Keine Akzeptanz der Datenverarbeitung mit ergonomischen Tischmaschinen:

Probleme der Softwaregestaltung ungelöst

18.02.1983

BERLIN - Versuchte die DV-Industrie bislang, ergonomische Probleme "vordergründig" zu lösen. so propagiert Ahmet Cakir vom Berliner Ergonomic-Institut die systemgerechte Ergonomie. Nach seiner Meinung ist es ungeschickt, die Abwärme von Bildschirmgeräten etwa durch eine Vollklimatisierung zu beseitigen. Sinnvoller wäre, die Wärmeabgabe der Geräte von vornherein zu reduzieren.

Man kann bei der Untersuchung von Möglichkeiten der Arbeits- und Arbeitsplatzgestaltung von zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten ausgehen:

1. Man nimmt die derzeit gegebenen Eigenschaften der Maschinen und anderer Arbeitsmittel als gegeben an und versucht, die beste Konstellation unter diesen Umständen zu erreichen.

2. Man betrachtet zunächst die Anforderungen der Benutzer an ihr Arbeitssystem und versucht eine Anpassung der Arbeitsmittel zu erreichen.

Die erste Möglichkeit müssen alle Anwender in Betracht ziehen, die nur vorhandene Arbeitsmittel kaufen und einsetzen können. Das trifft für kleine Anwender zu. In dieser Situation befanden sich viele Organisationen in den Jahren 1972 bis 1978, die Bildschirmarbeitstische kaufen wollten.

Das Angebot entsprach bei weitem nicht ihren Anforderungen. Sie mußten auch die Geräte als gegeben hinnehmen. Fast alle namhaften Großanwender haben in diesen Jahren versucht, die zweite Möglichkeit zu realisieren. Sie entwarfen Arbeitstische entweder auf eigene Faust oder in Zusammenarbeit mit Möbelherstellern.

Erst als man ein Gesamtkonzept zu realisieren versuchte, um dabei die Geräte- und die Arbeitsplatzgestaltung in Einklang zu bringen, wurde es möglich, Normen für die Geräte- und die Tischgestaltung aufzustellen.

Obwohl die im Ausland als relevant angesehenen Regelwerke, zum Beispiel die "DIN-Normen für Bildschirmarbeitsplätze" und die "Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze", aus der Bundesrepublik gekommen sind, haben die skandinavischen Länder wesentliche Beiträge zur Auffassung von der Ergonomie geleistet. Hierbei wurde zunächst - in den Jahren bis etwa 1977 - nach der Position 1 verfahren, die wir vordergründige Ergonomie nennen können. Danach sind Bildschirmgeräte entstanden, die diese Form der Ergonomie überflüssig gemacht haben.

Streßforschung

Die derzeitigen Arbeiten zur Festlegung bestimmter Prinzipien für die Softwaregestaltung, die vom Normenausschuß Informationsverarbeitung durchgeführt werden, profitieren von Projekten der Streßforschung. Hier wurde unter anderem festgestellt, daß die Zufriedenheit der Mitarbeiter im wesentlichen eine Frage des Arbeitsablaufs ist. Eine positive Einstellung haben solche Mitarbeiter gezeigt, die ihre Arbeitsmittel beherrschen und eine effektive Kontrolle über sie ausüben.

Die skandinavische Streßforschung muß im Zusammenhang mit der Gesetzgebung in diesen Ländern gesehen werden. Die Arbeitsschutzgesetze begnügen sich dort nicht nur damit, daß vorhandene Risiken gemindert, sondern auch mögliche Gefahren durch künftige Arbeitsgestaltung berücksichtigt werden. Bei restriktiver Handhabung kann eine solche Gesetzgebung jedoch hinderlich für jede Innovation sein. Wenn wir allerdings den Prozentsatz der technisierten Arbeitsplätze im Verwaltungsbereich mit dem in anderen Ländern vergleichen, stellen wir fest, daß dies keine zwangsläufige Folge sein muß. Die skandinavischen Länder weisen zum Beispiel in der Anwendung der Informationsverarbeitung den größten Terminalisierungsgrad auf.

Es wurden eine ganze Reihe von Projekten durchgeführt, die die Interessen der Benutzer und der Anwender bei der Gestaltung von Arbeitssystemen berücksichtigen wollten. Viele Projekte waren auf DV-Anwendungen bezogen. Schon frühzeitig wurde belegt, daß man bereits beim Gestaltungsprozeß die Interessen der Benutzer berücksichtigen kann.

Obwohl die meisten Projekte in Schweden durchgeführt worden sind, existierte in Norwegen das erste Gesetz, das neben solchen Aspekten wie Arbeitssicherheit, Arbeitszeit, Entlohnung etc. auch die psychischen Folgen der Arbeitsbedingungen behandelt (Gesetz über den Schutz der Arbeitnehmer und über die Arbeitsbedingungen vom 1. 7. 1977).

Wichtig ist zu erwähnen, daß dieses Gesetz auf Abkommen zwischen den Tarifpartnern basiert und auch Ergebnisse des Instituts für Arbeitspsychologie in Oslo berücksichtigt hat. Weiterhin ist wichtig, daß die Arbeitsbedingungen im Sinne dieses Gesetzes nicht nach Einzelkriterien beurteilt werden, sondern ganzheitlich. Eine Rahmenvereinbarung zwischen dem norwegischen Arbeitgeberverband und dem Gewerkschaftsbund über computergestützte Systeme war bereits im Jahre 1978 abgeschlossen.

Auch in Schweden existieren Gesetze und Abkommen über die Einführung von DV-Anwendungen. Wesentliche Beiträge zu diesen Regelungen haben Forschungsprojekte beigetragen, die in Schweden, Dänemark und Norwegen durchgeführt worden sind.

Diese kurze Darstellung der Regelungen im Umfeld der DV-Anwendungen soll lediglich dazu dienen, aufzuzeigen, daß skandinavische Produkte, unabhängig davon, ob es sich um Software oder um Terminals handelt, im eigenen Land kritischen und gut informierten Anwendern und Benutzern gegenüber ihre Qualität beweisen müssen.

Die ersten Arbeitsmöbel, die für Terminalarbeitsplätze geschaffen wurden, stammen aus Schweden. Diese wurden schon in den Jahren vor 1975 dort entwickelt. Ein Modell war derart gut an IBM-Terminals der Serie 3270 angepaßt, daß es in den USA von der IBM direkt vertrieben wird: "Synergetix".

Arbeitsplatzgestaltung

Mehrere Modelle von Bildschirmarbeitstischen, die heute in der Bundesrepublik hergestellt und vertrieben werden, stammen ebenfalls aus Schweden.

Skandinavische Hersteller, die versucht haben, die systemgerechte Ergonomie vor die vordergründige zu stellen, haben ihre Produktgestaltung entsprechend entwickelt. Sie haben frühzeitig erkannt, daß man keine Akzeptanz der Datenverarbeitung erreichen wird, wenn man die Benutzer in abgedunkelten Räumen an motorisierten "ergonomischen Tischmaschinen" arbeiten läßt.

Nach eingehender Überprüfung ihrer Produkte kann man die Behauptung aufstellen, daß sie nicht nur das realisiert haben, was gefordert wird, sondern darüber hinaus auch viel Detailarbeit geleistet haben. Beispielsweise wurde bei einem Produkt eine Forderung der künftigen DIN-Norm 66234 Teil 6 "Die Beschriftung der Tasten ist dauerhaft auszuführen" - das heißt die Schrift und die Tastenoberfläche dürfen sich nach langjähriger Benutzung möglichst wenig ändern - als eine technische Spezifikation bei der Tastenherstellung festgeschrieben. Ihre Einhaltung unterliegt einer ständigen Kontrolle.

Die flexible Arbeitsplatzgestaltung, die heute die Grundlage der Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze bildet, wurde durch die Gerätegestaltung ermöglicht, bevor dieses Regelwerk entstand.

Durch ihre Gerätegestaltung haben die skandinavischen Hersteller eine Reihe von ergonomischen Gestaltungsmaßnahmen für Bildschirmarbeitsplätze überflüssig gemacht, beispielsweise die Konstruktion von Spezialtischen, Spezialleuchten und ähnliches.

Sie haben auch den Beweis erbracht, daß Ergonomie nicht eine Frage von Kosten ist, sondern eine Frage sinnvoller Arbeitsgestaltung.