Preisguenstige Server-Systeme angekuendigt Intel will mit dem P6-Chip den RISC-Anbietern Paroli bieten

02.06.1995

MUENCHEN (wm) - Intels P6-Prozessor wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres in die Serienfertigung gehen. Ein Unternehmens- Server mit vier dieser CPUs soll eine Leistung von 1000 Transactions per second (tps) erreichen und fuer 50 000 Dollar zu haben sein - weniger als die Haelfte dessen, was derzeit bei Firmen wie Digital Equipment (DEC), Hewlett-Packard (HP), Sun oder IBM zu bezahlen ist. Doch die Konkurrenten sehen keinen Anlass zu schnellen Preisreduktionen.

"Intel hat alle im Desktop-Bereich gesammelten Erfahrungen auf den Server-Markt uebertragen", trumpfte John Hyde, Technical Marketing Director bei Intel, bei der Vorstellung der ersten Testmuster des P6-Prozessors auf. Die Massenfertigung dieses Chips werde Hochleistungs-Server moeglich machen, die fuer jedermann erschwinglich seien.

Ein P6-Server halte den Vergleich mit den herkoemmlichen Unternehmens-Servern von Sun, HP oder IBM stand, so Hyde weiter. Bis zu vier P6-Chips liessen sich parallel schalten, ohne dass dafuer komplizierte und teure Verbindungsbausteine ("glueless logic") noetig seien. Die Leistung des Servers koenne somit schrittweise von 300 auf ueber 1400 tps gesteigert werden.

Zudem lasse sich ein Intel-Server wie jedes andere System fehlertolerant auslegen, zum Beispiel mit einer redundanten Stromversorgung und Kuehlung sowie Kontrollen fuer Temperatur und Spannung. Ueber den neu konstruierten Bus zwischen Prozessor und den Peripherie-Schnittstellen-Chips fuer PCI-, ISA- oder EISA- Karten koennten die Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 270 MB/s fliessen.

In einem Punkt musste Intel allerdings zurueckstecken: Die Rechenleistung des P6-Prozessors ist im Vergleich zu seinem Vorgaenger, dem Pentium, zwar gewachsen - doch nicht auf das Doppelte, wie Intel bisher immer glauben machen wollte. Der P6 mit einer Taktfrequenz von 133 Megahertz erreicht im Specint92-Test einen Wert von 200 - der Pentium bringt es aber bereits bei einer Taktfrequenz von 120 Megahertz auf 120 Specint92, bei 133 Megahertz duerften es gar ueber 140 Specint92 sein.

Der Specint92-Test sagt allerdings nur etwas ueber die reine Rechenleistung eines Chips aus. In einem Unternehmens-Server wird der Prozessor aber nur selten bis an sein Maximum belastet, weil der Rechner zwischen vielen verschiedenen Aufgaben hin- und herspringen muss (was Zeit kostet) oder auf die Daten von einem Peripheriegeraet wartet. Bremsend wirkt in beiden Faellen eine schwache Bus-Verbindung zwischen Prozessor, Arbeitsspeicher und Peripherie. Eben deshalb, so Hyde, habe Intel dem Prozessor-Bus des P6 besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Statt wie bisher ueblich einen externen Zwischenspeicher (Level-2- Cache) auf die Hauptplatine zu setzen, der dann die Daten ueber den leicht ueberlastbaren Bus liefert, habe Intel sich fuer einen Cache direkt neben dem Kern des P6-Prozessors entschieden. Die Loesung bringe doppelten Nutzen: Da der interne L2-Cache ueber eine eigene Verbindung zum Prozessor verfuege, werde damit der Bus des Rechners entlastet. Hinzu komme, dass dieser Zwischenspeicher mit der Taktfrequenz des Prozessors angesprochen werde und nicht mit der deutlich niedrigeren Frequenz des Busses.

Ausserdem muss der P6 nicht mehr warten, bis eine Information aus dem Arbeitsspeicher oder von einem Peripheriegeraet zur Verfuegung steht. Dank "Dynamic Execution" springt der Prozessor, dem Anbieter zufolge, einfach zur naechsten Anweisung im Befehlsspeicher und fuehrt sie aus. Bis zu drei Befehle koennen abgearbeitet werden, waehrend der Prozessor auf Daten wartet. Allein dieser Trick soll die Leistung des P6 gegenueber der des Pentium um 40 Prozent verbessern.

Selbst die Verbindung des P6 mit dem Arbeitsspeicher und den Schnittstellen-Bausteinen ("Packet Bus") muss nicht mehr wie beim Pentium eine Information nach der anderen anfordern und auf die Reaktion der Peripheriegeraete warten. Auf dem Packet-Bus koennen vier Anforderungen parallel laufen, ohne dass es zu Verzoegerungen kommt.

Auf einen Nenner gebracht, lautet Intels Werbebotschaft fuer den P6: Server mit diesem Prozessor werden sich von der Hardware- Ausstattung her mit vergleichbaren Systemen mit RISC-CPU messen koennen. Der Preis eines Intel-Servers werde aber wesentlich niedriger liegen als bei der Konkurrenz.

Eine Nachfrage bei DEC und HP zeigt jedoch, dass man dort vorerst keine ernsthaften Preiskaempfe mit Intel erwartet. Allein Donatus Schmid, Leiter des Produkt-Marketings bei Sun in Deutschland, ist sich der Konkurrenz aus dem PC-Lager bewusst: "Die Preise sind laengst in Bewegung geraten. Doch man sollte sich nicht von den Einstiegs-preisen bei Servern blenden lassen: Die Grundkonfiguration wird heute meistens extrem billig angeboten, fuer voll ausgestattete Modelle ist dann aber erheblich mehr zu bezahlen. Ich denke, dass alle Hersteller RISC-Unix-Server anbieten werden, die mit PC-Systemen konkurrenzfaehig sind."

Unisono verwiesen die Werbeleiter von HP, DEC und Sun auf die angeblichen Vorteile ihrer Server-Systeme: Die RISC-Maschinen seien wesentlich zuverlaessiger und ausfallsicherer als Systeme mit Intel-Prozessor. Den direkten Vergleich mit einem Intel-System wollen weder Isabelle Roux-Buisson, HPs Marketing-Leiterin fuer Server-Systeme in Europa, noch Ralph Buesken, DECs Product Manager fuer Client-Server-Systeme in Deutschland, gelten lassen. "Das ist so, als vergliche man einen VW-Kaefer mit einem Mercedes neuester Bauart", protestiert Buesken. "Wir haben gerade gezeigt, dass wir in der Praxis mit Oracle- oder Sybase-Datenbanken vorne liegen."