Wenn es ohne externe Unterstützung nicht mehr geht

Projekte: Berater stoppen den Selbstlauf

18.01.2002
Nur zehn Prozent der großen IT-Projekte deutscher Unternehmen laufen "in Time und Budget". Für die anderen 90 Prozent müssen die Firmen zwei- bis dreimal soviel an Zeit und Geld aufwenden wie geplant. Dennoch weichen die meisten Vorhaben von der Zielsetzung ab. Bernhard Hirth ist mit seinem Team auf solche kritischen Situationen spezialisiert. Von CW-Mitarbeiterin Katja Müller

Es war bereits der dritte Versuch, das auf 15 Millionen Mark konzipierte Projekt eines großen deutschen Unternehmens zu retten. Schließlich einigten sich die Verantwortlichen darauf, externe Hilfe zu holen, und engagierten die Projekt Team Hirth GmbH (pth). Nach einer intensiven Auditierung veranschlagte die pth eine Erhöhung der Projektkosten auf 100 Millionen Mark. Auch das Projektteam, das sich bis dahin bei einer Realisierung von 80 Prozent glaubte, wurde eines Besseren belehrt. Die pth ermittelte, dass die Gruppe noch nicht einmal 20 Prozent des Vorhabens umgesetzt hatte. Was wie ein Ausnahmefall aussieht, gehört für den pth-Geschäftsführer Hirth zum Alltag: "Kaum ein Projekt, bei dem unsere Hilfe gebraucht wurde, lief gleich beim ersten Mal."

Vor sechs Jahren gründete Hirth sein Beratungsunternehmen, das auf das Managen, Auditieren und Sanieren von IT-Projekten in Größenordnungen bis zu drei Milliarden Mark spezialisiert ist. Die knapp 50 Mitarbeiter sind zwischen 40 und 60 Jahrealt, in der Regel ehmalige Vorstände und Geschäftsführer, die in anderen Unternehmen "überflüssig geworden waren". Aber nur mit deren langjähriger Führungserfahrung könne die pth komplexe, kritische Projekte, die kurz vor dem Aus stehen, noch retten, argumentiert Hirth. "Manchmal läuft ein Projekt seit zwei Jahren, und keiner weiß, was damit los ist." Dann müssen die Senior-Manager der pth mit geradezu "kriminalistischem Spürsinn" den Projektverlauf entschlüsseln.

Unterschätzte KomplexitätDie meisten Fehler unterlaufen laut Hirth schon bei der Planung. Ungenaue Zielstellungen wie Abschlusstermine zum 30. Juni oder 31. Dezember, die sich am Geschäftsjahr orientieren und nicht am Projekt, seien durchaus üblich. Auch unterschätzten die Firmen häufig die Komplexität eines Vorhabens mit Folgen für die personelle Ausstattung: "Wenn das Unternehmen keine Probleme bei der Projektplanung entdeckt, warum sollte es für die Umsetzung gut geschulte Leute nehmen?" konstatiert Hürth. Viele Firmen setzten zudem auf einen Projektleiter mit Fachkompetenz und nur wenig Führungserfahrungen. "Die wenigsten von denen stehen das durch, und so gibt es eine Fehlbesetzung nach der anderen."

Dabei sollte die Projektleitung in den Händen einer "starken, unternehmerisch denkenden und handelnden Persönlichkeit" liegen, die sowohl genügend Fachkenntnisse als auch Management-Erfahrungen besitzt. Doch solche Persönlichkeiten sind rar und weichen Projekten, die ihrer eigenen Karriere nicht unbedingt nutzen, eher aus. Wenn aber aus den eigenen Reihen niemand geeignet ist, muss das Unternehmen einen externen Projekt-Manager holen, erklärt Hirth. Pth-Gesellschafter Klaus Halling stimmt dem zu: Außenstehende hätten es leichter, sich aus den internen Machtkämpfen herauszuhalten. "Auf einmal müssen alle diejenigen Zuarbeit leisten, die das sonst nicht tun, und die kooperieren, die sonst gegeneinander arbeiten."

Mit einem Projektleiter von außen lässt sich auch leichter erreichen, dass der Auftraggeber des Projektes bis zum Ende am Vorhaben festhält. "Sie finden in den großen Unternehmen keine Person, die Verantwortung übernimmt. Wenn das Projekt in eine kritische Phase kommt, wird ein Lenkungsausschuss gebildet, in dem jeder behauptet, etwas mit der Sache zu tun zu haben", sagt Hirth, einen Verantwortlichen gebe es dann allerdings immer noch nicht. Der Idealfall, dass Auftraggeber und Anwender identisch sind und das Projekt auch haben wollen, kommt selten vor.

Keiner will Projekte übernehmenKlare Strukuren fordern die pth-Experten auch im Projektteam selbst. "Wenn zwei Abteilungen Mitarbeiter abstellen, muss ich mich als Projektleiter fragen, ob das Interessenvertreter sind oder ob sie mitarbeiten wollen." Um die Teamarbeit zu fördern, wäre laut Hürth ein großes Büro mit einer gemeinsamen Kaffeeküche sinnvoll. Aber häufig sind solche Bedingungen nicht möglich, weil deutschlandweit operiert wird, ergänzt Halling.

Zudem ließen sich selbst mit Gehaltserhöhungen nicht viele Mitarbeiter zum Projekt-Management überreden. "Ein Projektmensch muss heimatlos sein und Aufbauqualitäten haben. Viele Mitarbeiter wollen aber ihr stabiles Umfeld nicht verlassen." Umso wichtiger sei es deshalb, dass Teammitarbeiter und künftige Anwender miteinander kommunizieren.

Schließlich trage auch die Wahl des richtigen Lieferanten entscheidend zum Gelingen eines Projekts bei. Oft suchen die Unternehmen nicht die Anbieter aus, die die günstigsten Konditionen bieten, sondern jene, die schon immer Lieferanten waren.

Aber selbst, wenn das Projekt läuft, sollten die Beteiligten regelmäßig kontrollieren, ob es keine Abweichungen von Zielsetzung und Terminplänen gibt. Hirth empfiehlt in diesem Zusammenhang in erster Linie externe Bewerter, die in der Lage sind, den Projektverlauf zu prüfen.

Hilfe bei Projekten

Das Projekt-Team Hirth hat seinen Unternehmenssitz in Garching bei München und ist auf DV-Großprojekte, Outsourcing- und Organisationsprojekte spezialisiert. 2000 erzielte die GmbH einen Umsatz von 15,75 Millionen Mark. Zu den Kunden zählen unter anderem die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, Deutsche Lufthansa, Fresenius AG, Daimler-Chrysler AG und die T-Mobil (Deutsche Telekom Mobilnet GmbH). Neben Projekt-Managern stellt das Unternehmen Auditoren, Organisationsberater und Coachs zur Verfügung. Aber auch komplette "Projekt-Offices", bestehend aus einem Projektleiter, Controllern, Assistenten und der notwendigen Infrastruktur, können Firmen bei der Abwicklung eines Vorhabens unterstützen.