Infocorp-Report zum US-Midrange-Markt/Teil 1

Proprietaere Rechner sehen gegen Unix-Systeme ziemlich alt aus

08.01.1993

Selten zuvor duerfte eine Studie so klar belegt haben, dass die Strategie, auf herstellereigener Architektur basierende Rechnersysteme anzubieten, in eine Sackgasse fuehrt. Wie das Zahlenmaterial von Robert Sakakeeny, dem Infocorp-Autor der Untersuchung, belegt, mussten die Hersteller proprietaerer Midrange- Rechner ueber einen Zeitraum von 1986 bis 1992 einen kontinuierlichen Schwund bei den Verkaufszahlen verkraften.

Dieser Rueckgang an verkauften Systemen ist - wie die Beispiele Wang, Data General oder NCR zeigen - fuer einzelne Unternehmen mitunter fast existenzbedrohend geworden. Die drei genannten Firmen mussten eine sogenannte Compound Average Growth Rate (CAGRhinnehmen, vor der ein dickes Minuszeichen steht.

Wie der US-Analyst gegenueber der COMPUTERWOCHE erklaerte, benennen die beiden in der Infocorp-Studie aufgefuehrten CAGR-Angaben zum einen die Anzahl verkaufter Systeme pro Jahr. Zum anderen halten sie den Wert fest, der sich aus den Kosten zusammensetzt, die der Kaeufer sowohl fuer die Hard- als auch fuer die Software dieser Systeme aufwenden muss. Dabei bezeichnet die CAGR-Angabe fuer jeden Hersteller von Midrange-Systemen den fuer den Zeitraum von 1986 bis 1992 durchschnittlich pro Jahr erfahrenen Anstieg oder Rueckgang.

Fuer den genannten Zeitraum errechnete Sakakeeny ein negatives Wachstum der Anzahl ausgelieferter proprietaerer Midrange-Systeme von durchschnittlich 16 Prozent pro Jahr fuer die gesamte Branche, 40 Prozent fuer Wang, 36 Prozent fuer NCR und 30 Prozent fuer Data General. Die Zahlen korrespondieren in etwa auch mit den Angaben zu dem Wert der Systeme, also den Kosten fuer Hard- und Software (vgl. die Grafiken in dieser und der kommenden Ausgabe).

Dies allerdings ist nur die Spitze des Eisberges: Unisys etwa konnte 1986 noch 3789 Mini-Systeme an den Mann bringen, im Jahr 1992 sind es mit 1208 verkauften Rechnern weniger als ein Drittel dieser Zahl.

Das entspricht einem Marktanteil von drei Prozent und einem Rueckgang von 19 Prozent (jeweils im Durchschnitt und pro Jahr).

Der kalifornischen Tandem Computers Inc., Anbieter ausfallsicherer Systeme, geht es da nicht viel besser: 1314 ausgelieferten Rechnern im Jahr 1986 stehen im abgelaufenen Jahr 1992 gerade 553 Einheiten gegenueber - der Marktanteil belaeuft sich hier auf ein Prozent, die Schwundrate liegt bei jaehrlich 15 Prozent.

Wer glaubt, Markenname und schiere Groesse schuetze vor dem Absturz ins Ungewisse, der taeuscht sich: Die grossen drei

im Segment der proprietaeren Midrange-Maschinen - IBM, Digital Equipment Corp. (DECund Hewlett-Packard (HP) - vereinigen zwar 80 Prozent des gesamten US-Marktes in dieser Leistungskategorie auf sich. Auch bei ihnen duerfte aber - legt man die Infocorp-Zahlen zugrunde - die These nicht gewagt sein, dass der Versuch, Kaeufer in der Isolation einer Rechnerfamilie zu halten, kaum mehr geschaeftsfoerdernd sein wird.

Big Blue, mit einem Marktanteil von 38 Prozent bei den geschlossenen Midrange-Rechnern klare Nummer eins vor DEC (24 Prozent), musste mitansehen, wie die Verkaufszahlen pro annum von 31 207 im Jahre 1986 kontinuierlich auf 17 462 Systeme wegbrachen, die Mother Blue 1992 noch an den Mann bringen konnte.

Interessant an diesen Infocorp-Zahlen ist, dass nach einem Einbruch im Jahr 1987 (26 543 Einheiten) 1988 mit dem Eintritt der AS/400 in dieses Marktsegment mit 34 129 verkauften IBM-Midrange- Systemen ein absoluter Hoehepunkt erreicht wurde. Von da an gings bergab - 1989 weist Sakakeeny fuer die Armonker nur noch 23 261 ausgelieferte Systeme aus, mit in den Folgejahren weiter ruecklaeufigen Zahlen.

AS/400 auf dem absteigenden Ast

Die Angaben des Analysten aus Acton, Massachusetts, belegen, dass die AS/400 sich in den Augen der Kaufinteressenten und Anwender auf dem absteigenden Ast befindet. Dies kann offensichtlich weder ihr sehr gutes Image als leicht handhabbares und potentes Datenbanksystem verhindern. Noch aendern die von der IBM ausgegebenen Erfolgsparolen ueber Stueckzahlrekorde - juengst wurde demnach die 200 000. AS/400 verkauft - offensichtlich etwas an dem Stigma der mangelhaften Interoperabilitaet mit anderen Rechnerwelten. Dies duerfte den IBM-VBs mittlerweile bei Verkaufsgespraechen wie ein Klotz am Bein haengen.

Alles andere als schadenfroh sollten aber auch DEC und HP sein: Mit rund 23 600 verkauften proprietaeren Minicomputern 1986 noch auf einem sicheren zweiten Platz hinter der IBM, verzeichnete DEC vor allem von 1988 auf 1989 einen katastrophalen Rueckgang um fast 11 000 verkaufte Systeme. Im

gerade abgelaufenen Jahr registrierte die VAX-Company in den USA noch 10 858 Kaeufer fuer eine Rechnergattung, die das Unternehmen von Firmengruender Kenneth Olsen einst in die Hoehe katapultierte.

Dabei haengt die Zukunft von DEC fast ausschliesslich an diesem Marktsegment. Nicht ohne Grund propagieren die Leute aus der Bostoner Umgebung den Einstieg in das VAX-Nachfolgesystem Alpha mit viel Verve nach der Top-down-Methode: Am 10. November 1992 leitete DEC mit der Vorstellung der Alpha-Hoffnungstraeger eine neue Firmenaera ein. Dabei verlassen sich die DEC-Marketiers zunaechst ausschliesslich auf die Leistungsstaerke von Server- Systemen. Diese sollen die VMS-VAX-Basis mit Migrationsoptionen locken. Erst spaeter 1993 sollen Workstations und PCs auf Basis der Alpha-RISC-Architektur folgen.

Hewlett-Packard plant am besten

Und Hewlett-Packard? Auch die gelegentlich von Marktanalysten als zu technikorientiert apostrophierte Firma aus Palo Alto hatte jaehrliche Verkaufsrueckgaenge ihrer proprietaeren Mittelklasse- Rechner von durchschnittlich zehn Prozent zu verkraften. Trotzdem scheinen die Nachfolger der Unternehmensgruender Bill Hewlett und Dave Packard von allen im Midrange-Segment engagierten Unternehmen am geschicktesten zu planen.

Zwar fanden sich auch die Kalifornier erst im Dezember 1991 bereit, ihrer geschlossenen MPE-Welt mit einer Posix-Erweiterung ein Schlupfloch zu oeffnen. Aber mit ihren 9000-Workstations der 700-Linie unter dem UX-Unix-Derivat und mit dem leistungsstarken PA-RISC-Prozessor bauten sie sich nach der unter schweren Verlusten vollzogenen Einverleibung der Apollo-Systeme unter dem proprietaeren Domain-Betriebssystem eine ganz starke Plattform auf. Die Infocorp-Studie erzaehlt hierzu eine runde Erfolgsstory: Die Verkaeufe von Unix-Systemen schnellten bei HP von 1990 (12 831 Einheitenauf 1991 (23 971) um fast 100 Prozent in die Hoehe.

Bemerkenswert am HP-Konzept ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass HP mittlerweile saemtliche Rechnerlinien auf einer einzigen Prozessorarchitektur anbietet. Das heisst: Sowohl die MPE/ix- Systeme der Modellreihen 3000 als auch die Unix-basierten Modell- 9000-Rechner arbeiten mit dem PA-RISC-Baustein, Motorola wurde als Chip-Lieferant ausgemustert.