Fibu in Leder, Goldschnitt und in 12 Bänden?

Programmierer und Poet dazu

08.04.1982

WIEN (eks) - Zu den zahlreichen Rechtsauffassungen zur Schützbarkeit von Software gehört seit heuer auch ein Erlaß des Finanzministeriums. Danach braucht für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten aus umfangreichen Softwareprodukten nur mehr der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von acht Prozent angewendet werden.

Nach einem Durchführungserlaß zum Umsatzsteuergesetz können Urheberrechte im weiteren Sinn, also auch Patentrechte, Markenschutzrechte und Musterrechte mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz behandelt werden.

Ergänzt wird diese steuerrechtliche Verordnung durch eine interessante Rechtsmeinung der Finanzer. Bei extensiver (und vorläufig noch nicht durch Judikatur abgesicherter) Auslegung der urheberrechtlichen Bestimmungen können auch Softwareprodukte als Werke der Literatur im Sinn der Grundsätze des Urheberrechtsgesetzes angesehen werden. Sofern für die Lösung des Problems eine gewisse Varationsbreite besteht und die Programme einen dadurch bedingten größeren Umfang haben.

Urheberrechtlich geschätzt sind "eigentümliche geistige Schöpfungen" auf den Gebieten der Literatur, Tonkunst, der bildenden Künste und des Films. Zur Literatur zählen neben Sprachenwerken aller Art Bühnenwerken auch Werke wissenschaftlicher oder belehrender Art, die in bildlichen Darstellungen bestehen. Gemäß der bislang nicht EDV-bezogenen Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs muß die Persönlichkeit des Urhebers und die Einmaligkeit seines Wesens zum Ausdruck kommen.

Liegen diese Voraussetzungen vor, dann fallen Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung des Rechts auf die Nutzung derartiger EDV-Programme unter den achtprozentigen Mehrwertsteuersatz. Begünstigt ist nicht nur der von der Cobol-Muse geküßte Programmierer, der meist in einem Dienstverhältnis steht, sondern auch ein Datenverarbeitungsunternehmen, das diese Rechte direkt oder auf Umwegen erworben hat und sie nun entgeltlich weitergibt.

Die hier wiedergegebene Rechtsmeinung hat jedoch möglicherweise noch eine andere interessante Konsequenz. Die Erstellung eigentümlicher geistiger Schöpfungen steht jedermann frei und ist an keine Gewerbevorschriften gebunden. Damit wird der nichtangestellte Programmierer zum Freiberufler, der ohne Rücksicht auf den Paragraphen 103 der Gewerbeordnung (Mindestanforderung zur Erlangung eines DV-Gewerbescheins Matura und sechs Jahre Praxis) seine Leistungen erbringen kann.