PPS: Von Erfahrungswerten der Mitstreiter profitieren

07.02.1986

Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS) haben inzwischen - nicht ohne Anfangsschwierigkeiten - in viele bundesdeutsche Unternehmen ihren Einzug gehalten. Für Rolf-Udo Reinholdt, Leiter der Organisationsstelle bei der Maschinenfabrik Goebel, stand fest, daß er den Einsatz eines PPS-Systems nur mit Hilfe eines Beraters lösen könne. Trotzdem traten bei der DV-technischen Realisierung der Programme große Probleme auf. Reinholdt: "Es kostet einige Zeit und Mühe, die Software in einen fehlerfreien Zustand zu bringen." Der Darmstädter DV-Profi rät, bei der Programmauswahl strenge Auswahlkriterien anzusetzen. Dazu gehören seiner Meinung nach Installationshäufigkeit sowie Erkenntnisse vergleichbarer Anwender. Die Erfahrungswerte eines anderen Unternehmens hat sich auch DV-Leiter Herbert Schmidt, Metallwerke Brose GmbH, zunutze gemacht. Ansonsten ist der Coburger DV-Verantwortliche stolz darauf, sein PPS-System in seinem Unternehmen in "Eigenbau" ohne Berater durchgezogen zu haben.

Rolf-Udo Reinholdt

Leiter Organisationsstelle, Maschinenfabrik Goebel, Darmstadt

Ende '78, Anfang '79 wurde die erste Stufe eines Produktionsplanungssystems zusammen mit einem Düsseldorfer Beratungsunternehmen realisiert.

Die vertraglich vereinbarte Aufgabenstellung lautete, ein Gesamtkonzept für die Auftragssteuerung zu entwickeln und an der Realisierung mitzuwirken. Von entscheidender Bedeutung für den späteren Erfolg war meiner Ansicht nach, daß die Untersuchungen und die daraus abgeleiteten Vorschläge zunächst das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachteten, um dann nach einem Stufenplan einzelne Teilgebiete nacheinander zu realisieren.

Es ist selbstverständlich, daß bei einem Vorhaben dieses Umfangs die Erfahrung und das Wissen externer Beratung dringend benötigt wird. Auch die realisierten Teile des Produktionsplanungssystems, die in diesem Sinne ja nur eine Untermenge darstellen, hätten sich aus eigener Kraft nicht in einer so verhältnismäßig kurzen Zeit bearbeiten lassen. Das letztlich gewählte Softwareprodukt selbst tritt zu seiner Bedeutung gegenüber der Entwicklung eines für den Anwender brauchbaren und passenden Gesamtkonzeptes zurück. In unserem Falle kam im Bereich der Fertigungssteuerung ein Programmsystem des beratenden Unternehmens zum Einsatz, das anschließend durch eine dazu passende Grobplanungssoftware eine Erweiterung erfuhr. Auf Basis des ausgezeichneten Organisationskonzeptes und der durchgängigen Betreuung des Projektes hätten sich mit verschiedenen Softwareprodukten anderer Anbieter ähnliche Ergebnisse erzielen lassen.

Die in unserem Hause nun laufenden Programme waren hinsichtlich ihrer DV-technischen Realisierung alles andere als gut, obwohl die Idee, die dahinterstand, zweifellos ihrer Zeit vorauseilte. Es hat einige Zeit und Mühe gekostet, die Programme in einen fehlerfreien Zustand zu versetzen und von versteckten Mängeln zu befreien. Im Bereich der Materialwirtschaft dagegen fiel die Entscheidung für die Software des DV-Herstellers.

Aus heutiger Sicht läßt sich festhalten, daß die Einführung eines komplexen Produktionsplanungssystems die Hinzuziehung qualifizierter und erfahrener externer Berater erforderlich macht. Wir würden deshalb den 1978 eingeschlagenen Weg jederzeit wieder gehen. Hinsichtlich der Software muß man allerdings strenge Auswahlkriterien ansetzen. Mit Sicherheit sind heute verfügbare Programmversionen ausgereifter als das damalige Angebot. Installationshäufikgeit, gegebenenfalls Erfahrungen vergleichbarer Anwender und auch das Preis/Leistungs-Verhältnis müssen in die Entscheidung einfließen.

Im Zeichen zunehmender Dialogisierung ist derjenige gut beraten, der eine einfache, mit dem wirklichen Funktionsumfang ausgestattete Lösung, wählt, die dann auch überschaubar und beherrschbar bleibt. Man sollte sich nicht von der vermeintlichen Möglichkeit eines unter Umständen sehr teuren Produkts beeindrucken lassen. Aus Gründen der reinen Wirtschaftlichkeit hat Standardsoftware gegenüber maßgeschneiderter Eigenentwicklung den Vorrang, wenn der Anpassungsaufwand überschaubar bleibt.

Herbert Schmidt

DV-Leiter, Metallwerke Brose GmbH, Coburg

Ein PPS für unsere Belange hatten wir von vornherein nicht gekauft, sondern selbst erstellt. Dies resultierte aus den Anforderungen der Fachabteilung in unserem Hause. Wir hatten uns seinerzeit mit der Fachabteilung zusammengesetzt, die Maßnahmen konkretisiert und in die Praxis umgesetzt. Für das System /38 gab es damals noch keine geeignete Software zur Erstellung eines PPS.

Mittlerweile mag sich dies gewandelt haben, doch wurde in unserem Fall ein solches PPS selbst geschrieben, um unseren eigenen Anforderungen Rechnung zu tragen. Es fing an mit einer /3, anschließend mit einer 15D, dann ging es über eine /234 hin zu einer /238, und mittlerweile sind wir bei einer 4381 angelangt.

Gewisse K.-o.-Kriterien waren ebenfalls bei der Auswahl unseres PPS maßgebend. Nach einer Art Strichliste wurde von vornherein festgelegt, was für uns von Wichtigkeit war und was nicht. Zwar haben wir zum damaligen Zeitpunkt auf externe Programmierer zurückgegriffen, eine Unternehmensberatung hatten wir jedoch nicht eingeschaltet.

Bezüglich der Frage der Installationshäufigkeit bestehender Systeme am Markt ist folgendes zu sagen: Von der reinen Systemseite her war man bei uns in früherer Zeit immer stolz darauf, die organisatorischen Kosten gerade in diesem Bereich sehr niedrig zu halten. Bei uns kam wie gesagt noch der Umstand dazu, daß das Unternehmen schneller wuchs als die daran hängende Verwaltung - und auch die entsprechenden DV-Systeme.

Bereits hier wäre somit ein Ansatzpunkt gewesen, um zu sagen: Eine Umstellung auf ein anderes, leistungsfähigeres System ist notwendig, um mitwachsen zu können. Noch heute arbeiten wir auf drei verschiedenen Systemen. Da ist zum einen immer noch die /34, die /38 und die 4300. Derzeit sind wir dabei, hier Anwendungen aufzubauen, die auf unsere Bedürfnisse mehr abgestimmt sind. Allerdings sind wir jetzt dazu übergegangen, nicht mehr unsere Anwendungen selbst zu schreiben, sondern auf fertige Software zurückzugreifen, um den nötigen Innovationsschub zu erhalten. Wir benötigen ihn dringend.

Nach den momentanen Überlegungen wird es so sein, daß wir dann - bei der erneuerten Form unseres PPS - voll ständig gekaufte Software nutzen werden, die eine Standardlösung darstellt. Dabei wird eine sogenannte Copies-Lösung zum Einsatz kommen, wobei wir jedoch auch in diesem Fall auf eine abgewandelte Version zurückgreifen. Erfahrungswerte haben wir uns dazu von einem anderen Unternehmen eingeholt, in dem ähnliche Voraussetzungen herrschen.

Zwar muß auch hier wieder einiges umgeschrieben werden, doch wenn diese Lösung endgültig steht, werden wir sie als ideal ansehen können. Es ließe sich hierbei vielleicht noch der Preis für ein entsprechendes PPS anführen, doch war und ist dies für uns kein besonderes Entscheidungskriterium gewesen. Auch die Installationshäufigkeit bereits vorhandener Systeme gab bei uns nicht den Ausschlag, auf bestimmte Lösungen zurückzugreifen - es war einfach ein individuelles Problem.

Obwohl wir derzeit eigentlich ein System verwenden das sicher noch besser sein könnte, sind wir mit der jetzigen Lösung doch sehr zufrieden. Wir wollen nun noch Abläufe wie Maschinendatenerfassung und Betriebsdatenerfassung oder fahrerlos gesteuerte Fahrzeuge einfuhren, die vom Hochregallager das Material in die Meisterei bringen. Aber da zeigen sich bereits Grenzen in der Leistungsfähigkeit beispielsweise der /38er-Maschinen. Ihre Kapazität reicht nicht mehr aus, so daß wir uns nach anderem Equipment umsehen müssen. Das Problem dabei ist, daß dann gewisse Pakete nicht mehr umschreibbar sind, so daß anschließend wieder eine "FIicklösung" vorliegt.

Allein softwaretechnisch führt das zu Schwierigkeiten, weil die /38 bei uns auf ein relationales Datenbanksystem zugreift, was auf der 4310 nicht mehr funktioniert. Gewisse Abteilungen, wie beispielsweise der Vertrieb, sind bei uns von der DV her noch gar nicht miteinbezogen oder mitabgedeckt. Wenn wie also die Betriebsdaten- und Maschinendatenerfassung sowie weitere Bereiche innerhalb unseres Unternehmens mit in die vollständige PPS-Lösung einbeziehen wollen, werden wir auch die Ideal-Situation beim Anschluß der einzelnen Bildschirmarbeitsplätze berücksichtigen müssen. Vermutlich werden es dann bis zu 350 Terminals sein, die hausintern ans System angebunden werden. Und auch unsere neue Lösung resultiert ausschließlich aus selbst gewonnenen Erfahrungen. Wir haben auch diesmal keine Unternehmensberatung zu Rate gezogen.