Prozesse in den Griff bekommen2

15.05.2001

Auf einem Kongress bemerkten Sie kürzlich, es gehe vor allem darum, Geschäftsprozesse zu standardisieren. Ist das eigentlich die Aufgabe der Informationstechnik oder nicht vielmehr des Linien-Managements?

Wörner: Beider! Wenn Sie einen Business-Prozess nicht auch in den IT-Systemen standardisieren, dann ist er nicht standardisiert.

Und die Symbiose zwischen dem Geschäftsablauf und dem dahinter liegenden IT-Prozess wird durch das E-Business noch viel enger, denn hier handelt es sich um einen elektronischen Geschäftsprozess, bei dem Sie Business und IT kaum mehr voneinander trennen können.

Einen Geschäftsablauf standardisieren heißt also in erster Linie, den IT-Prozess standardisieren.

CW: Wie geht die Geschäftsprozess-Standardisierung konkret vor sich?

Wörner: Wir sehen uns an, wie beispielsweise ein Einkaufsprozess in den einzelnen Geschäftsstellen einer Business-Unit abgewickelt wird. Und wir stellen fest, dass er in Hamburg und in München unterschiedlich aussieht: Hier gibt es eine andere Artikelnummer als dort, obwohl es sich um dasselbe Produkt handelt; die Organisationsabläufe unterscheiden sich, obwohl der Prozess derselbe ist etc.

Die Diskrepanz steckt in den Systemen, die die Leute vor Ort entwickelt haben. Hier gilt es zu standardisieren.

Kunden und Lieferanten werden immer globaler. Wenn ich also in Europa Geschäfte machen will, sollte der Prozess an jedem Standort derselbe sein. Ansonsten muss ich mir jeweils mühsam zusammensuchen, welche Artikelnummer was bedeutet.

CW: Es reicht also nicht, wie oft behauptet, überall SAP-Software einzuführen, um ein System zu standardisieren.

Wörner: Natürlich sind gewisse Abläufe von SAP vorgegeben, aber da gibt es immer noch genug Alternativen; sonst hätte SAP nicht so viele Kunden.

Die Software dient nur dazu, Geschäftsmodelle zu entwickeln. Daraus muss ich dann einheitliche Prozesse ableiten, damit ich nicht 50 verschiedene SAP-Lösungen habe. Auch Middleware kann dabei nicht helfen.

Egal, ob ich EAI (Enterprise Application Integration, Anm. d. Red.) nutze oder nicht - ich muss die Standardisierung weiter vorantreiben. An manchen Stellen komme ich um die Vielfalt nicht herum, beispielsweise dann, wenn ich verschiedene Marktplätze, die heute alle auf unterschiedlicher Technologie basieren, an meine Prozesse anbinden will; hier kann eine EAI-Lösung mir ersparen, für jede Anbindung eigene Schnittstellen zu entwickeln.

Das ist aber eine rein technische Lösung. Sie setzt voraus, dass ich weiß, welche Prozesse ich darin abbilden will. Je harmonischer ich intern integriert bin, desto weniger Aufwand bedeutet es, mich nach außen zu öffnen.

CW: Heißt das etwa, Sie müssen die interne Standardisierung beenden, bevor Sie EAI-Werkzeuge einsetzen können?

Wörner: Nein, natürlich nicht. Der springende Punkt ist aber: Ich darf die Standardisierung nicht aufgeben. Ich muss weiter dafür sorgen, dass ich nicht 50 Einzellösungen für dieselbe Geschäftseinheit habe.

Und ich darf mir nicht einreden, ich könnte diese 50 Lösungen über EAI ganz einfach mit 150 externen Systemen verbinden.

CW: Vermitteln Sie uns doch mal eine Idee davon, wie viele Prozesse Sie anfassen müssen, um ein Geschäftsmodell zu beschreiben!

Wörner: In einem Fall haben wir 150 Prozesse auf 50 reduziert. Das heißt, nur ein Drittel der definierten Abläufe war für das Geschäftsmodell tatsächlich relevant. Die anderen bedeuteten lediglich unterschiedliche Abbildungen desselben Prozesses.

CW: Welche Konsequenzen hat die Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse für die IT-Seite?

Wörner: Sie zieht eine Vereinheitlichung der Systeme, der Architekturen, der Netze und der Komponenten nach sich - bis hinunter auf die Hardwareebene. Das heißt, es werden unter Umständen ganze IT-Landschaften ausgetauscht.

CW: Wie lange dauert denn ein solches Standardisierungsprojekt?

Wörner: Das hängt von der Größe der Geschäftseinheit ab. Im Stahlhandel bei Klöckner haben wir vor fünf Jahren damit angefangen, und heute liegen zwei Drittel des Weges hinter uns.

Allerdings können wir ohnehin nur etwa 80 Prozent erreichen, denn der Konzern ist ja einem permanenten Wandel unterworfen, indem er Einheiten zu- oder verkauft etc.

CW: Mit dieser Arbeit haben Sie also begonnen, bevor die Fusion mit der Veba überhaupt zur Debatte stand. Warum?

Wörner: Es ging uns damals schon darum, die Schnittstellen-Vielfalt in den Griff zu bekommen. Wir brauchten einfach zu viele unterschiedliche Systeme, um die Geschäftsprozesse abzubilden.