Praxisbeispiele aus Transport-, Bau- und Chemieindustrie Funk- und Infrarotstrecken erweitern drahtgebundene Netze Von Fereydun Khanide*

25.02.1994

Logistik-, Verkabelungs- und Sicherheitsprobleme sind mit drahtloser Kommunikation ueber Funk- oder Infrarotnetze zu loesen. Fereydun Khanide* stellt einige Unternehmensloesungen vor und eroertert grundsaetzlich die Perspektiven der Technologien, die nur in Teilbereichen konkurrieren nach der Faustregel: fuer kurze Strecken Infrarot, fuer lange Funk.

Datennetze, die den allgemeinen Zugriff auf zentrale oder dezentrale DV-Ressourcen eines Unternehmens gewaehrleisten, sind in vielen Firmen unverzichtbar geworden. Bei traditionellen Arbeitsplatzrechnern, die an einem festen Ort installiert sind und nur dort benutzt werden, leisten herkoemmliche LANs, deren einzelne Knoten ueber ein Kabel miteinander verbunden sind, gute Dienste. Problematisch wird es, wenn eine moeglichst uneingeschraenkte Mobilitaet verlangt ist. Hier ist man auf drahtlose Kommunikationstechnologien angewiesen. Sie lassen den Benut- zern Bewegungsfreiheit, ohne sie von den Datenbestaenden und anderen Betriebsmitteln abzukoppeln. Je nach Einsatzgebiet und sonstigen Randbedingungen wird eine von zwei Techno- logien zum Einsatz kommen: Funkuebertragung oder Infrarotlicht.

Sea-Land ist eines der weltweit groessten Unternehmen der Transportindustrie. Als vor einiger Zeit die Kapazitaet des Stuetzpunktes im Rotterdamer Hafen erschoepft war, bot sich als Moeglichkeit zur weiteren Expansion der Umzug in das 22 Kilometer entfernte Maasvlakte an. Um keine Effizienzeinbussen zu erleiden, wurde die Obergrenze der Zeitspanne zum Verladen der Cargo- Container zwischen Schiffen und Bahn beziehungsweise Lastwagen auf ganze zwei Minuten festgelegt.

Cargo-Container per Handhelds gesteuert

Der Inspektionsprozess erfordert es, die Cargo-Container bei Ankunft und Abfertigung auf Schaeden zu untersuchen, die Registriernummer aufzunehmen, das Zollsiegel zu ueberpruefen und die Container an die entsprechende Verladestation zu bringen. Dabei sind vor Ort diverse Formulare auszufuellen, die anschliessend zu Kontrollstellen gebracht werden, wo die Information erneut in einen Computer eingetippt wird. Diese Arbeitsweise schrie geradezu nach der Einfuehrung mobiler Rechner zur Automatisierung der Vorgaenge, wobei die Datenuebertragung zwischen den Handheld- Terminals und den Kontrollstationen nur per drahtloser Kommunikation erfolgen konnte.

Ohne Zeitverlust zur Verladestation geleitet

Nach mehreren Versuchen mit verschiedenen Herstellern entschied man sich fuer den stiftbasierten "Poqet Pad" von Fujitsu Personal Systems, der mit einem Funkmodem von Monicor Electronics ausgestattet wurde. Die zirka 1400 Gramm schwere Einheit sendet die eingegebenen Daten zu den Desktop-PCs der Kontrollstationen. Von dort aus werden sie an einen VAX-Rechner weitergeleitet. Der Minicomputer verarbeitet die von den Inspekteuren kommenden Daten und kann unter Beruecksichtigung spezieller Randerfordernisse und Versandbedingungen die Container ohne Zeitverlust zu ihrer Verladestation routen. Die aeusserst strikten Zeitvorgaben konnten so tatsaechlich eingehalten werden.

Die Notwendigkeit zur Expansion veranlasste auch das Unternehmen Wayss & Freytag, eine der zehn groessten Bauaktiengesellschaften der BRD, auf drahtlose Kommunikation zu setzen. Die zunaechst im selben Gebaeude wie die Hauptverwaltung untergebrachte Frankfurter Niederlassung musste in ein etwa fuenfzig Meter entferntes Haus umziehen. Verkabelung zwischen den Rechnern der Niederlassung (einer VAX zur Angebotskalkulation, sieben 3270-Terminals mit Drucker und einem Novell-Netware-LAN unter Windows fuer Textverarbeitung und Tabellenkalkulation) und dem IBM-Host der Hauptverwaltung war nicht moeglich, da sich zwischen den beiden Gebaeuden oeffentliche Grundstuecke befanden.

Infrarotstrecke ersetzt Standleitung der Telekom

Zur Debatte stand eine Standleitung der Telekom, doch entschied man sich letztlich fuer eine Verbindung per Infrarot. Die geringe Entfernung erlaubte es, auf die LED-Technologie (Light Emitting Diode) des Herstellers CBL zurueckzugreifen, dessen "LED-Link 300" bei einer Bandbreite von maximal 16 Mbit/s bis zu 300 Meter ueberbruecken kann. Das System besteht aus zwei Stationen mit je einem Sender und Empfaenger, die ihre Daten ueber einen Multiplexer von den Terminals beziehungsweise vom IBM-Host der Hauptverwaltung erhalten; die Anbindung an ein vorhandenes Datennetz wie Ethernet oder Token Ring erfolgt ueber Lichtwellenleiter.

Fuer den Anwender ist die Verbindung per Infrarot und die Schnittstelle zum drahtgebundenen Teil des Datennetzes dabei voellig transparent - er kann keinen Unterschied zu einem traditionellen Netzwerk feststellen.

In Labor, Restaurant und Kfz-Werkstatt

Auf Infrarot setzt auch der Chemiegigant Bayer. In einigen explosionsgefaehrdeten Bereichen des Unternehmens, in denen aus verschiedenen Chemikalien Salben und Tinkturen zusammengebraut werden, kommen Handhelds von Andromeda zum Einsatz. Die zirka 500 Gramm wiegenden Geraete sollen sicherstellen, dass selbst bei Hardwarefehlern oder Kurzschluessen gewisse Temperaturwerte nicht ueberschritten werden, damit keine Funken entstehen koennen.

Die eigentliche Rechenleistung bringt ein Unix-Rechner, der ausserhalb des X-Bereichs positioniert ist. Er steuert den Programmablauf auf den bei ihm angemeldeten Handheld-Terminals. An sie sendet er per Infrarot ueber spezielle Transceiver die Daten, die dort in den lokal gehaltenen Formularmasken angezeigt werden. Die Signale werden von den Transceivern in einem 360-Grad-Radius abgestrahlt und empfangen und ausserdem von Waenden und Zimmerdecke reflektiert, so dass eine direkte Sichtverbindung zwischen Handheld-Terminals und den Transceivern nicht unbedingt notwendig ist. Die Uebertragung erfolgt mit 19 200 Baud und kann Herstellerangaben zufolge eine Entfernung von bis zu 25 Metern ueberbruecken.

Ein weiterer Bereich, in dem sich die Kommunikationszwerge nuetzlich zu machen beginnen, die Auftragsannahme bei der Autoreparatur, wo direkt am Fahrzeug der Schaden begutachtet werden kann und dennoch alle auf einem Zentralrechner ge- haltenen Daten per Infrarot- verbindung online verfuegbar sind.

Auch in der Gastronomie sind Anwendungen denkbar, in denen Infrarot hilft, Personalkosten zu reduzieren und dennoch die Qualitaet des Kundenservice zu erhoehen. Bei der Bewirtung seiner Gaeste koennte der Ober fortan nicht mehr den Notizblock, sondern ein Handheld- Geraet zuecken, um die Bestellung aufzunehmen und per Infrarot direkt in die Kueche durchzu- geben. So erspart er sich nicht nur den Weg dorthin, sondern kann die Kunden zum Beispiel auch sofort darauf aufmerksam machen, wenn es ein gewuenschtes Gericht nicht mehr gibt.

Die Verbreitung drahtloser Netze, wachsende Teilnehmerzahlen beweisen es, duerfte kuenftig noch zunehmen. Alleine die durch Einsparung der Verkabelung vermiedenen Kosten rechtfertigen oft den Aufbau von Funk- oder Infrarotnetzwerken. Wie bei allen marktorientierten Technologien sind aber auch hier einheitliche Standards die Grundlage fuer einen wirtschaftlichen Erfolg. Deswegen ist es von besonderem Interesse, dass sich das internationale Normierungsgremium IEEE auf einen von NCR, Symbol Technologies und Xircom eingebrachten Entwurf zur Standardisierung des MAC-Layers (Medium Access Control) geeinigt hat. Und auch bei der Infrarottechnologie wird es sich mittelfristig kein Hersteller erlauben koennen, sein eigenes Protokollsueppchen zu kochen und auf die Kommunikation mit Fremdgeraeten zu verzichten.