Provider fordern und fördern

25.10.2007
Wer optimalen Nutzen aus Serviceverträgen ziehen will, muss seinen IT-Dienstleister mehr als nur kontrollieren.

Eine der bekanntesten Grundregeln für die Geschäftswelt lautet: "Das Geld wird im Einkauf verdient." Als perfekte Verwalter und Gestalter ihrer Lieferantenbeziehungen gelten die Automobilhersteller. Sie fordern nicht nur stetige Prozess- und Produktverbesserun-gen von ihren Partnern ein, sondern fördern diese auch in den Bestrebungen, die internen Abläufe besser zu gestalten, um weitere Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen zu erzielen.

Hier lesen Sie ...

wie die West LB und BMW ihre IT-Dienstleister bewerten und steuern;

warum IT-Manager Strafzahlungen für verfehlte SLAs für ungeeignet halten;

welche Maßstäbe die Deutschen Amphibolin-Werke bei der Suche nach einem Outsourcing-Partner angelegt haben;

wie sich das wachsende Partner-Management in Anwenderunternehmen auf den IT-Servicemarkt auswirkt.

Warnung an die IT-Dienstleister

Die konsequente Verbesserung der IT-Beschaffung in den Anwenderunternehmen bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Geschäfte der IT-Dienstleister. In einigen Bereichen, in denen sich Leistungen gut vergleichen lassen, bekommen sie die Mechanismen des Marktes bereits heute zu spüren. Das gilt beispielsweise für den Desktop-Support beziehungsweise den Field-Service. In diesem Marktsegment sind bereits Anbieter wie Arxes oder A&O in Bedrängnis geraten, weil die Preise stetig fallen. Absehbar ist, dass sich dieser Trend auch in andere Bereiche des Outsourcing-Geschäfts fortpflanzen wird. Die Unternehmen West LB und BMW, die jeweils ein ausgefeiltes internes Partner-Management aufgebaut haben, zeigen darüber hinaus, dass auch das Projektgeschäft nicht vor Vergleichbarkeit, Leistungs- und Preisdruck gefeit ist. Dienstleister für das Third-Party-Management wie etwa Hays, Emagine, Harvey Nash oder Gulp tun ein Übriges, um den Wettbewerb unter den IT-Service-Providern anzuschüren. "Machen wir mit unserer Einkaufspolitik den Provider-Markt kaputt? Treiben wir die die Anbieter an den Rand der Profitabilität?", fragte ein Konferenzteilnehmer bange in die Diskussionsrunde am Rande der Marcusevans-Veranstaltung "IT-Dienstleister- und Partner-Management", auf der einige Anwenderunternehmen ihre Lösung präsentierten. Eine solche Sorge der Kunden sollte den Providern eine Warnung sein. (Joachim Hackmann)

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IT-Einkauf professionalisieren

Was liegt näher, als sich das Partner-Management der Automobilbranche einmal näher anzusehen und, wo möglich, die Verfahren für den Einkauf von IT-Diensten zu kopieren? Genau das hat die BMW-IT getan, zumal sie die professionellen Einkäufer im eigenen Hause weiß. "Ich kann das Gerede von Partnerschaft nicht mehr hören", schimpfte Reinhold Noppe, Abteilungsleiter IT-Einkauf bei BMW AG, über die allzu vage Beschreibung der gegenseitigen Beziehungsgeflechte. Sein Verdruss ist angesichts von rund 1100 IT-Lieferanten im Münchner Automobilkonzern nachvollziehbar. Deren Spektrum reicht vom spezialisierten Freelancer bis zum Full-Service-Provider. Insbesondere die großen Anbieter bemühen gerne den partnerschaftlichen Gedanken, ohne dass klar aufgelistet würde, welche Rechte und Pflichten die enge Zusammenarbeit mit sich bringt. "Was sind unsere Beistellpflichten?", fragte Noppe auf der Konferenz "IT-Dienstleister- und Partner-Management" des Veranstaltungsbetreibers Marcusevans. "Ich möchte genau wissen, welchen Aufwand BMW für Partnerschaften betreiben muss."

Mit einem aktiven Lieferanten-Management verfolgt BMW nun das Ziel, die strategische Positionierung sowie die Leistungsfähigkeit der IT-Dienstleister zu erfassen und zu dokumentieren. Ganz im Sinne der Leitsätze des BMW-Konzerns will man damit einen Beitrag zu Innovationen und zur nachhaltigen Qualitätsverbesserung liefern. Diesen Unternehmenszielen sollen sich auch die Zulieferer verpflichten. Nebenbei erhofft sich der IT-Einkauf, Risiken besser zu beherrschen und eine mögliche Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern mit exponierten Aufgaben frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Die Bedenken sind begründet, immerhin gingen im vergangenen Jahr 70 Prozent des IT-Bestellvolumens in die Kassen der 30 größten BMW-Lieferanten.

Keine Vorzugspartner bei BMW

Wichtige Hilfsmittel für eine effektive Dienstleistersteuerung sind die "Partner Balanced Scorecard" sowie das interne Skill-Profil, also ein Dokument über die Fähigkeiten jedes einzelnen Providers. Beide Werkzeuge ergeben zusammen ein vollständiges Bild der Lieferantenbeziehung.

Das Partnerprofil pflegt BMW bereits seit einiger Zeit, es wurde jüngst überarbeitet. Zu den wesentlichen dokumentierten Merkmalen zählen etwa Umsätze in verschiedenen Bereichen wie Consulting, Hardware und Software, das Auftragsvolumen in den Geschäftsbereichen des Autokonzerns sowie eine Einschätzung der Kompetenz aus BMW-Sicht. Zudem formulieren beide Parteien gemeinsam die Ziele des Anbieters, etwa "Firma X möchte führender Anbieter für das Applikations-Management bei der BMW Group werden." Daraus leitet sich keine exklusive Beziehung ab, betonte Noppe: "Es gibt keine Vorzugspartner bei BMW. Das gilt auch für unsere Tochtergesellschaft Softlab." Zu den wichtigen Lieferanten zählen neben Softlab derzeit beispielsweise SAP, IBM, HP, T-Systems und MSG.

BMW zertifiziert Partner

Das zweite Instrument zur Partnersteuerung ist die Balanced Scorecard. Hier konzentriert sich BMW auf einfach zu erhebende Messgrößen, um den eigenen Aufwand nicht in die Höhe zu treiben. Kennzahlen sammelt der interne IT-Einkauf in den vier Dimensionen "Strategie" (etwa Vollständigkeit der Kernkompetenz), "Innovation" (Vorschläge zum geschäftlichen Nutzen), "Performance" (Leistungsfähigkeit) und "Zusammenarbeit". Um beispielsweise die Qualität der Kooperation eines Partners zu bewerten, zählt BMW, ob die vereinbarte Zahl der Regel-Meetings eingehalten und ob ein regelmäßiger Informationsaustausch mit dem Topmanagement angeboten wurde. Zudem leistet sich BMW eine interne Zertifizierung der Partner in Form eines Multiple-Choice-Tests. Dazu bietet der Konzern den Lieferanten einen Schulungskatalog an. "Wenn ein Partner für BMW erstmals tätig wird, sollte er keine Fragen mehr zu den Prozessen haben", fasste Noppe zusammen.

Ärger mit dem Outsourcer

Bei einem jährlichen IT-Budget von rund 1,1 Milliarden Euro ist der Aufwand zu rechtfertigen. Angesichts dieses Volumens nehmen die Partner die enge Führung gerne in Kauf. Doch nur wenige andere deutsche Unternehmen können eine derartige Einkaufsmacht in die Waagschale legen. Allerdings setzt sich auch bei weniger finanzkräftigen Unternehmen die Erkenntnis durch, dass das Partner-Management herkömmlicher Prägung, das vor allem auf Kontrolle und Pönalen baut, kaum weiterhilft. "Strafzahlungen können den durch einen Ausfall entstandenen finanziellen Schaden nicht ausgleichen", warnte etwa Gerold Wiesler, verantwortlich für das IT-Service-Delivery bei der Lufthansa-Tochter Swiss International Air Lines AG. "Sinnvoller ist es, dem Partner zu helfen, die vereinbarten SLAs einzuhalten." Wieslers Erfahrungen gehen auf einen problematischen Outsourcing-Deal seines Vorgängers zurück, in dem viele Leistungen nicht klar definiert wurden, beispielsweise fehlten Angaben zu den Eskalationswegen.

Pönalen bringen nichts

Häufig bleibt dennoch als letzter Ausweg nur, sich von einem Partner zu trennen. Das ist insbesondere in Outsourcing-Projekten nicht ganz einfach, denn ohne Hilfe des gekündigten Anbieters ist der Übergang zum neuen Provider nicht möglich. Trotz dieser Hürde haben sich die Deutschen Amphibolin-Werke, Hersteller von Baufarben wie etwa Caparol und Alpina, für einen Neuanfang entschieden. Darauf haben besonders die internen, vom täglichen Umgang mit dem alten Outsourcing-Dienstleister entnervten IT-Mitarbeiter gedrängt: häufiger Ausfall der SAP-Applikationen, lange Kommunikationswege, fehlende Statusmeldungen und ständig wechselnde Ansprechpartner haben sie zermürbt. Die Probleme blieben auch der Unternehmensleitung nicht verborgen: "Das Management hat vorgeschlagen, die Pönalen derart hochzuschrauben, dass sie dem Provider richtig Schmerzen bereiten", schilderte Martin Haury, IT-Leiter des Baufarbenherstellers, die Situation. "Doch dadurch werden die grundsätzlichen Probleme des Providers nicht behoben", pflichtet er den Erfahrungen anderer IT-Manager über die Wirkungslosigkeit von Ausgleichzahlungen bei.

Mittlerweile haben die Deutschen Amphibolin-Werke den Betrieb der SAP-Applikationen ihrem neuen Provider übergeben. 150 000 Euro Ausstiegspönale musste das Unternehmen dem alten Dienstleister zahlen, "doch die haben wir locker wieder reingeholt", freute sich Haury. Die Probleme im Betrieb wurden behoben und die Verfügbarkeit bei geringeren Kosten verbessert.

Vergleichbarkeit der Angebote

Um einen passenden Provider zu finden, haben sich die IT-Verantwortlichen der Amphibolin-Werke intensiv vorbereitet. In ihren Anfragen an die einzelnen Anbieter haben sie strikt auf Gleichbehandlung geachtet. Gab es von einzelnen Providern weiteren Informationsbedarf oder Änderungsvorschläge, wurden alle anderen Bieter in gleicher Weise benachrichtigt. Selbst die Besuche bei Referenzkunden absolvierten die IT-Mitarbeiter nach einem einheitlichen Fragebogen. "Damit konnten wir Vergleichbarkeit herstellen", begründete Oliver Weber, Projektleiter der Migration, das Vorgehen. Sämtliche Daten samt subjektiver Einschätzung übertrug das Team in eine Netzgrafik (siehe Seite 32) mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Punkte. Die übersichtliche Darstellung lieferte wichtige Hinweise beim Vergleich der Stärken und Schwächen der einzelnen Bewerber.

Nur umfangreiche und einmalige Projekte können diesen Aufwand rechtfertigen, für mittelständische Unternehmen ist die ständige Bewertung ihrer Zulieferer eine Herausforderung. Selbst ein Großunternehmen wie die West LB musste feststellen, dass sie in der kontinuierlichen Kontrolle und Bewertung ihrer IT-Partner an Grenzen stößt. Mit nahezu 240 unterschiedlichen Anbietern unterhielt die Landesbank im vergangenen Jahr noch vertragliche Beziehungen. "Zertifizierung, Quartals-Meeting, Partner-Management das ist mit mehr als 200 Anbietern nicht zu schaffen", stöhnte Thomas Stahl, Leiter des IT-Einkaufs bei der West LB.

West LB strafft IT-Einkauf

Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis entschied sich die West LB, direkte Beziehungen nur zu den zwei gesetzten Outsourcing-Partnern (HP für die dezentrale IT-Infrastruktur und T-Systems für die zentralen IT-Systeme) sowie zu den so genannten Pool-Lieferanten zu unterhalten. Zur letzteren Gruppe zählen zwölf Provider, die Projekte für die West LB betreiben, weitere fünf Anbieter führt die Bank in einem erweiterten Kreis. 80 Prozent des jährlichen IT-Einkaufsvolumens von rund 70 Millionen Euro gehen auf das Konto dieser privilegierten IT-Dienstleister. Ein weiches Ruhekissen ist die Aufnahme in den exklusi-ven Kreis dennoch nicht. "Auch für die zwölf Pool-Lieferanten gilt das Prinzip des Wettbewerbs", drohte Stahl. Wichtiges Krite-rium für die Aufnahme in die Runde der Zwölf ist der Umsatz mit der West LB. Damit sie den Status bewahren können, greift der IT-Einkauf der West LB den Lieferanten bei Bedarf unter die Arme. Bleiben beispielsweise Aufträge an einzelne Dienstleister aus, analysieren die West-LB-Experten gemeinsam mit dem Partner die Angebote der Dienstleister. Grundlage dafür ist eine Skill-Datenbank, in der auch Vergleichsdaten abgelegt sind. Er-gebnis könnte beispielsweise sein, dass ein Pool-Lieferant bei gleicher Kompetenz und Eignung im Vergleich zu anderen Wettbewerbern zu hohe Tagessätze in Rechnung stellt. "Ziel ist es natürlich auch, die primären Kosten für den Einsatz externer Mitarbeiter zu senken", erläuterte Stahl.

Hays steuert IT-Dienstleister

Anbieter, denen der Finanzdienstleister den Status des Pool-Lieferanten aberkennt, steigen in den Topf des Third-Party-Managements ab. Zu ihnen unterhält die West LB keine direkten Vertragsbeziehungen mehr, sondern hat für diese Aufgabe den Personaldienstleister Hays verpflichtet. Statt zuvor rund 200 Verträge mit jedem einzelnen Provider zu pflegen, unterhält die Bank nun nur noch eine Geschäftsbeziehung zu Hays. Zudem schafft das auf das Third-Party-Management spezialisierte Unternehmen Kosten- und Leistungstransparenz und damit mehr Wettbewerb unter den Lieferanten. Der Service kostet die Bank nichts, Hays finanziert sich aus den Einsparungen. Mit diesem Modell konnte die West LB nicht nur den Aufwand im Partner-Management reduzieren, sondern auch die Kosten für die IT-Dienste senken: Die Tagessätze sind um durchschnittlich fünf Prozent gefallen, ohne dass es zu einem Leistungseinbruch gekommen wäre.

Die Quadratur des Kreises ist das Third-Party-Management dennoch nicht, denn wer güns-tig einkauft, muss intensiver auf Qualität achten. "Wenn nicht glasklar beschrieben wird, was man erwartet, kommt es zu Schwierigkeiten", warnte Stahl. Aus diesem Grund hat die West LB ein standardisiertes Zusammenspiel von IT-Abteilung und IT-Einkauf entwickelt. Der gesamte Bestellprozess wurde so gestaltet, dass die jeweiligen Kompetenzen in den Verhandlungen mit den Partnern dort zum Tragen kommen, wo sie besten Nutzen versprechen.