Praxismonate in Indien für deutschen IT-Nachwuchs

23.09.2009
Große und mittlere Dienstleister bieten Studenten gut dotierte Plätze.

Ein Industriepraktikum in Indien liegt für viele deutsche Studenten außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Dem soll eine Praktikumsinitiative entgegenwirken, die Karl Kurbel, Wirtschaftsinformatik-Professor an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), zusammen mit Peter Schumacher, CEO der Value Leadership Group, einer unabhängigen internationalen Management-Beratung, gestartet hat.

Die weltweite Bedeutung der IT-Industrie in Indien zeigen die Fakten. Allein in Bangalore arbeiten über 250.000 IT-Experten und Softwareentwickler. Durch diese Größenordnung lässt die Stadt das Silicon Valley hinter sich. Mit mehr als 2000 Technologieunternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen ist Bangalore einer der dynamischsten IT- sowie Forschungs- und Entwicklungsstandorte der Welt. Unternehmen wie SAP, Cisco, Intel, Google, Microsoft, Oracle, IBM, Hewlett-Packard und EMC haben in Bangalore in Firmensitze investiert, die jeweils mehrere tausend Ingenieure und Informatiker beschäftigen.

Auch führende europäische IT-Dienstleister wie Capgemini haben große Technologiezentren in Indien aufgebaut, die ihre arbeitsteiligen globalen Geschäftsmodelle ermöglichen. Der Wert exportierter indischer Dienstleistungen in den Bereichen IT, Forschung und Entwicklung und Geschäftsprozessauslagerung hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht und im vergangenen Jahr 47 Milliarden Dollar erreicht. Dabei sind die Exporte nach Kontinentaleuropa am stärksten gestiegen – pro Jahr um 50 Prozent.

Deutsche Zurückhaltung

Trotz dieser beeindruckenden Entwicklung machen bisher nur wenige deutsche Studenten Gebrauch von dem Angebot indischer Firmen, bei ihnen ein Praktikum zu absolvieren. Dabei schätzen CEOs indischer IT-Dienstleister die hohe Qualität deutscher Studenten.

Das Besondere an dem initiierten Praktikumsprogramm ist das persönliche Engagement der CEOs von Marktführern wie Infosys und Wipro, die jeweils 100.000 Mitarbeiter beschäftigen und fast fünf Milliarden Dollar Umsatz erzielen, aber auch mittelgroßer Unternehmen wie Hexaware, L&T Infotech und Mindtree. Von Interesse ist auch die Beteiligung der europäischen Firmen SAP Labs Bangalore und Capgemini sowie der amerikanischen Unternehmen Cognizant und Genpact, deren Mitarbeiter überwiegend in Indien tätig sind. Alle teilnehmenden Firmen haben namhafte deutsche Kunden.

Anspruchsvolle Aufgaben warten

Die Aufgaben in diesen Praktika sind anspruchsvoll. Die Praktikanten befassen sich mit Testautomatisierung, Softwareentwicklung und Java-Programmierung ebenso wie mit Prozessindustrialisierung, Portfolioentwicklung für Unternehmensanwendungen, Vertriebs- und Marktanalysen. Insgesamt wurden fast 50 Praktikumsstellen eingerichtet. Die finanziellen Rahmenbedingungen werden von den Firmen so gestaltet, dass jedem qualifizierten Bewerber die Teilnahme ermöglicht wird.

Nach Einschätzung des Viadrina-Professors Kurbel können sich Teilnehmer mit den gewonnenen fachlichen, sozialen und kulturellen Kompetenzen für die Mitarbeit in arbeitsteiligen, globalen Geschäftsprozessen qualifizieren. Dabei werden die Studenten unterschiedliche Management-Methoden, Wertevorstellungen und Arbeitsweisen ebenso kennen lernen wie andere Anerkennungs- und Konfliktlösungsmechanismen: "In einer weltweit vernetzten Wirtschaft werden zukünftige Arbeitgeber die Indien-Erfahrung der Praktikanten zu schätzen wissen." Zur Zielgruppe des Programms zählen Studenten der Informatik, Wirtschaftsinformatik, Betriebswirtschaftslehre und benachbarter Fächer in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Mit SAP nach Indien

Die CEOs der beteiligten indischen Firmen erhoffen sich, dass die Praktikanten die Chancen internationaler Zusammenarbeit erkennen und später eine Brückenfunktion für das Offshore-Business übernehmen können. Clas Neumann, Präsident von SAP Labs India, Mitglied des globalen Management-Teams der SAP AG und Koautor des Buches "Praxishandbuch Indien", sagt dazu: "Wir bewerten Auslandspraktika während des Studiums als wichtigen Baustein der Ausbildung. Daher bieten wir auch in vielen Geschäftsstellen außerhalb Deutschlands seit Jahren Praktikumsplätze an. Gerade in Indien suchen wir immer geeignete Bewerber – weshalb wir Programme wie dieses begrüßen."

Zur Vorbereitung des Programms bildete Kurbel ein international zusammengesetztes Projektteam aus sechs Master-Studenten, die an der Europa-Universität "Information & Operations Management" (IOM) studieren.

Hilfe bei der Vorbereitung

"Mit einer Teilnahme an unserem Programm werden Praktikanten die dynamischen Veränderungen in der globalen Wirtschaft aus einer neuen Perspektive sehen und persönlich erfahren", verspricht Gabriela Beblo, die in dem Projekt für das Marketing zuständig ist. Das Projektteam bereitet alle Schritte vor – Beratung, Bewerbung, Visumsbeschaffung, Unterkunft und Betreuung vor Ort –, um den Praktikanten in Zusammenarbeit mit den indischen Partnern professionelle Unterstützung zu bieten.

Praktika in Asien

Unter dem Namen "VIBE Internships" vermittelt ein gut dotiertes Praktikumsprogramm deutschen Junginformatikern Plätze vor allem bei großen indischen IT-Dienstleistern.

Informationen dazu gibt es auf der Homepage (www.vibe-internships.com).

Das Programm wird als Geschäftsbe-reich unter dem Dach der Virtual Global University (VGU) betrieben, die weltweit Wirtschaftsinformatik-Ausbildung im Internet anbietet (www.vg-u.de).