Was muss ein neues IT-System können?

Praxistipps für die IT-Spezifikation

06.09.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Lassen Sie neue Erkenntnisse einfließen

Der Systemtest ist keine alleinige Aufgabe des IT-Lieferanten. Die Fachexperten wissen am Besten, worauf beim Testen besonders geachtet werden sollte. Deshalb sollten sie sich an der Ausarbeitung der System-Testfälle beteiligen. Streben Sie zudem eine kontinuierliche Integration der entwickelten Komponenten an, damit Sie regelmäßig testen können. Denn diese Tests liefern wichtige Erkenntnisse, die wiederum in die Spezifikation einfließen können.

Und noch ein Hinweis: Deckeln Sie die Budgets. Gedeckelte Budgets geben Investitionssicherheit und setzen Projekten wichtige Limits. Ohne feststehende Budgets wird schnell mehr und mehr investiert, ohne dass ein wirklicher Mehrwert entsteht. Und zwar oft so lange bei ein übergeordneter Entscheider sagt "Jetzt reicht's" und das Projekt stoppt.

Jedes Projekt hat eine Lernkurve. Diese sollten Sie bewusst durchlaufen. Das heißt: Fangen Sie mit funktionalen Einheiten an, die eine möglichst ähnliche Größe haben. Mit den ersten Ergebnissen erhalten Sie tatsächliche Aufwandszahlen. Mit diesen können Sie das Backlog, also den Bestand der noch ausstehenden funktionalen Einheiten, abzuschätzen - und somit zu einer realistischen (Budget-)Planung gelangen.

Wenn Sie einen Änderungsbedarf erkennen, fügen Sie die Änderung in das Backlog ein und bewerten Sie diese gemeinsam. Die wichtigsten funktionalen Einheiten werden vorgezogen; alles, was eher "nice to have" ist, nach hinten geschoben. So entwickelt sich allmählich ein gemeinsames Verständnis zwischen Fachleuten und IT-lern, worauf es wirklich ankommt. Und Sie zeigen, dass Sie bereit sind, auf Unwesentliches zu verzichten, wenn die wichtigen Funktionalitäten zeitnah umgesetzt werden.

Fazit

Ein gemeinsames Vorgehen von (firmeninternen) Kunden beziehungsweise Anwendern sowie Lieferanten bei der IT-Spezifikation schafft wechselseitiges Vertrauen. Es legt auch die Grundlage dafür, dass das System wirklich den Bedürfnissen der Organisation entspricht. Es erspart zudem viel Zeit und Arbeit, wenn Sie beim Spezifieren statt auf ein detailliertes Ausarbeiten im Vorfeld auf eine intensive Kommunikation im Verlauf des Prozesses setzen. Durch regelmäßige Tests erhalten Sie ein frühzeitiges Feedback zu Ihrer Spezifikation. Und mit einer gemeinsamen Priorisierung der funktionalen Einheiten sowie der erforderlichen Änderungen schaffen Sie mit der Zeit ein gemeinsames Verständnis dafür, was wirklich wichtig ist.

Kontakt:

Der Autor Jürgen Rohr ist Inhaber der Projektmanagement-Beratung Vedanova, Wiesbaden, und Co-Autor des Buchs "Prozessorientiertes Projektmanagement" (Hanser Verlag). Tel.: 0611 97774-403. E-Mail: juergen.rohr@vedanova.de, Internet: www.vedanova.de