Unlautere Geschäfte mit dem Unix-Boom

Preisverfall bei PC-Software macht Unix für Anbieter reizvoll

12.04.1991

Immer mehr Anbieter von Dos-Anwendungen portieren ihre Produkte auf das Unix-Betriebssystem. Angesichts des Preisverfalls bei PC-Software erhoffen sie sich dort einen lukrativeren Markt. Jürgen Mischke und Wolfram Spier* mußten erfahren, daß die Softwerker dabei nicht selten mehr versprechen, als sie halten können.

Auf dem Markt für Unix-Software gibt es eine Vielzahl von Unix-Applikationen. Entscheidend ist, welchen Nutzen die Anwendersoftware dem Unternehmen langfristig bringt. Deshalb sollte bei der Kaufentscheidung der Preis nicht die Hauptrolle spielen.

Bevor man sich auf die Suche nach Applikationen macht, sind die Anforderungen festzulegen, die an die Software gestellt werden. Dabei sollte jedoch nicht der Fehler gemacht werden, mit aller Gewalt auf ein Standard-Softwarepaket zu bestehen. Je spezifischer die Anforderungen sind, desto eher empfiehlt es sich, eine Individuallosung vorzuziehen.

Anwendungen Plattform zu Plattform portieren

Individuallösungen haben sicherlich den Vorteil, genau auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten zu sein. Bis ein solches Individualprogramm einsatzfähig ist, vergeht jedoch erst einmal ein größerer Zeitraum.

Von einem "offenen" Betriebssystem wie Unix wird erwartet, daß fast alle Anwendungen auf den meisten Derivaten lauffähig sind. In Wirklichkeit müssen sie jedoch von Plattform zu Plattform portiert werden. Dafür werden häufig nicht ganz saubere Tricks angewandt. Die Qualität der Anwendungen wird dadurch nicht besser.

Ein Beispiel: Wir waren auf der Suche nach einer Textverarbeitung, die auf das Unix-Derivat Eurix installiert werden sollte. Die Textverarbeitung sollte eineTeilapplikation in einer integrierten Gesamtkonzeption darstellen. In einem Softwareführer für das Betriebssystem fanden sich verschiedenste Textverarbeitungen, die scheinbar die Anforderungen erfüllen.

Wir forderten detaillierte Unterlagen zu den, im Software-Katalog nur oberflächlich erläuterten Textverarbeitungen an. Nach ausführlichem Studium der eingegangenen Unterlagen und verschiedensten telefonischen Rückfragen, wobei als Qualitätskriterium besonderer Wert auf die Anzahl der Installationen unter Unix gelegt wurde, fiel die Entscheidung.

Als die bestellte Textverarbeitung in unserem Haus eintraf, machten sich sofort neugierige Software-Bastler ans Werk. Die Enttäuschung war groß, denn das Textverarbeitungsprogramm wollte nicht starten. Ein Anruf beim Lieferanten brachte keine Lösung, da er sich das Versagen seiner Software selbst nicht erklären konnte. Bei einer genaueren Analyse des Programms zeigte sich, daß es sich auch auf einem zweiten Rechner nicht starten ließ. Der Fehler war also weder beim Rechner noch bei der Installation zu suchen. Nach intensiven Nachforschungen mußten wir festellen, daß diese Textverarbeitung noch nie unter Eurix funktionstüchtig gewesen war - ein krasser Gegensatz zu den Aussagen im Eurix-Software-Führer.

Der Grund: Gerade Softwarehäuser, die bisher sicherlich gute Software auf DOS-Basis geliefert haben, versuchten jetzt offensichtlich mit allen Mitteln ihre Anwendungen auf Unix zu portieren. Angesichts des Preisverfalls im DOS-Bereich hoffen sie mit Unix höhere Margen erzielen zu können.