Mit MySQL kein generelles Umschwenken auf Open Source

Progress Software bleibt beim bisherigen Business-Modell

25.08.2000
MÜNCHEN (ls) - Die Progress Software GmbH ist Vermutungen entgegengetreten, die Unterstützung der Datenbank "MySQL" durch das neue Tochterunternehmen Nusphere könnte eine Wende von Lizenz- zu Open-Source-Software einleiten.

Die Gründung von Nusphere zur Vermarktung und Unterstützung der Community-Datenbank MySQL sowie deren Neupositionierung als Open-Source-Produkt (siehe CW 27/00, Seite 18) hat für Aufregung gesorgt. Spekulationen im Internet und in der Presse, dies könne der Anfang einer Neupositionierung von Progress sein, haben dem Unternehmen besorgte Anfragen von Anwendern und Softwarepartnern eingebracht.

Den Irritationen ist Marketing-Leiter Markus Speier in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE entgegengetreten. Progress habe sich ein Standbein in der Open-Source-Bewegung geschaffen, werde jedoch den Quellcode der hauseigenen relationalen Datenbank "Progress RDBMS" nicht offen legen, geschweige denn diese gegenüber MySQL langsam zurückziehen.

Dazu bestehe auch kein Anlass, so Speier: "Bei unseren jetzigen Kunden und Partnern ist die Open-Source-Datenbank mit Sicherheit kein Thema." Und im Interesse von Progress, seinen Investoren und Aktionären könne derlei auch nicht sein: "Unsere Datenbank im Quellcode verfügbar zu machen würde uns bedeutender Einnahmen berauben."

Progress habe sich mit der Gründung von Nusphere und der damit begonnenen Unterstützung von MySQL lediglich strategisch absichern wollen. "Falls der Markt zu einer Open-Source-Ausrichtung zwingen würde, möchten wir in einer guten Startposition sein. Wir möchten präsent sein, wenn der Markt reif ist."

Das sei im Moment aber noch nicht absehbar. "Der Open-Source-Markt ist im Datenbanksegment noch nicht so weit, dass er in den nächsten Jahren eine grundlegende Rolle spielen könnte." Gleichwohl habe die US-Unternehmensleitung seit über einem Jahr die Entwicklungen verfolgt. Ein Ergebnis war, dass die Datenbank Progress RDBMS dem allgemeinen Trend entsprechend seit dem Release 9.1 vom Januar 2000 in einer Linux-fähigen Version erschien.

Nachdem man bei den Hauptentwicklern von MySQL auf Interesse an einem professionellen Service- und Supportpartner gestoßen sei, habe man Nusphere gegründet. Und zwar mit Absicht als separates Unternehmen: Die Unterscheidung vom traditionellen Lizenzgeschäft sollte demonstrativ sein.

Eine Konkurrenz im eigenen Haus zwischen den Datenbanken Progress RDBMS und MySQL entstehe aber ohnehin nicht, weil Letztere nicht genügend transaktionsorientiert sei. Derzeit beständen keine Pläne, besondere Schnittstellen zwischen den Produkten oder zu anderen Entwicklungs-Tools von Progress einzurichten. Das würde, so Speier, "aber möglicherweise mittelfristig Sinn geben".

Progress werde Nusphere und MySQL Räumlichkeiten und Personal in den weltweiten Support- und Servicezentren zur Verfügung stellen. Gegebenenfalls kämen auch Neueinstellungen in Betracht, denn eine Verschlechterung des Progress-Supports sei nicht akzeptabel.

Professioneller Support für MySQL sei der entscheidende Hebel, die Marktchancen der bisher vor allem in Linux-Entwicklerkreisen beliebten Datenbank zu verbessern. Progress möchte dabei, so Speier, "Erfahrungen mit neuen Kunden und mit dem alternativen Business-Modell Open Source sammeln". Und vielleicht könnten sich die Investitionen auch direkt auszahlen: "Nusphere soll für Open-Source-Datenbanken dasselbe werden wie Red Hat für Linux-Betriebssysteme."