IT-Innovationen/Das Internet transportiert Wissen über technische Entwicklungen

"Puzzleteile zusammensetzen"

27.07.2001
Dem Wissen auf der Spur. Darüber, wie sich Organisationen Innovationswissen am besten aneignen und für sich nutzbar machen, sprach die CW mit Professor Brockhoff vom Lehrstuhl für Unternehmenspolitik an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmenspolitik in Vallendar.

CW: Gibt es in den IT-Abteilungen so etwas wie Betriebsblindheit gegenüber Neuentwicklungen?

Brockhoff: Ich denke schon. Wir beobachten oft etwas, was die Sozialpsychologie "group think" nennt: Es gibt ein Gruppendenken, man bezieht sich vor allem auf sich selbst und bestätigt untereinander, was man ohnehin für richtig hält. Diese Selbstbestätigung entwickelt schnell eine Eigendynamik. Diese negative Voreingenommenheit ist eine große Gefahr, weil auch eigentliche Fachleute dann das Potenzial einer Innovation, die von außen kommt, nicht richtig beurteilen können. Sie stellen ihre Urteilsfähigkeit in diesen sich selbst verstärkenden System nicht in Frage. So etwas lässt sich aber vermeiden, indem man Gruppen mischt, Mitarbeiter rotieren lässt und Leute aus Auslandsfilialen anregt, neue Ideen in die Zentrale mitzubringen. Gute Techniker sind wichtig, aber man darf den "human factor" nicht außer Acht lassen, damit sich kein Klüngelapparat entwickelt.

CW: Was erfahren innovationsbereite Unternehmen aus frei zugänglichen Quellen wie dem Internet?

Brockhoff: Über das Internet erfährt man mehr, als den Firmen liebt ist. Der Surfer kann ja Informationen aus unterschiedlichsten Quellen kombinieren und sich daraus ein Bild machen. In einer Diplomarbeit beispielsweise wurde versucht, auf diese Weise etwas über eine neue Technologie von Siemens herauszubekommen. Ergebnis: 85 Prozent des internen Wissens waren auch extern bekannt. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass es in der Regel 18 Monate dauert, bis etwas, das in einem Unternehmen als geheim gilt, in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt ist.

CW: Wie lässt sich das Technologie-Scouting in einem Unternehmen etablieren?

Brockhoff: Die Technologiebeobachtung ist in IT-Unternehmen weit verbreitet, aber sehr unstrukturiert organisiert. Idealerweise entwickelt man eine eigene Stelle zur Technologie-Analyse. Oft ist fundiertes Wissen über technische Entwicklungen an zwei oder drei Stellen verteilt - mit der Folge, dass all die schwachen Signale nicht aufgenommen werden. Internet-Meldungen und Vorträge sind viele kleine Puzzlesteine, die oft übersehen werden. Irgendjemand muss sie zusammentragen. Es gilt, die interne Organisation so einzustellen, dass man besonders gut schwache Signale auffangen kann. Wenn sie zu stark geworden sind und jeder schon Bescheid weiß, ist es zu spät, um aus seinem Wissen einen strategischen Vorsprung zu gewinnen.

*Lars Reppesgaard ist freier Journalist in Hamburg.