Alltag in Fun Factories

Programmierer mit Leidenschaft

22.02.2000

Für Jürgen Schuster (29) ist alles, fast alles, zunächst eine Sache des Gefühls. Er glaubt "an die Idee des Unternehmens", für das er in der Hauptsache arbeitet, und "an die beiden Menschen, die dahinterstecken". Die Rede ist von einer selbst für die Verhältnisse der Internet-Branche ungewöhnlichen Geschäftsidee namens börsenreport.de. In der Nähe von Augsburg haben die Sport- und Religionslehrerin Elfriede Moder-Frei (42) und der Betriebswirtschaftler und Marketing-Spezialist Helge Kiefer (30) im August 1998 einen internationalen Online-Informationsdienst aus der Taufe gehoben, der Anlegern mit konkreten Trading-Informationen einen Informationsvorsprung bieten möchte, den sie für ihre Investment-Entscheidungen benötigen. Mit Erfolg, denn für das virtuelle Unternehmen, das nicht von einer Garage, sondern von einem Wohnzimmer aus gesteuert wird, arbeiten inzwischen mehr als ein Dutzend freiberufliche Mitarbeiter - vorwiegend als

Autoren und Analysten.

Schuster ist quasi Technik-Chef und oberster Entwickler von boersenreport.de in Personalunion. Unterstützt wird der "Programmierer aus Leidenschaft" vom 19jährigen Sebastian Lothary. Beide haben sich, welch Wunder, in der Disko kennen gelernt. Zeit für die "wichtigen Dinge des Lebens" bleibt also auch noch. Doch zurück zum Thema. In Schusters Wohnung in Adelsried nördlich von Augsburg entstand in den zurückliegenden sechs Monaten das, worauf beide mächtig stolz sind: eine neue Web-Plattform für boersenreport.de, die sich mit Hilfe intelligenter Tools modulartig je nach Thema und Content selbst aufbaut. Die Autoren und Analysten können ihre Texte einfach "nur noch schicken"; es muss nicht jedes Mal eine Website mit großem Aufwand neu erstellt werden. Dem Unternehmen bringt dies Zeit- und Geldersparnis, den Kunden mehr Übersichtlichkeit und damit Bedienerfreundlichkeit.

Schuster programmiert seit seinem zwölften Lebensjahr; sein Chef Helge Kiefer hält ihn für "einen der besten Datenbank-Spezialisten, die es in Deutschland gibt". Unterbrochen wurde der, wenn man so will, Lebensweg des Software-Freaks durch eine kurze Episode als Filialleiter der Computerhandelskette Comtech. 80 bis 90 Prozent seiner Arbeitszeit ist er für boersenreport.de tätig, der Rest bleibt für kleinere Aufträge anderer Firmen. Doch was heißt schon Arbeitszeit? Morgens steht er nach eigenem Bekunden auf und schaltet den Rechner ein, abends geht er zu Bett und fragt sich: Hast du wirklich alle Probleme gelöst? Dazwischen bleibt je eine Viertelstunde Zeit für Mittag- und Abendessen. Freundin? "Keine Zeit". Karriere? Andere Firmen haben schon bei ihm angeklopft, auch mehr Geld geboten. Doch boersenreport.de kann, wird, so glaubt er, "seine Karriere sein". Stock Options? Warum nicht? Wichtiger ist ihm aber ganz etwas anderes - die Freiheit, "mir meine Zeit

selbst einzuteilen". Denn in einem ist sich Schuster ganz sicher: "Zum Softwareentwickler wird man geboren, das ist ein Virus, der einen nicht mehr loslässt."