Qual der Wahl durch umfangreiches Produktangebot Praesentationspakete erfreuen sich zunehmender Beliebtheit

18.06.1993

Computerpraesentationen entwickeln sich mehr und mehr zu multimedial inszenierten Shows, in denen einem Publikum Produkte, Unternehmen oder Marketing-Massnahmen nahegebracht werden sollen. Praesentationspakete, so berichtet Marion Badalus*, unterstuetzen den Anwender bei Planung, Erstellung und Durchfuehrung von professionellen Praesentationen.

Der Markt fuer Praesentationsgrafik-Programme waechst konstant. Altbekannte Pakete erscheinen in erweiterten und verbesserten Versionen; zahlreiche neue Produkte kommen hinzu. Der Anwender verliert dabei schnell die Uebersicht. Darueber hinaus sind Praesentationsprogramme leicht mit Tabellenkalkulationen oder Grafikpaketen zu verwechseln. An sich sind die Anwendungsgebiete jedoch klar abgesteckt. Tabellenkalkulationen dienen zur Berechnung und Darstellung von Zahlenmaterial, Grafikprogramme zur Erstellung von Grafiken. Praesentationsprogramme hingegen bieten dem Anwender in der Regel einfache Funktionen aus beiden Bereichen und eine Vielzahl zusaetzlicher Erleichterungen fuer die Praesentationserstellung.

Einteilen lassen sich diese Funktionen in einen rein kreativen Bereich, mit dessen Hilfe die einzelnen Folien generiert werden, sowie einen Management-Bereich, der dem Anwender Funktionen zur Gestaltung der Praesentationsdynamik zur Verfuegung stellt. Kompliziert wird die Entscheidung des Anwenders auch deshalb, weil der Preisunterschied der einzelnen Programme bis zu 1300 Mark betraegt.

Fuer eine einheitliche und damit professionelle Gestaltung der einzelnen Folien einer Praesentation bieten die meisten Programme dem Anwender sogenannte Templates, die den Hintergrund und dazu passende Farbattribute der Folien bestimmen. Zusaetzlich dazu werden Seitenlayouts angeboten, die Text, Diagramme oder Grafiken plazieren. Lediglich "Charisma 2.1", das rund 850 Mark teure Paket der Micrografx Inc., Richardson, Texas, und das fuer etwa 1100 Mark erhaeltliche "Delta Graph 2.03" der Delta Point Inc., Monteray, Kalifornien, machen hier eine Ausnahme und beinhalten keine Templates. Alternativ lassen sich aber in beiden Programmen mit etwas grafischem Geschick ueber Zeichenwerkzeuge und Farbfuellungen durchaus anspruchsvolle Hintergruende erstellen.

"Freelance Graphics 2.0" der Lotus Development Corp., Cambridge, Massachusetts, hat sich mit seinen Templates vor allem der einfachen und zeitsparenden Bedienung verschrieben. So sind die Seitenlayouts des rund 1700 Mark teuren Praesentationspakets mit "Hier-klicken"-Platzhaltern versehen, die auf einen Mausklick die Dialogbox zur Eingabe von Text oder zur Erstellung eines Diagrammes oeffnen. Microsofts gleich 1700 Mark teures "Powerpoint 3.0" stellt dem Anwender zwar 50 sehr professionell gestaltete Templates zur Verfuegung, jedoch keine Seitenlayouts. Die Folien sind lediglich in einen Titel- und einen Haupttextteil unterteilt. Das Praesentationspaket der Gates-Company aus Redmond, Washington, verlaesst sich in puncto Plazierung ganz auf die Kreativitaet des Anwenders.

Textfolien koennen in den Programmen sowohl als reine Titelfolien als auch als Listen- oder Fliesstext generiert werden. Die am haeufigsten verwendete Art der Textfolie ist sicherlich der ein- oder mehrspaltige Listentext. In Form von praegnanten Stichpunkten und Unterpunkten werden hier die Hauptaussagen der Praesentation textlich dargestellt. Zur besseren Uebersicht versehen die Programme die einzelnen Aspekte eines Listentextes mit Blickfangpunkten, sogenannten Bullets. Die Anzahl solcher Symbole variiert von Programm zu Programm. So stellt "Stanford Graphics 2.0" der 3D-Vision Corp., Torrance, Kalifornien, dem Anwender etwa zwoelf Symbole zur Verfuegung, waehrend Charisma neben vielen speziellen Symbolen auch alle 2200 mitgelieferten Clipart-Bilder als Bullet verwenden laesst.

Diagramme zur anschaulichen Darstellung von Zahlenmaterial werden in allen Programmen nach dem gleichen Prinzip erstellt: Die entsprechenden Daten werden in ein wie bei einer Tabellenkalkulation aufgebautes Arbeitsblatt eingespielt. Die Eingabefunktionen entsprechen dabei in der Regel ebenfalls denen der Tabellenkalkulation. So koennen beispielsweise komplette Spalten oder Zeilen geloescht oder hinzugefuegt werden. Sind die Daten bereits in einer Tabellenkalkulation vorhanden, koennen sie in fast allen Programmen mittels Importfunktionen aus allen gaengigen Formaten eingelesen werden. Nach Markierung der relevanten Daten wird in der Diagrammgalerie der gewuenschte Diagrammtyp ausgewaehlt und den Daten zugewiesen.

In diesem Bereich unterscheiden sich die einzelnen Programme enorm. So stellen das mit etwa 400 Mark guenstigste der getesteten Pakete, "Cricket Presents 1.4" der CA Computer Associates, Islandia, New York, sowie Freelance Graphics, "Persuasion 2.1" von der Aldus Corp., Seattle, Washington, Powerpoint und "Sunrise" von der Three-D-Graphics Inc., Los Angeles, Kalifornien, in ihren Arbeitsblaettern lediglich Dateneingabe- beziehungsweise - importfunktionen bereit. Charisma, "Harvard Graphics 1.01" der Software Publishing Corp., Mountain View, Kalifornien, und das einzige DOS-Paket "Presentations 2.0" von der Wordperfect Corp., Orem, Utah, gestatten dagegen auch einfache Berechnungen.

Besonders professionell in dieser Hinsicht zeigen sich Delta Graph und das fuer etwa 1400 Mark erhaeltliche Stanford Graphics. Beide Programme ermoeglichen in ihren Arbeitsblaettern auch komplexeste Berechnungen, die eine komplette Tabellenkalkulation weitgehend ersetzen. Waehrend die anderen Programme in ihren jeweiligen Diagrammgalerien neben den ueblichen Standard-Business- Diagrammen nicht gerade viel zu bieten haben, findet der Anwender in der Diagrammgalerie von Delta Graph und Stanford Graphics eine Vielzahl von Spezialdiagrammen, die fuer technisch- wissenschaftlich-orientierte Praesentationen unerlaesslich sind.

Zur grafischen Belebung der Praesentationsfolien stellen alle Programme eine mehr oder minder umfangreiche Clipart-Bibliothek zur Verfuegung. Die Anzahl der mitgelieferten Cliparts variiert von etwa 60 in Crikket Presents bis zu 2200 in Charisma. Stanford Graphics liefert lediglich eine Datei mit einer Auswahl an Cliparts aus dem Windows Shopper, einem Zusatzmodul, mit dem der Anwender per Modem Cliparts von einem Anbieter in den USA abrufen kann. Wer in der Clipart-Bibliothek nicht fuendig wird oder lieber selber zeichnet, kann auf die in jedem Programm integrierten Grafikwerkzeuge zurueckgreifen.

Neben den Funktionen zur reinen Erstellung der Folien haben Praesentationsprogramme noch einiges mehr zu bieten.

Fast alle stellen einen sogenannten Outliner zur Verfuegung, in dem der Anwender die Praesentation vorab strukturieren kann. Dabei repraesentieren die Kernpunkte der Praesentation jeweils eine Folie. Unterpunkte werden per Tabulator oder ueber spezielle Pfeilsymbole erreicht.

Anwender, die ihre Praesentationsgliederung lieber in ihrer ueblichen Textverarbeitung erstellen, muessen auf die Vorteile des Outliners nicht verzichten. Reichhaltige Importmoeglichkeiten sorgen fuer das Einlesen der Strukturierung aus allen gaengigen Textformaten. Der Outliner ist interaktiv mit den Folien verbunden. Jeglicher Text, der hier eingegeben wird, erscheint spaeter auf den Folien. Aenderungen an den Folien wiederum werden automatisch in den Outliner aufgenommen. Die Folien werden im Outliner numeriert und mit einem Foliensymbol versehen. Ein Doppelklick auf dieses Symbol fuehrt in die sogenannte Folienansicht, in der Folien in Bildschirmgroesse dargestellt und bearbeitet werden.

Nur Charisma, Delta Graph und das knapp 1300 Mark teure Sunrise stellen diese Funktion nicht zur Verfuegung. Einen besonders fortgeschrittenen Outliner bietet Persuasion. Das Programm ermoeglicht praktisch das Erstellen der gesamten Praesentation innerhalb seines Outliners, ohne auch nur ein einziges Mal in die Folienansicht wechseln zu muessen. Schon hier koennen den Folien mittels eines Popup-Menues die spaeteren Bestandteile wie Diagramme oder Organigramme zugewiesen werden.

Im Foliensortiermodus, dem sogenannten Slide sorter, werden die gesamten Folien der Praesentation im Miniaturformat dargestellt. Die Reihenfolge der Folien kann bequem per Drag and drop mit der Maus geaendert werden.

Speaker's notes sind fuer den Anwender bestimmt. Sie stellen eine Folie im Miniaturformat mit den dazugehoerigen Notizen dar. Mit ihrer Hilfe wird ein reibungsloser Ablauf der Praesentation garantiert, da der Redner auch bei einem sehr umfangreichen Vortrag nicht Gefahr laeuft, den Faden zu verlieren. Einzig Charisma und das mit rund 1700 Mark zu den teuersten Paketen gehoerende Harvard Graphics unterstuetzen den Anwender in dieser Hinsicht leider nicht.

Handouts sind fuer das Publikum bestimmt. Der Zuschauer hat damit die Moeglichkeit, sich zu den einzelnen Punkten der Praesentation Notizen zu machen. Zudem koennen die Zuschauer den Ablauf zu einem spaeteren Zeitpunkt noch einmal nachvollziehen. Sunrise ist das einzige Programm, das keine Handouts anbietet. Die uebrigen Anwendungen stellen hier sogar verschiedenene Layouts zur Verfuegung. Auf einer Druckseite koennen zwischen einer und

sechs Folien im Miniaturformat abgebildet werden. Auf Wunsch verschoenern Harvard Graphics, Persuasion und Stanford Graphics ihre Handouts automatisch mit Linien fuer Zuschauernotizen.

Das Erstellen von Overhead-Folien gestaltet sich denkbar einfach. Der Inhalt der Praesentationsdatei wird entweder direkt auf entsprechende Druckerfolien oder auf Papier gedruckt. Zusaetzlich koennen 35-Millimeter-Dias mit Hilfe eines Desktop-Filmrekorders oder ueber ein Belichtungsbuero erzeugt werden.

Groessere Flexibilitaet gegenueber beiden Medien allerdings bietet der Ablauf der Foliensequenzen auf dem Rechner, die sogenannte Screen show. Grossformatige Bildschirme oder Video-Beamer garantieren auch bei zahlreichem Publikum die noetige Uebersicht. Fuer eine

professionelle Gestaltung der Screen show offerieren die Programme eine mehr oder minder grosse Anzahl an Ueberblendeffekten, die den Uebergang zwischen den einzelnen Folien abwechslungsreich gestalten. Einzig Stanford Graphics ermoeglicht keinen dieser Effekte.

Einen weiteren Vorteil gegenueber Overhead-Folie und 35- Millimeter-Dia bieten einige der Programme mit der Moeglichkeit, Teil eines Listentextes nach und nach aufzublenden. Damit wird dem Redner ermoeglicht, auf jeden einzelnen Punkt gesondert einzugehen, ohne dass das Publikum von den anderen Aspekten abgelenkt wird. Derzeit bieten allerdings nur Freelance Graphics, das etwa 1300 Mark teure Persuasion und Powerpoint diese Funktion an.

Schliesslich ermoeglichen die meisten Programme aufgrund ihrer OLE- Faehigkeit den Einsatz von Multimedia-Anwendungen, sofern entsprechende Video- oder Sounddateien vorhanden sind. Lotus liefert mit Freelance Graphics den Lotus Media Manager und Lotus Sound gleich mit. Damit koennen sowohl Sound- als auch Videosequenzen in die Praesentation eingebettet werden. Presentations enthaelt schon in der DOS-Version etwa 100 Sound- Sequenzen, mit deren Hilfe die Praesentation musikalisch untermalt werden kann - zu einem Preis von etwa 1200 Mark.

Runtime-Module, die die meisten Anbieter mitliefern, lassen die Foliensequenz auch auf einem Rechner ablaufen, auf dem zwar Windows, nicht aber das komplette Praesentationsprogramm installiert ist. Saemtlich Windows-Programme sind unter Windows for Pen-Computing ablauffaehig, so dass auch die neue Generation von Pen-Computern, wie der 1,4 Kilogramm leichte Fujitsu 325Point oder NCRs 3130 zur Praesentation sowie zur dynamischen handschriftlichen Ergaenzung der Folien genutzt werden kann. Praesentationsprogramme stellen hohe Ansprueche an die Hard- und Software-Umgebung. So sind alle Programme zwar auch auf einem 286er-Rechner mit 2 MB RAM lauffaehig. Um aber akzeptable Arbeitsgeschwindigkeiten zu erreichen, sollte mindestens ein mit 40 Megahertz getakteter 386er mit 4 MB RAM zur Verfuegung stehen.

Ebenso zu bedenken ist die Groesse des notwendigen Festplattenspeichers, von dem die Praesentationsprogramme bis zu 25 MB belegen koennen. Wuenschenswert sind daher Optionen bei der Installation, die es dem Anwender ermoeglichen, auf einzelne Inhalte des Programms zu verzichten. So werden sicherlich nicht alle Cliparts einer sehr umfangreichen Clipart-Bibliothek benoetigt. Ausser Sunrise bieten alle Programme diese Optionen an.

Von den am Markt erhaeltlichen Softwarepaketen genuegen die meisten den zuvor genannten Mindestanforderungen. Einzig Cricket Presents weist offensichtliche Maengel auf, die allerdings durch einen vergleichsweise guenstigen Verkaufspreis relativiert werden.

Letztendlich entscheidend fuer die Wahl sind die Beduerfnisse des Anwenders. Wer eher Business-orientierte Praesentationen erstellen muss, wird sicherlich auf Freelance Graphics, Harvard Graphics, Persuasion oder Powerpoint zurueckgreifen wollen.

Freelance Graphics besticht dabei durch seine extrem einfache und zeitsparende Bedienung. Powerpoint dagegen empfiehlt sich fuer Individualisten, die sich erst gar nicht durch vorgegebene Layouts beeinflussen lassen wollen.

Stanford Graphics und Delta Graph sind eindeutig fuer wissenschaftlich-technisch orientierte Anwender konzipiert, die auch auf umfangreiche Berechnungs- und Analysefunktionen nicht verzichten wollen.

*Marion Badalus ist freie Fachjournalistin in Muenchen.