10 Jahre Twitter

Prominente Tweets und unternehmerische Sorgenfalten

17.03.2016
Maximal 140 Zeichen, schnell und authentisch: Twitter hat sich - ähnlich wie Facebook - zum Kulturphänomen gemausert. Zehn Jahre nach ihrer Gründung steht die Social-Media-Plattform allerdings auch vor großen Herausforderungen.

Twitter feiert seinen zehnten Geburtstag - viel zu feiern gibt es derzeit aber eigentlich gar nicht. Zuletzt sank die Zahl der aktiven Nutzer erstmals leicht - Quartal für Quartal wird die Bilanz von der Farbe Rot dominiert und die Twitter-Aktie hängt im Kurskeller fest - deutlich unter dem Ausgabepreis des Börsengangs von 2013. Twitter hat die Welt verändert und einen einzigartigen Social-Media-Kanal geschaffen: "Jeder kann seine Ideen und Informationen sofort und über Grenzen hinweg teilen", lautet das offizielle Motto. Doch darauf ein profitables Geschäft aufzubauen, erweist sich als äußerst schwierig.

Twitter feiert seinen zehnten Geburtstag - und steht vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte.
Twitter feiert seinen zehnten Geburtstag - und steht vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte.
Foto: ibreakstock - shutterstock.com

Die Entstehung von Twitter: Der Social-Media-Zufall

Zum Start von Twitter vor zehn Jahren ging es zunächst auch gar nicht darum, einen Online-Service zu etablieren, um Geld zu machen. Die Social-Media-Plattform entstand - ähnlich wie Facebook - quasi durch eine Verkettung von Umständen und Zufällen: Die kleine Firma Odeo in San Francisco wollte eigentlich einen internetbasierten Audio-Dienst entwickeln. Bei einem Brainstorming schlug Entwickler Jack Dorsey vor, kurze Statusmeldungen an alle Teammitglieder per SMS zu senden, um den Austausch untereinander zu vereinfachen. In nur zwei Wochen entstand ein erster Prototyp. "Just setting up my twttr" lautete der Inhalt des weltweit ersten Tweets - geschrieben von Dorsey selbst am 21. März 2006. Das einflussreiche US-Blog "TechCrunch" entdeckte den Dienst circa drei Monate später. Der Durchbruch gelang dem sozialen Netzwerk schließlich im März 2007 auf dem Tech-Festival South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas - einen Monat später wurde das Unternehmen Twitter Inc. ausgegründet.

Inzwischen gibt es kaum ein großes Ereignis, das nicht auch bei Twitter stattfindet. Die Notwasserung des Passagierflugzeugs bei New York im Januar 2009, der "arabische Frühling" 2011, der Bombenanschlag auf den Marathon in Boston und die nachfolgende Jagd auf die Täter, Selfies aus der Kabine der Fußball-Weltmeister, die Terroranschläge von Paris - es sind nur einige historische Momente, die man ohne Twitter anders wahrgenommen hätte.

Twitter im Umbruch: Quo vadis?

Die große Frage ist 2016 jedoch: Wie geht es weiter mit Twitter? Mitbegründer Jack Dorsey steht in seiner zweiten Runde als Twitter-Chef vor einer gewaltigen Herausforderung. Er muss den Social-Media-Dienst modernisieren - darf dabei aber nicht die Millionen zufriedener User verärgern. Und schon gar nicht die "Power-User" - also Journalisten, Politiker und Prominente. Internet-Unternehmer Sean Parker, Mitbegründer von Napster und in den frühen Jahren auch bei Facebook an Bord, sieht gerade darin ein Problem: Die Begeisterung der Medien habe Twitter in den Anfangsjahren schnell wachsen lassen, erklärte er im Magazin "Vanity Fair". "Aber das hatte einen Preis: aus den Nutzern wurde keine eng gestrickte Community."

Derzeit scheint Dorsey gewaltig unter Druck zu stehen und an jeder Schraube zu drehen, die er findet. Unter anderem deutete er an, dass die anfangs eingeführte Begrenzung auf 140 Zeichen pro Tweet fallen könnte. Zudem experimentierte man bei Twitter auch mit einer Sortierung der Posts nach Relevanz-Algorithmen, statt der bisher üblichen chronologischen Reihenfolge - und handelte sich damit sofort einen Shitstorm von Seiten der User ein.

Social-Media-Plattformen: Der Kampf um die User

Dass die großen Social-Media-Rivalen Facebook, Google und Snapchat sich künftig auch verstärkt als News-Kanal etablieren wollen, kommt noch hinzu. Twitters Antwort heißt "Moments", ist bisher nur in den USA verfügbar und soll spannende Einträge zu aktuellen Events an einem Ort bündeln - fristet allerdings seit dem Start im Herbst ein Schattendasein. Mit Periscope hat Twitter auch einen Dienst für Live-Streaming an Bord - doch auch hier hat Facebook inzwischen nachgebessert, dazu kommt die "Instant-Articles"-Plattform für Medien- und Verlagshäuser. Google lässt inzwischen Politiker im US-Wahlkampf mit kurzen Direktbotschaften, den sogenannten "Google Posts" zu Wort kommen.

In den vergangenen Jahren schien dem Twitter-Konzern eine klare Strategie zu fehlen: Erst verzichteten die Gründer ganz auf Werbung, um die Nutzer nicht zu verschrecken - dann wollte man plötzlich das große Geld verdienen und im Nachrichtenstrom tauchten bezahlte Tweets und "Trends" auf. Diese Werbung macht heute zwar das Gros der Twitter-Erlöse aus - die Frage ist aber, wie viel mehr davon man den Usern in der heutigen Zeit noch zumuten kann.

Prominente, Tweets und die Zukunft

Zum Ende des vergangenen Jahres hatte Twitter 305 Millionen aktive Nutzer - wenn man die Abonnenten seines SMS-Dienstes herausrechnet. Das waren zwei Millionen weniger als noch drei Monate zuvor. Zusammen mit dem Twitter-SMS-Dienst stagniert die Zahl bei 320 Millionen. Das weltgrößte Online-Netzwerk Facebook hat 1,6 Milliarden aktive Mitglieder und wächst immer noch rasant - was wiederum die Basis für höhere Werbeeinnahmen ist. Jack Dorsey rechnet allerdings anders: Man müsse weitere 500 Millionen Nutzer hinzuzählen, die Tweets - und auch Werbung - zu sehen bekämen, ohne bei Twitter angemeldet zu sein.

Trotz aller Herausforderungen kann Twitter auch weiterhin darauf bauen, dass viele Prominente sich über die Social-Media-Plattform direkt an ihr Publikum wenden. US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump verbreitet bevorzugt über Twitter Gemeinheiten über die politische Konkurrenz und andere Botschaften, die von knapp sieben Millionen "Followern" regelmäßig zu Kenntnis genommen und kommentiert werden. An der Spitze der Twitter-Prominenten stehen aber die Popstars Katy Perry (84,5 Millionen Follower), Justin Bieber (77,2 Mio.) und Taylor Swift (72,9 Mio.), gefolgt von US-Präsident Barack Obama mit immerhin noch 71,1 Millionen Abonnenten.

Social-Media-Meilensteine: Die Geschichte von Twitter in Kurzform

In bester Twitter-Tradition haben wir die Meilensteine der Unternehmensgeschichte kurz und knapp für Sie zusammengefasst:

- März 2006: Mitgründer Jack Dorsey schreibt die erste heute auffindbare Twitternachricht: "just setting up my twttr", tippt er.

- März 2007: Bei der Digital-Konferenz South by Southwest in Austin kommt der große Durchbruch für Twitter, weil die Digital-Elite den Dienst für sich entdeckt.

- April 2007: Das Unternehmen Twitter Inc. wird gegründet.

- Oktober 2008: Dorsey gibt den Chefsessel an Mitgründer Evan Williams ab. Twitter hat rund drei Millionen Nutzer.

- April 2009: Der Schauspieler Ashton Kutcher und der Fernsehsender CNN liefern sich einen Wettlauf, wer als erster auf eine Million Abonnenten bei Twitter kommt - der "Two and a half Men"-Star gewinnt.

- April 2010: Twitter führt "gesponserte Tweets" ein, die von Werbekunden in den Nachrichtenstrom der Nutzer "geschleust" werden können.

- Oktober 2010: Dick Costolo wird Twitter-Chef.

- Januar 2011: Demonstranten im Nahen Osten nutzen Netzwerke wie Twitter und Facebook, um ihren Widerstand gegen repressive Regimes zu organisieren. Im Verlauf des sogenannten "Arabischen Frühlings" werden Staatschefs in Tunesien, Libyen und Ägypten gestürzt.

- September 2011: Twitter hat 100 Millionen aktive Nutzer im Monat.

- Februar 2012: Twitter startet eine Plattform, über die Unternehmen selbständig Werbung schalten können.

- Januar 2013: Twitter führt den Dienst Vine für Kurz-Videos ein.

- November 2013: Twitter geht an die Börse. Die Einnahmen des Börsengangs belaufen sich auf zunächst 1,8 Milliarden Dollar. Nach Firmenangaben nutzen mehr als 230 Millionen Menschen den Dienst.

- März 2015: Twitter bestätigt den Kauf des Live-Streaming-Anbieters Periscope.

- April 2015: Die Enttäuschung der Investoren über aktuelle Quartalszahlen rasiert an einem Tag rund ein Fünftel des Unternehmenswerts weg. Der Aktienkurs erholte sich davon bis heute nicht.

- Juli 2015: Jack Dorsey löst Costolo zunächst als amtierender Chef ab und übernimmt im Herbst den Job dauerhaft.

- August 2015: Die Twitter-Aktie fällt erstmals unter den Ausgabepreis von 26 Dollar beim Börsengang. In der Spitze kostete sie einst über 60 Dollar.

- Januar 2016: Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Zahl aktiver Nutzer im Schlussquartal 2015 erstmals gesunken ist, rechnet man den hauseigenen SMS-Dienst dazu, stagniert sie. (dpa/fm)