für das Büro und natürlich besonders für die unregulierten Arbeiten, wohl noch stärker als für die Fertigung.

Wie auch die Vielzahl einzelner Faktoren aussehen mag, die für die subjektive Bedeutung der Arbeit bestimmend wirken - ein Aspekt steht im Zentrum: das Gefühl, sinnvolle Arbeit zu verrichten, das heißt einen produktiven Beitrag zu einer Aufgabenstellung zu liefern - einen Beitrag, mit dem man sich identifizieren kann und der auch als solcher anerkannt wird.

Unter welchen Bedingungen wird Arbeit aber als sinnvoll erlebt und kann man sich mit ihr identifizieren? Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

- Mit der Arbeit muß ein erkennbarer Beitrag zum Erreichen eines Zieles geleistet werden, das man genau kennt und das man innerlich akzeptiert;

- die Arbeit muß (zumindest teilweise) eigenständige, in sich abgeschlossene Aufgabenstellungen umfassen, für die man verantwortlich zeichnet und deren Bewältigung im Rahmen gewisser Spielräume übertragen wird; der damit abgesteckte Verantwortungs- und Aufgabenbereich stimmt mit den Qualifikationen des Bearbeiters überein, er wird weder übernoch unterfordert;

- das Ergebnis der Arbeit wird erkennbar verwertet;

- die Erbringung von Leistungen wird durch die betriebliche Arbeitsgestaltung nicht behindert - sei es durch Organisation (Arbeitsteilung, Abläufe), sei es durch den Einsatz von Bürotechnik oder Verfahren der Legitimierung und Entscheidung.

Betrachtet man diese Voraussetzungen für einen positiven, subjektiven Arbeitsbezug, so ist eine deutliche Verwandschaft mit dem zentralen Kriterium von Qualität bei Büroarbeit erkennbar: die Verwertung einer Leistung.

Aus dieser Nähe ergeben sich Ansatzpunkte für die betriebliche Qualitätsförderung - und zugleich besondere Schwierigkeiten. Denn gerade das Gefühl, eine sinnvolle und produktive Arbeit zu haben, die auch anerkannt wird, vermissen viele Angestellte - insbesondere in Großverwaltungen. Die Bereitschaft und das Bedürfnis, sich mit seiner Arbeit zu identifizieren, ist überwiegend vorhanden, nur die Bedingungen, unter denen man arbeitet, erschweren die Identifikation. Und es sind eben jene Bedingungen, die für Qualitätsdefizite verantwortlich sind (vgl. Artikel 5):

- komplexe, unübersichtliche Arbeits- und Kompetenzstrukturen,

- komplizierte, vielgliedrige, nicht aufgabengerechte Arbeitsabläufe;

- unklare Aufgabenstellungen und Zielsetzungen.

Qualitätsförderung im Büro - insbesondere im Bereich der unregulierten Tätigkeiten - heißt also immer zunächst Auseinandersetzung mit diesen Arbeitsbedingungen. Es ist unmittelbar einsichtig, daß hier Appelle an das Qualitätsbewußtsein wenig fruchten können, ja wie Hohn wirken mögen, angesichts einer Arbeitsumgebung, die man alles andere als qualitätsfördernd erlebt.

Wir haben im Zusammenhang mit Qualitätsdefiziten vom egozentrischen Arbeits- und Qualitätsverständnis gesprochen, das sich angesichts sperriger oder restriktiver Arbeitsbedingungen ausbilden kann - sozusagen als Überlebensprogramm, als persönliche Notlösung, und wir haben diese Form subjektiver Verarbeitung unbefriedigender Arbeitsbedingungen als Quelle von Qualitätsdefiziten identifiziert. Daraus folgt: Organisations- und Personalarbeit ist immer unmittelbar qualitätsrelevant, nicht nur werden durch sie mögliche

- oder organisationsbedingte Fehlerquellen geschaffen oder ausgeschaltet, es wird durch sie auch die Qualität des Arbeitserlebens für die Mitarbeiter bestimmt. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter bei der Organisations- und Arbeitsgestaltung ist also nicht "humanitärer Luxus", sondern unabdingbares und selbst verständliches Element jeder Qualitätsförderung . Nun gehört es zwar inzwischen zum guten Ton, auf die Bedeutung von Motivation und Eigeninitiativen hinzuweisen, in der Praxis des Technikeinsatzes und der Organisationsgestaltung vieler Unternehmen hat sich dies allerdings noch ungenügend niedergeschlagen. Sie erfolgt primär technik- und organisationsorientiert - mit entsprechenden Konsequenzen. "In technikorientierter Sicht erscheint menschliche Arbeit schlicht als ein Störfaktor, den es durch Ausweitung und Perfektion des technischen Systems möglichst weitgehend zu reduzieren gelte. Aus organisationsorientierter Sicht erscheint menschliche Arbeit sozusagen als ein Wildwasser, dessen Energien es durch Reglementierung, Kontrolle und Steuerung zu zähmen und zu kanalisieren gelte. In arbeitsorganisatorischer Sicht wird die Qualität und Produktivität menschlicher Arbeit wesentlich abhängig von den jeweiligen Arbeitsbedingungen gesehen. "

Stellt man nun den Querbezug dieser Auffassungen zu organisatorischen Konzepten her, so verweisen sie "auf arbeitsteilige und restriktive Organisationsformen, die

- vor allem negative Eventualitäten ausschließen;

- "richtiges" Verhalten möglichst genau vorgeben;

- die Kontrolle dieses Verhaltens weitgehend ermöglichen;

- möglichst wenig der Eigeninitiative überlassen;

- "undynamisch" sind, das heißt Verhalten definitiv und dauerhaft vorzustrukturieren suchen".

Genau diese Form der Arbeitsgestaltung erweist sich bei unregulierter Büroarbeit als denkbar ungeeignete Voraussetzung für qualitätsorientiertes Arbeiten.

Arbeitsorientierte Sichtweise vonnöten

Qualität der Büroarbeit der unregulierten Tätigkeiten ist nicht eine Frage der Kontrolle, sondern der Arbeitsgestaltung; sie kann nicht "herbeigeprüft" werden, sondern nur als Ergebnis eigenmotivierter und informierter Arbeit und Kooperation entstehen. Nur wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, wird "Qualität" liefern.

Qualitätsförderung im Büro muß also nicht zuletzt heißen: Reorientierung der Gestaltung von Technikeinsatz und Organisation weg von einer primär technik- und organisationsbezogenen Auffassung hin zu einer stärker arbeitsorientierten Sichtweise.