Minicomputerhersteller als selbstständiges Unternehmen wohl am Ende :

Prime auf dem Weg in die MAI- Abhängigkeit

21.04.1989

MÜNCHEN/ NATICK (bk)- Das Fusionsgerangel zwischen Prime und MAI ist eine neue Runde gegangen. Nachdem es im März noch so ausgesehen hatte, als würde der Minimaker aus Natick die MAI- Übernahmeattacken erfolgreich abwehren können, scheint Prime nun doch die Luft auszusehen. Der Minihersteller sucht jetzt einen Käufer., der die MAI-Offerte überbietet .

Mit der Eigenständigkeit von Prime Computer scheint es bald vorbei zu sein . Zwar behauptet sich der Minimaker aus Natick nun schon seit November letzten Jahres erfolgreich gegen die Übernahmebemühungen von MAI Basic Four. Doch jetzt gab das Unternehmen seinen Finanzberatern First Boston Corp. und Smith Barney Harris Upham & Co. den Auftrag, einen Käufer zu finden, der mehr als die von MAI gebotenen 20 Dollar pro Prime-Aktie bezahlen will. Amerikanische Analysten werten diesen Schritt als letztes Aufbäumen von Prime, dem drohenden Aufkauf durch MAI zu entgehen. Jay Stevens, Marktforscher bei Dean Witter Reynolds: "Prime hat nunmehr erkannt, daß das Ende nahe ist.

Wer allerdings dem Minimaker das lukrative Kaufangebot unterbreiten soll, steht in den Sternen. Bereits im Januar waren Verhandlung mit der Ford Motors Co., einem der größten Prime-Kunden, gescheitert. Auch die Münchener Siemens AG, die mit Prime in Verbindung gebracht worden war, winkte ab. Es gebe definitiv kein Angebot an Prime, so die offizielle Stellungnahme aus München. Letzte Möglichkeit wäre nach Ansicht von Branchenkennern noch General Electric Co., deren Calma-Division Prime im Herbst vergangenen Jahres übernommen hatte.

Auf diesen Rettungsanker hoffen vor allem bundesdeutsche Prime-Kunden. Ein Anwender aus Norddeutschland: "Ich kann mir nicht vorstellen, daß General Electric als großer Anwender der Calma-Systeme zusieht, wie ihre technischen Innovationen, deren Entwicklung sie Millionen gekostet hat, einfach in andere Hände übergeht - noch dazu an ein Unternehmen, bei dem die Weiterentwicklung der CAD-Software nicht gewährleistet ist."

General Electric ist indes in dem seit November andauernden Fusionspektakel zwischen MAI und Prime noch nicht in Erscheinung getreten. Rudolf Beyenburg, Pressesprecher der General Electric Informationsservice GmbH in Hürth-Efferen bei Köln: "Als Prime damals Calma übernahm, wurde vertraglich festgelegt, daß für zwei Jahre Support, Weiterentwicklung und Service der Calma-Systeme zu erfolgen hat. Jeder neue Inhaber von Prime hat diesen Vertrag ebenfalls zu erfüllen. General Electric indes wird sich nicht in die bestehenden Verhandlungen zwischen Prime und MAI einmischen". Dennoch geben hiesige Prime-Anwender die Hoffnung nicht auf, daß der amerikanische Mischkonzern in letzter Sekunde doch noch eingreift und den MAI-Deal verhindert.

Derweil scheint MAI Basic Four dem weiteren Gang der Dinge gelassen entgegensehen zu können. Das kalifornische Unternehmen besitzt derzeit das Stimmrecht von 68,5 Prozent der umlaufenden Prime-Stammaktien. Zwar schien Anfang Februar noch eine Unterschriftenaktion der amerikanischen Prime-Belegschaft erfolgversprechend, in der die Aktionäre aufgefordert wurden, sich ihre bereits an MAI vergebenen Stimmrechte wieder zurückzuholen. Doch als sich kurz darauf bei Prime Gewinneinbrüche abzeichneten, nahmen viele Aktionäre erneut die Tender-Offerte von MAI an.

Auch die gerechtliche Auseinandersetzung zwischen Prime , MAI und der New Yorker Investmentbank Drexel Burnham Lambert , dem Financier von MAI Basic Four, scheint Prime nun nicht mehr zu helfen . Ein Bostoner Bezirksgericht hatte bislang die MAI- Aktivitäten mit der Begründung untersagt , Drexel Burnham solle erst die finanziellen Beziehungen zu MAI offenlegen . US-Analysten vermuten aber , daß schon in wenigen Tagen das gerichtliche Verbot aufgehoben wird. MAI und Drexel Burnham seien den Forderungen des Bostoner Gerichts entgegengekommen , indem sie sich mit der Securities and Exchange Commission geeinigt hätten.

Erste Reaktion von Prime auf diese neue Entwicklung : Die Hauptversammlung wurde vom 12. Mai auf den 14 Juni verschoben . Damit hat MAI trotz der erworbenen 68,5 Prozent Stimmrechte vorerst keine Möglichkeit , das Board of Management von Prime zu stürzen.