Kommentar

Qual der Wahl

11.10.1996

Wer als Anwender nichts anderes kannte als das Diktat des Monopolisten Telekom, der muß erst lernen, mit der gewonnenen Freiheit des Wettbewerbs umzugehen. Den Briten ging es nach der Privatisierung von British Telecom 1984 nicht anders. Doch heute gehört das Verhandeln mit Carriern sowie der gezielte Einkauf von Bandbreite und Diensten auf der Insel längst zum täglich Brot der IT-Manager.

Diesen Wandel vollziehen jetzt auch ihre deutschen Kollegen. Für sie haben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Telekom als dogmatische TK-Bibel ausgedient. Ganz neu ist dieser Prozeß nicht. Die Corporate-Network-Regelung schuf nämlich in den vergangenen drei Jahren bei den Verantwortlichen bereits ein Bewußtsein für flexiblere TK-Strategien. Indem sie zum Teil die Verantwortung für den Sprachverkehr in die Hände von Telekom-Konkurrenten legten, wagten sich viele Unternehmen erstmals auf das Parkett eines liberaleren Marktes vor.

Das Beispiel Frankfurt, wo die City-Netzbetreiber MFS und Colt der Telekom Dampf machen, zeigt darüber hinaus, wie schnell die Tarif- und Servicedoktrin des Bonner TK-Riesen unter Wettbewerbsdruck ins Wanken gerät. Der Gesetzgeber hat mit dem Telekommunikationsgesetz außerdem nachgeholfen und den Aktionsradius für alternative Carrier über die Stadtgrenzen hinaus auf ganz Deutschland erweitert. Es liegt jetzt am Anwender, aus der lang herbeigesehnten Qual der Wahl richtig Kapital zu schlagen.