Thementag "Datenschutz & Sicherheit"

Prism, Tempora und viele banale Fragen

13.07.2013
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Eigentlich ist zu Prism und Tempora alles gesagt. Und eigentlich haben wir es alle gewusst. Zumindest all diejenigen, die sich im ITK-Umfeld bewegen. Weil wir alle die eingesetzten Techniken zumindest von ihren grundsätzlichen Funktionen und ihren Potenzialen her einzuschätzen wissen.

Nichts ist wirklich überraschend an den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Und natürlich gilt der bekannte Spruch auch hier: Jede Entwicklung, jede Technik, die der Mensch erfindet, setzt er auch ein. Die Frage ist nur: Wie nutzt er die Technik? Man kann mit einem Hammer eine Skulptur aus dem Stein hauen. Wenn man gut ist, heißt man danach vielleicht Auguste Rodin. Man kann mit einem Hammer aber auch jemandem den Schädel einschlagen. Dann wird man gewöhnlich als Mörder bezeichnet. Hier kann man sich fragen: Soll man jetzt den Hammer verbieten? Wohl nicht.

Jan-Bernd Meyer, leitender Redakteur bei der COMPUTERWOCHE.
Jan-Bernd Meyer, leitender Redakteur bei der COMPUTERWOCHE.
Foto: Joachim Wendler

Mit den Techniken von Big Data, Social, Mobility und Cloud eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Mit Big Data lassen sich trefflich und in Zukunft noch viel perfekter Massendaten auswerten. Noch für die Stasi mag das Argument gegolten haben: Die Unmengen an Daten, die durch flächendeckende Telefonabhöraktionen und –transkriptionen erhoben wurden, konnten möglicherweise gar nicht verwertet werden. Heute können IT-Systeme selbständig, automatisiert und aberwitzig schnell Informationen aus unterschiedlichsten strukturierten und unstrukturierten Datenquellen aufsaugen, sortieren, analysieren´. Und sie können – eine neue Qualität, die es bislang nicht gab und die ständig verbessert werden wird – aus diesem Informationsozean Vorhersagen treffen.

Kann diese Technik missbraucht werden?

Banale Frage. Ja, kann sie. Soll sie deshalb verboten werden? Nicht ganz so banale Antwort: Nein!
Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass diese Techniken uns zu neuen Fragen führen und zu Antworten zwingen werden. Können die Menschen weltweit ein Grundverständnis darüber erlangen, dass sie die massenhafte Überwachung ablehnen? Wieder so eine banale Frage, deren Antwort aber nicht so einfach sein dürfte.

Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag von „ZEIT Online“ in Deutschland förderte zutage, dass 40 Prozent der Befragten die Überwachung der Kommunikation im Internet für richtig befinden. Überwachungsmaßnahmen werden befürwortet, mit denen angeblich die Sicherheit von Staaten und Menschen gewährleistet würde. Wo solches Denken hinführen könnte, hat bereits Benjamin Franklin im 18. Jahrhundert mit seinem heute ständig ventilierten Satz in Marmor gehauen: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“.

Wenn wir aber die Nutzung von ITK-Techniken nicht wollen, die sich gegen die Interessen des Menschen wenden, stellt sich wieder eine banale Frage: Wer soll die Überwacher überwachen? Eine nationale Regierung wird das nicht können. Eine Weltregierung gibt es auf sehr absehbare Zeit nicht. Und wenn es sie gäbe, wer sagt denn, dass sie dann dem Edlen, Guten verpflichtet wäre und sich nicht gegen Ihre Bevölkerungen wendet?

Wer jetzt übrigens nach dem starken Staat ruft, der helfen soll, begibt sich in eine absurde Situation: Genau der Staat, der seine Bürger überwacht, soll helfen, dieser Überwachung Einhalt zu gebieten.
Es wird spannend sein zu beobachten, welche Folgen die Whistleblower-Aktion von Snowden á la longue hat. Vielleicht wehren sich ja die Menschen, indem sie die Techniken nutzen, die gegen sie angewandt werden. Ob das eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe wird, bleibt abzuwarten. Skepsis ist angebracht. Aber so lange die „Bösen“ eine Technik nicht in den Griff bekommen, ist Hoffnung:

Die Technik heißt Mensch.

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