Computer Based Training als Werkzeug für Multi-Medien-Kurse:

Programmieren für den Lehrer entfällt

20.09.1985

MÜNCHEN - Das Klischee vom computerunterstützten Unterricht füllt sich mit Substanz: Lernprogramme helfen nicht mehr nur den Ausbildern, Zeit zu sparen, sondern auch den Schülern. Neue Medien sind die Chance für neue Methoden der Wissensvermittlung, aber auch für die -Lösung organisatorischer und didaktischer Probleme.

Den Rechner zur Unterstützung des Ausbilders heranzuziehen ist gewiß kein neuer Ansatz. Bereits 1960 versuchte IBM durch Testauswertungsmaschinen Universitäts-Dozenten von Routinearbeit zu entlasten; bereits 1967 kündigte die Control Data Corporation mit "Tutor" eine Programmiersprache an, die speziell zur Entwicklung von Lernprogrammen konzipiert war. Beide Richtungen - sowohl die Erleichterung der Bildungsverwaltung als auch die Unterstützung der Lehre durch Rechnereinsatz - haben in der Vergangenheit auch im deutschsprachigen Bildungsbereich Eingang gefunden. Schon um 1970 wurde der Begriff des Computer Based Training (CBT) für die Wissensvermittlung durch Rechnerunterstützung geprägt. Allerdings zeigte sich, daß die sogenannten Lernprogramme, die damals auf Initiative einzelner Ausbilder entwickelt wurden, in der Regel nicht die Akzeptanz fanden, die man sich von ihnen erhofft hatte.

Neben der mangelnden Erfahrung der Ausbilder und den geringen technischen Möglichkeiten der produktiven Lernprogramm-Entwicklung lagen die Gründe hierfür vielfach in der falschen Zielsetzung, Lernprogramme primär zur Entlastung der Ausbilder einzusetzen. Didaktische Gesichtspunkte der Lernprogramm-Gestaltung wurden vernachlässigt, und oft kamen die Lernprogramme, die vor 1980 entwickelt wurden, über das Niveau "automatisierter Textbücher" nicht hinaus.

Erst durch die Bereitstellung von Autorensystemen und Lehrmodellen wurde eine Verbesserung der Qualität von Lernprogrammen und der Produktivität ihrer Entwicklung erreicht. Bei den Autorensystemen handelt es sich um Software-Tools, die die Entwicklung von Lernprogrammen unterstützen. Moderne Autorensysteme

* erlauben es einem Autor, Lernprogramme zu entwickeln, ohne komplexe Programmierkenntnisse zu besitzen;

* verfügen über einen Grafikeditor, der es ermöglicht, Farbgrafiken und sogar Bewegungsgrafiken zu erstellen;

* unterstützen den Dialog zwischen Lernprogramm und Lernenden, indem sie die Antwortanalyse für verschiedene Fragetypen (Multiple-Choice, Ja/Nein, Freitexteingabe . . .) und verschiedene Eingabemedien (Tastatur, Touch-Panel, Lichtshift, Mouse . . .) übernehmen;

* erleichtern dem Autor die Ablaufsteuerung für den inviduellen Lernweg des Lernenden;

* besitzen Schnittstellen zu anderen Medien, Geräten und Softwareprodukten

* und sind auf Personal-/Mikrocomputern des Industriestandards ablauffähig.

Höhere Bildungseffizienz durch CBT

Noch mehr Unterstützung in der Lernprogramm-Entwicklung bieten die Lehrmodelle. Sie geben dem Autor eine feste Struktur seines Lernprogramms vor. Er braucht sich nicht mehr um den didaktischen Entwurf seiner Lektion zu kümmern, sondern kann sich auf die Lerninhalte und deren Aufbereitung konzentrieren. Ohne jegliche Programmierkenntnisse kann der Autor somit Lernprogramme entwickeln, die durch ihre konsequent klare Lehrstrategie auf große Akzeptanz beim Lernenden stoßen.

Hand in Hand mit der Verbesserung der Werkzeuge zur Lernprogramm-Entwicklung und den fortschreitenden Möglichkeiten der Informationstechnologie muß sich das Ziel beim Einsatz des Computers zur Wissensvermittlung ändern. Computer Based Training bedeutet heute nicht mehr, Lernprogramme bereitzustellen, um den Ausbilder von lästigen Routinearbeiten zu entlasten. Es bedeutet vielmehr, die effiziente Lösung von Ausbildungsproblemen im Verbund mit der Informationstechnologie anzustreben.

Im Mittelpunkt steht der Lernende

Die bereits vorhandenen Vorteile des CBT - der Lernende bestimmt Lerngeschwindigkeit, Lerndauer, Lernzeitpunkt, Lernort und Lernweg - können unter Verwendung neuer Medien noch vergrößert werden. Durch Einsatz von Video- sowie Bildplatten- und Audiogeräten lassen sich auch nichtkognitive Lerninhalte mit verschiedenen Lerntypen (visuellen, auditiven, motorischen) vermitteln.

Dies erweitert das Einsatzspektrum des Computers in der Wissensvermittlung und führt CBT-Lösungen weg von Lernprogrammen und hin zu Multi-Medien-Kursen. Der Computer ist hierbei der steuernde Lernberater. Im Mittelpunkt des Kurses aber steht der Lernende.

Diese individualisierte Form der Wissensvermittlung bietet sich vor allem für die Erwachsenenbildung in der industriellen Aus- und Weiterbildung an. Hier werden sich CBT-Kurse schnell bewähren, da sich durch ihren Einsatz auch oft anzutreffende organisatorische Probleme der Bildung lösen lassen.

Die Zielsetzung, in CBT-Kursen Instrumente zur Lösung von Ausbildungsproblemen zu sehen, die Individualisierung der Bildung zu verstärken und neue Bildungsinhalte via Computer vermitteln zu können, werden dazu beitragen, daß Computer Based Training sich als Mittel, Bildungseffizienz zu erhöhen, durchsetzen wird.

*Josef Guggenhuber ist als Leiter Fachbereich CBT der Control Data Institut GmbH, München, tätig.