Pressespiegel

09.06.1995

Staassekretaer Eduard Lintner aeusserte sich dem "Handelsblatt" zufolge zum kriminellen Potential der IT: Die Entwicklung im Bereich der Informationstechnik (IT) werde zunehmend von Straftaetern genutzt. "So werden die anstelle bisheriger schriftlicher Aufzeichnungen genutzten Kleinrechner in Verbindung mit Verschluesselungskomponenten zu elektronischen Stahlschraenken, die kaum noch zu knacken sind." Damit bestuende die Gefahr, dass der Strafverfolgung kuenftig ein erheblicher Teil des bisherigen Sachbeweises verlorengehe. Lintner: "Politik, Wirtschaft und Sicherheitsbehoerden sind aufgerufen, dafuer zu sorgen, dass den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehoerden auch kuenftig eine ausreichende Palette wirksamer Ermittlungsinstrumente zur Verfuegung steht."

Die "Wirtschaftswoche" prophezeit den interaktiven Spielen eine grosse Zukunft: In den naechsten fuenf Jahren wird der weltweite Umsatz explodieren und 70 Milliarden Dollar erreichen, prognostiziert Patrick Ferell, President des Verlags und Consultants Infotainment World Inc. aus San Mateo, Kalifornien. Ursache des Booms: Die Computertechnologie hat einen Stand erreicht, der der Kreativitaet der Multimediaentwickler keine Grenzen mehr setzt. "Die scharfe Trennlinie zwischen den Produktionsverfahren der Spiel- und der Filmbranche verschwindet", sagt Regisseur Steven Spielberg. Gleichzeitig entwickelt sich in rasendem Tempo ein Massenmarkt fuer Multimediaangebote wie intelligente Spiele fuer alle Altersklassen, interaktive Lexika und Edutainment-Titel.

Skepsis bei der "Zeit": Die Online-Technik ist da, aber wen interessiert das? Auch in Muenchen stellte man fest, der Markt fuer solche Angebote muesse erst geschaffen werden, er sei derzeit "verschwindend gering". Man fuehre sich die Zahlen vor Augen: Der Netzveteran Bildschirmtext (Btx) hat 800 000 Teilnehmer. Sie sind im Schnitt nur dreieinhalb Stunden pro Monat online; von den privaten Nutzern erledigen 87 Prozent so ihre Bankgeschaefte, das besagen die neuesten Zahlen der Telekom. (...) Neue Zahlen des Basler Prognos-Institutes machen das Bild nicht heller: Danach waren Ende 1994 erst drei Prozent der deutschen Haushalte, etwa eine Million also, mit Modems ausgestattet und damit in der Lage, mit ihrem PC ans Netz zu gehen. Und auch im Jahr 2000 wird laut Prognos erst jeder fuenfzehnte Haushalt einen Datenanschluss haben. Florian Langenscheidt, junger Verleger beim ehrwuerdigen Bibliographischen Institut, appellierte an seine Kollegen, auch die Aengste vieler Buerger ernst zu nehmen, die sich derzeit "wie Infozwerge im Informationsgewitter" fuehlten.

Der "Spiegel" sorgt sich um die IT-Folgen der Jahrtausendwende: Mitternacht des 31. Dezember 1999 wird in Tausenden von Computern der elektronische Kalender von "99" auf "00" springen (statt von 1999 auf 2000). Die Software wird annehmen, das Jahr 1900 waere noch einmal angebrochen. Wenn die Elektronenhirne nicht mehr wissen, was die Stunde geschlagen hat, entfesseln sie ein Chaos: Zuege verkehren am Samstag, dem 1. Januar 2000, nach dem Montags- Fahrplan (der 1. Januar 1900 war ein Montag). In Betrieben und Schulen ertoenen am Sonntag die Pausenglocken. Wartungscomputer halten Flugzeuge am Boden fest, weil die Triebwerke vermeintlich seit 99 Jahren nicht mehr ueberholt worden sind. Massenhaft werden mit den digitalen Kalenderdaten Gehaelter ausgerechnet, Rechnungen erstellt, Zinsen aufsummiert - alles falsch. Greise erhalten Einberufungsbescheide zur Bundeswehr, 35jaehrige ihre erste Rentenzahlung. Neuwagen werden zum TUEV bestellt. Auch Krisengewinnler koennte es geben. Wer Ende Dezember 1999 bei seiner Bank 1000 Mark anlegt, ist Anfang Januar bereits Millionaer (wenn der Computer der Bank zwischen Einzahlen und Abheben auf eine zeitliche Differenz von 99 Jahren kommt und einen entsprechenden Zinsgewinn verbucht).