IT-Dienstleister will Verluste kräftig senken

Pro DV reduziert das Internet-Geschäft

11.01.2002
MÜNCHEN (mb) - Nach dem verlustreichen Ausflug in die New Economy will sich der Dortmunder IT-Dienstleister Pro DV AG wieder auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und in diesem Jahr den operativen Verlust erheblich senken.

Pro-DV-Vorstandsvorsitzender und -Gründer Klaus Bullmann hat das Geschäftsjahr 2001 bereits abgehakt: Nachdem es zu keinen weiteren negativen Überraschungen kam, bleibt es bei den Mitte des vergangenen Jahres prognostizierten 23 Millionen Euro Umsatz und einem Betriebsergebnis von rund minus 4,5 Millionen Euro. Der im Neunmonatsbericht ausgewiesene operative Verlust von 3,9 Millionen Euro - fast 1,8 Millionen Euro davon schrieb Pro DV im dritten Quartal - hatte ursprünglich sogar Schlimmeres befürchten lassen. Berücksichtigt man aber die in den vergangenen Monaten aufgetretenen Einmaleffekte von 700000 Euro, sei man, so Bullmann, auf dem besten Weg, das Jahresziel zu erreichen. 2002 soll es dann aber richtig losgehen. Dann will das Unternehmen nämlich auf operativer Ebit-Basis nur noch ein Defizit von 950000 Euro aufweisen. Das Wachstum soll mit einer Gesamtleistung von 25 Millionen Euro bei rund zehn Prozent liegen.

In diesem Bestreben hat sich Pro DV Ende August vergangenen Jahres von Vorstandsmitglied und Mitgründer Heinz Leonhardt im gegenseitigen Einverständnis getrennt. Siegfried Wenzel übernimmt nun Vertrieb und Produktion in Personalunion. Bullmann kümmert sich um Controlling und Marketing.

Abgesehen von besagter Vorstandsposition stehen aber keine Stellenkürzungen auf dem Programm. Stattdessen soll versucht werden, die erst in diesem Jahr von 245 auf fast 340 Beschäftigte aufgestockte Mannschaft stärker in die Projekte miteinzubeziehen und die Mitarbeiter aus der Internet-Sparte in den anderen Business-Units unterzubringen.

Fokussierung auf KernkompetenzDa die Umsatzerlöse in den ersten neun Monaten des Jahres nicht einmal die knapp 15 Millionen Euro an Personalaufwendungen decken konnten, dürfte dieses Unterfangen aber mit einem ernst zu nehmenden betriebswirtschaftlichen Risiko behaftet sein.

Unabhängig davon stehen nun, nachdem im Geschäftsbereich E-Business die Nachfrage merklich eingebrochen war, die Kernkompetenzen Prozessoptimierung, Customer-Relationship-Management und Geo Solutions im Vordergrund. "Wir wollen uns auf unsere Stärken konzentrieren", kündigt Bullmann an, "wir haben im vergangenen Jahr ausreichend Lehrgeld gezahlt." Ab sofort werde sein Unternehmen nur noch dort investieren, wo ein direkter Return on Investment erkennbar ist. Dabei spricht er aus schlechter Erfahrung: Als das Unternehmen beim Web-Portal "Gartencenter 24" die Notbremse zog, war die Hauptarbeit schon erbracht, die meisten Investitionen bereits getätigt.

Auch bei "Forestnetservice", einer Handelsplattform für die Forst- und Holzwirtschaft, wurde konsequent ein Schlussstrich gezogen. Bei der mit Borussia Dortmund betriebenen Agentur Sports & Bytes und dem Sport- und Freizeitportal "Kickbase" seien dagegen erste Gewinne zu erwarten.

Anleger bleiben skeptischTrotz des angekündigten Tritts auf die Kostenbremse stehen die Dortmunder auch im neuen Jahr nicht mit leeren Händen da. Insgesamt wurden in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres zirka sieben Personenjahre in die Weiterentwicklung neuer Lösungen und Dienstleistungen investiert.

Unabhängig vom sehr durchwachsenen Geschäftsjahr 2001 plagen Pro DV aufgrund einer zweistelligen Umsatzrendite sowie einer Eigenkapitalquote von 81 Prozent bei einer Bilanzsumme von fast 45 Millionen Euro keine Existenzängste. Bange wurde jedoch offensichtlich den Anlegern: Die Aktie ist bei einem Stand von 2,75 Euro derzeit nicht einmal mehr ein Achtel des ehemaligen Ausgabepreises von 23 Euro wert.

Um den Turnaround zu schaffen, will Pro DV nun die Beratung in den Vordergrund stellen. Obwohl derzeit in der Consulting-Branche ein eisiger Wind weht, fürchtet sich das Unternehmen dabei nicht vor den Großen der Branche wie CSC und SBS. Sicher seien laut Bullmann der Konkurrenzdruck ebenso wie der Preiskampf zu spüren. "Aber", so der Firmenchef weiter, "wir zeigen immer wieder, dass sich unsere Mannschaft gerade in diesem Sektor nicht zu verstecken braucht."

So gelang es den Dortmundern, im Oktober etwa einen rund zwei Millionen Euro schweren Auftrag von der Bundesanstalt für Arbeit an Land zu ziehen.

Unklar ist allerdings auch, wann sich ein nennenswerter Markt für den - ebenfalls defizitären - Geschäftsbereich "Geo Solutions" aufbaut. Die in der Sparte getätigten Investitionen - das Unternehmen präsentierte etwa im dritten Quartal 2001 eine Lösung zur interaktiven Navigation (Mobile Mapping) mittels GPS - sollen Früchte tragen, wenn das UMTS-Handy seinen Siegeszug antritt. Hier hofft Bullmann, von den Lösungen für den Endkunden- und B-to-B-Bereich zu profitieren. "Wer es schafft, ein bis zwei magere Jahre zu überstehen, der macht anschließend das Geschäft - und wir gehören dazu", gibt sich der Pro-DV-Chef optimistisch.

Hoffen auf den CRM-HypeHoffnung setzt Pro DV auch auf den Bereich Kundenbeziehungs-Management. Nachdem das Unternehmen Anfang Oktober einen über eine Million Euro schweren Vertrag mit T-Mobile abschließen konnte, hegen die Dortmunder ähnliche Erwartungen auf einen entsprechenden Boom bei den Energieversorgern.

Früher gehegte Expansionspläne wurden rasch wieder zurückgefahren. In der momentanen Situation den Weltmarkt anzugehen schließt Bullmann aus. "Das ist eine andere Liga, wir wollen nicht die Fehler von anderen begehen. Dafür gibt es ja am Neuen Markt ausreichend Beispiele."

Abb: Kostspieliges Wachstum

Die Umsatzerlöse in den ersten neun Monaten 2001 konnten nicht einmal die Personalaufwendungen decken. Quelle: Prodv