Nur der Preis entscheidet

Qualifikation zahlt sich für Freiberufler nicht aus

30.05.2012
Von  und Marie-Sophie Bergauer
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Einkauf und Projektvermittler schauen nur auf den Preis, wenn sie selbständige IT-Profis auswählen. Ein Gespräch mit dem freiberuflichen Security-Spezialisten Hartmut Goebel über die Folgen dieser Praxis.
Je billiger, desto besser. Dieses Motto scheint oft für die Auswahl von freiberuflichen IT-Experten zu gelten.
Je billiger, desto besser. Dieses Motto scheint oft für die Auswahl von freiberuflichen IT-Experten zu gelten.
Foto: photocrew - Fotolia.com

CW: In großen Unternehmen ist nicht die IT-Abteilung, sondern der Einkauf dafür zuständig, freiberufliche IT-Experten anzuheuern. Warum ist das ihrer Ansicht nach falsch?

GOEBEL: Bei der Auswahl des Einkaufs bleibt die Qualität völlig auf der Strecke. Der Einkauf hat nur das Interesse, die Waren möglichst billig einzukaufen und möglichst viel zu sparen. Das mag bei Schrauben funktionieren, denn die müssen einer bestimmten Norm entsprechen und sind so gut vergleichbar. Für Menschen gibt es aber keine Norm. Freiberufler sollte man nicht nur nach ihrem Preis, sondern vor allem nach ihren Qualifikationen beurteilen.

CW: Was ist das Ziel der Projektvermittler?

GOEBEL: Die meisten Vermittler sind nur Zwischenhändler, die Freiberufler einkaufen und sie dann zu einem möglichst billigen Preis weiterverkaufen. Die Zwischenhändler bekommen oft eine fixe Provision. Ihnen kann egal sein, ob sie einen gut qualifizierten Freiberufler finden oder ob sie dem Kunden nur einen mittleren bis schlechteren Kandidaten anbieten. Sie machen lieber ein Geschäft mit einem mittelteuren Freelancer, als kein Geschäft mit einem hochqualifizierten. Würden die Vermittler teurere Freiberufler anbieten, sinkt ihre Chance, das Geschäft abschließen. Denn die teureren Kandidaten würde der Einkauf nicht abnehmen, auch wenn sie besser sind.

CW : Sie behaupten, dass bei dieser Vermittlungspraxis ein Windows-Systemadministrator mehr verdient als ein hoch qualifizierter Berater. Wie kann das sein?

Security-Spezialist Hartmut Goebel kritisiert, dass in großen Firmen nur der Einkauf und nicht die IT-Fachabteilung IT-Freiberufler auswählt.
Security-Spezialist Hartmut Goebel kritisiert, dass in großen Firmen nur der Einkauf und nicht die IT-Fachabteilung IT-Freiberufler auswählt.
Foto: Hartmut Goebel

GOEBEL: Die Konzerne machen Vorgaben, wie viel ein Freiberufler pro Stunde kosten darf. Der Freiberufler soll dem Vermittler einen All-inclusive-Preis nennen, obwohl oft noch gar nicht klar ist, ob das Projekt in Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg stattfindet. Ein qualifizierter Berater, der 85 Euro in der Stunde bekommt, muss davon zirka zwölf Euro pro Stunde für Reisekosten abziehen. Damit bleiben ihm nur noch 73 Euro, ein Satz, den Windows-Administratoren auch in München bekommen. Da es in Deutschland verteilt viele Windows-Administratoren gibt, ist die Chance, dass sie vor Ort ein Projekt bekommen höher als bei einem ausgewiesenen Spezialisten. Der Hochqualifizierte ist also viel unterwegs, bekommt unterm Strich aber das Gleiche. Ihr Wissen und Können wird nicht honoriert.

CW: Wem schadet diese auf den Preis fixierte Vermittlungspraxis?

GOEBEL: Die Qualifikationen eines Freiberuflers werden vom Kunden in keinerlei Hinsicht honoriert, sie zahlen sich monetär nicht aus. In erster Linie schadet die Vermittlungspraxis den Freelancern, aber natürlich auch den Endkunden. Denn dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Projekte mit schlechter qualifizierten Arbeitskräften scheitern. Der Einkauf dagegen erreicht seine Ziele, da er gespart hat. Sogar die Vermittler selbst haben schon bemängelt, dass der Einkauf so gut wie gar nicht auf die Qualifikationen achtet, sondern einfach nur auf den Preis. Doch ob die billigen auch gleichzeitig die besseren Fachkräfte sind, ist ihm egal.

CW : Gibt es für Freiberufler eine Alternative zu Projektvermittlern?

GOEBEL: Das ist sehr schwierig. Wer mit Großunternehmen zusammenarbeiten möchte, kommt an Projektvermittlern und dem Einkauf kaum vorbei. Auch Freiberuflern, die keinen Vertriebsaufwand haben möchte, bleibt keine Wahl. Die Vermittler übernehmen den Vertrieb für den Freiberufler, man bekommt Aufträge, das ist für viele auch bequem. Ich persönlich werde nun mehr versuchen, mit spezialisierten Vermittlern und dem Mittelstand zusammenzuarbeiten. Denn dort hat die IT-Fachabteilung mehr Einfluss. Mit meinem Thema, dem IT-Sicherheits-Management, kann ich zudem auch die Geschäftsführung ansprechen, da habe ich gewisse Vorteile gegenüber Freiberuflern mit rein technischen Themen, die das Management nicht interessieren. Wenn alle Freiberufler sagen würden, dass sie keine Lust mehr auf diese Vermittlungspraxis haben, könnte sich etwas ändern. Doch das ist sehr unwahrscheinlich.

Zur Person:

Hartmut Goebel arbeitete nach seinem Informatikstudium in einem Systemhaus in Nürnberg, bevor er bei einem Internet-Service-Provider die Beratungseinheit aufbaute. Seit 2003 ist er als Freiberufler unterwegs und berät Unternehmen in Sachen IT-Sicherheits-Management. Der 44-Jährige hat sich als CISSP (Certified Information Security Professional) und als CSSLP (Certified Secure Software Lifecycle Professional) zertifiziert. Goebel gehört zu den IT-Freiberuflern, die sich sehr für ihren Berufsstand engagieren, etwa als Sprecher der Selbständigen in der Regionalgruppe der Gesellschaft für Informatik (GI) in Nürnberg. 2011 belegte er den zweiten Platz beim Wettbewerb "IT-Freelancer des Jahres".