Protokollnotiz und neue Monopoldebatte

02.12.1994

Friede, Freude, Eierkuchen in der deutschen wie europaeischen Telecom-Szenerie - warum eigentlich nicht? Bruessel freut sich, die Telekom freut sich, die verhinderte Konkurrenz des (noch) staatlichen Monopolisten freut sich und die Kundschaft sowieso. Ab 1998 machen alle in Wettbewerb, einige vielleicht sogar schon frueher, und alles ist in Butter. Schoene neue Welt, koennte man da ohne zynischen Hintergedanken meinen, wenn es denn so einfach waere, was es aber leider dann doch nicht ist. Wer jedenfalls im magischen Datum 1. Januar 1998 einen Meilenstein europaeischer Telecom-Geschichte sieht, hat nur vordergruendig recht. "Da haben sich ein paar Minister ueber einen Referentenentwurf gebeugt und ihn passieren lassen", lautete dieser Tage der lakonische Kommentar eines Insiders, und besagter Experte duerfte mit seiner Meinung beileibe nicht alleine stehen.

Dass die Beseitigung des Netzmonopols ueberfaellig war, wer wollte dies bestreiten? Nun geht es aber ans Eingemachte - etwa bei dem Problem, wie denn kuenftiger Wettbewerb zu koordinieren (regulieren) ist. Ein bisschen freier Markt schon, aber ja nicht so viel, heisst bekanntlich die Devise in Europa; wofuer uebrigens, trotz des Liberalisierungsgeschreis, eine ganze Menge spricht. Etwa die Frage, wer denn von einheitlichen Maerkten und Standards in Europa am schnellsten profitiert: Die US-amerikanischen Telecom-Giganten oder die von Pensionslasten und hoher Verschuldung gebeutelte Telekom AG samt einer krisengeschuettelten Ausruesterindustrie? Alcatel/SEL laesst gruessen!

Wen solche Gedanken zu ketzerisch anmuten, der kann sich aber ohne weiteres auch anderen "Kriegsschauplaetzen" zuwenden. Zum Beispiel jener Protokollnotiz, die die Telecom-Minister Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, der Niederlande, Schwedens und Finnlands unter dem Etikett "Alternative Netze" bei der EU deponierten. Was da als Tagesordnungs-Querverweis in der Bruesseler Jubelstimmung fast etwas unterging, bedeutet nichts anderes als die Manifestierung eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" in der Telekommunikation.

Nicht umsonst stehen Veba, RWE, Deutsche Bahn (Mannesmann Mobilfunk?) und Konsorten entschlossener denn je ante portas - und zunaechst bei Bundespostminister Wolfgang Boetsch Schlange, der kraeftig mit einer (alternativen) Lizenz ab 1996 winkt. Alternative Netze bedeuten, "politisch" betrachtet, von der Telekom unabhaengige, auf eigene Ressourcen zurueckgreifende Netzbetreiber. Und da kommt es, nicht nur fuer die Telekom, auf faire Wettbewerbsbedingungen an. Dass man in Bonn die Monopoldebatte noch einmal und vor allem anders fuehren moechte, ist aus Sicht der dort Verantwortlichen nur legitim. Veba-Chef Ulrich Hartmann wird sich in Zukunft aber auch ganz andere Fragen gefallen lassen muessen, naemlich die der Anwender.