Personalflucht und Kundenängste drücken das Ergebnis:

Prime-Übernahme wird zum Vabanque-Spiel

26.05.1989

MÜNCHEN (ujf) - Im Poker um eine eventuelle Übernahme von Prime Computers durch MAI Basic Four steigt die Spannung. Nur noch wenige Tage bleiben dem Spekulanten Bennett Le Bow, der mit Hilfe eines "Proxy Fight" den Prime-Vorstand kippen will, den Deal unter Dach und Fach zu bringen. Doch das Objekt seiner Begierde sinkt wegen der Zitterpartie im Wert - mit der Folge, daß die spätere Refinanzierung immer fraglicher wird.

Saßen die Prime-Manager längere Zeit mit unbewegter Miene am Pokertisch, so gehen sie inzwischen davon aus, daß ihr Gegenüber nur blufft. In einer überraschenden Kehrtwendung seiner bisherigen Strategie bot der Vorstand aus Natick/Massachusetts jetzt an, die Karten auf den Tisch zu legen: Der Widerstand gegen eine Übernahme werde aufgegeben, sofern die Gesellschaft von MAI-Großaktionär Le Bow tatsächlich die 20 Dollar pro Prime-Aktie aufbringen könne; sogar Einsicht in vertrauliche Geschäftsunterlagen werde man gewähren. MAI verzichtete darauf.

Die Prime-Mannen sind freilich überzeugt, daß Le Bows finanzielle Leistungskraft gar nicht ausreicht für die 970-Millionen-Dollar-Akquisition. In einem offenen Brief an den Kontrahenten schrieb die Geschäftsleitung, die einen breiten Rückhalt in der Belegschaft hat, sie halte es für unmöglich, die erforderlichen Fremdmittel auf dem Kapitalmarkt aufzutreiben; dabei geht es um 875 Millionen Dollar in sogenannten Junk-bonds, also hochverzinsten Risikoanleihen. Nach Berichten des "Wall Street Journal" ist die Finanzierung, für die das in mehrere Strafverfahren verwickelte Börsenhaus Drexel Burnham Lambert sorgen will, tatsächlich noch nicht gesichert.

Dem Börsenaufsichtsamt (SEC) teilte Prime mit, infolge der Übernahmespekulationen sei das Unternehmen so weit geschwächt, daß die vorausgesagten Umsätze und Gewinne 1989 nicht zu erzielen seien. Viele Kunden seien verunsichert und hielten sich deshalb mit Bestellungen zurück, zudem hätte besonders im mittleren Management eine Abwanderungsbewegung eingesetzt; das Personal sei frustriert. Die neue Umsatzprognose geht nun von sechs statt zehn Prozent Wachstum aus, und der Forecast für die Gewinnsteigerung liegt nach neuestem Stand um zehn Prozentpunkte niedriger als bis dato.

Obwohl diese Korrekturen auf den ersten Blick nicht dramatisch erscheinen, können sie über das Gelingen der Le-Bow-Aktion entscheiden. Denn die immensen Kredite, die für die Übernahme nötig sind, müßten schnellstmöglich getilgt werden. Und das erfordert hohe Profite in der aufgekauften Firma - das Unternehmen würde quasi aus seinen eigenen Erträgen abbezahlt. Dies wird nun immer schwieriger. Widersinnigerweise hat also gerade der seit einem halben Jahr andauernde Übernahmeversuch - einer der längsten in der Geschichte der DV-Fusionitis - eine wichtige Grundlage seiner selbst untergraben.

Obwohl die Mehrheit der Prime-Aktionäre auf die Tender-Offerte Le Bows eingegangen ist, steigt in Börsianerkreisen die Skepsis. So fiel der Prime-Kurs unter die 18-Dollar-Marke, also um über 10 Prozent unter das Kaufgebot. "Die Anleger haben eine Heidenangst, daß sie nicht die 20 Dollar erlösen", zitiert das "Wall Street Journal" den Analysten Jay Stevens von Dean Witter Reynolds aus New York. Der MAI-Boß könnte den Kurs der Tenderofferte noch senken.

Dann allerdings hätte das Versprechen des Prime-Vorstands, die Waffen zu strecken, auch keinen Bestand. Aber die Stunde der Entscheidung naht: Stichtag ist der 2. Juni.