PPS-Systeme auf dem Prüfstand (Teil 2)

05.07.1985

Den oft beklagten Mangel an geschlossenen, integrierten Projektplanungs- und -steuerungssystemen bestätigte eine Untersuchung, die von Thomas Schwichtenberg* und Thomas Noth* in Zusammenarbeit mit der Siemens AG durchgeführt wurde. COMPUTERWOCHE veröffentlicht diese Studie in zwei Folgen: Teil 1 setzte sich mit den Beurteilungskriterien für die"PPS"-Systeme auseinander (siehe CW Nr. 26 vom 28. Juni 1985, Seite 14.) Dabei scheiterten bereits in einem Pre-Check-Verfahren mehr als 80 Prozent aller Programme an den Basisanforderungen. Im zweiten Part werden nun die nach der Vorauswahl verbliebenen elf Systeme vorgestellt.

Alle detailliert betrachteten computerunterstützten Planungs- und -steuerungssysteme lassen sich eher den Projektführungssystemen zuordnen, deren Schwerpunkte die Projektplanung, -Überwachung und -steuerung sind.

Dagegen werden die Aufgaben der Produktverwaltung wie Dokumentation, Speicherung von Erfahrungsdaten und Einbindung des Konfigurationsmanagements von den ausgewählten Systemen nur teilweise wahrgenommen. Die zur Unterstützung des Projektmanagements geforderte notwendige Integration dieser beiden Bereiche läßt sich zur Zeit nicht feststellen.

Nur von einem System wird die Forderung nach Bereitstellung von Checklisten zum Teil unterstützt. Dies verwundert insofern, als fast alle detailliert betrachteten Systeme zumindest teilweise in der Lage sind, historische Daten zu speichern, und daher auch die Übernahme von Standard-Checklisten möglich sein sollte.

Ein sehr heterogenes Bild bietet die Gegenüberstellung innerhalb der Systemanwendung. Während sich die Dialogfähigkeit weitgehend durchgesetzt hat, scheint die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit - der im Hinblick auf die Akzeptanz des Planungs- und -steuerungssystems durch die Anwender eine Schlüsselrolle zukommt - eine der Hauptaufgaben vieler Hersteller für zukünftige Versionen zu sein.

Der Einsatz der Planungs- und -steuerungssysteme in einer bestehenden DV-Umgebung ist bei der Hälfte der detailliert betrachteten Systeme ohne Kompatibilitätsschwierigkeiten und bei dreiviertel aller Systeme zumindest auf den verbreitetsten Anlagen möglich.

Dennoch wird die Forderung nach Schnittstellen zu bereits existierenden Programmen überwiegend nur teilweise erfüllt. Bestehende Daten können von den meisten Programmen nicht oder nur nach umfangreichen Anpassungen übernommen werden.

Ein deutlicher Trend in der Praxis ist der Einsatz von dezentralen Systemen. Damit sollen die Datenbeschaffung und Ergebnisbereitstellung gerade in dezentralen Projektgruppen von Großprojekten, Kleinprojekten in Fachabteilungen und räumlich beweglichen Arbeitsgruppen erleichtert werden.

Dieser Trend schlägt sich allerdings im Leistungsumfang der Mehrzahl der betrachteten computerunterstützten Planungs- und steuerungssysteme noch nicht nieder.

Da es in diesem Rahmen nicht möglich ist, auf die Beurteilung jedes einzelnen Systems ausführlich einzugehen, soll abschließend ein Gesamteindruck der betrachteten Systeme wiedergegeben werden:

Practi-Plan

GMO, Hamburg

"Practi-Plan" unterstützt das Projektmanagement hauptsächlich bei der Planung, Überwachung und Steuerung. Es fehlen jedoch Möglichkeiten zur Simulation und ein Reportgenerator.

Die Dokumentation und Ergebnisverwaltung wird derzeit von "Practi-Plan" überhaupt nicht wahrgenommen, ist allerdings für die Zukunft geplant. Für die Systemanwendung steht ein Dialogsystem bereit, das aber über keine Hilfen für ungeübte Benutzer verfügt.

PM-System

mbp, Dortmund

Das "PM-System" unterstützt beim Einsatz aller Module die Termin- und Kostenplanung sowie die Überwachung und Steuerung, wenngleich lediglich Standardberichte verfügbar sind. Für die Planung größerer Projekte fehlt jedoch die Möglichkeit zur Bearbeitung von Teilnetzen und zur Verdichtung des Netzplans.

Das "PM-System" richtet sich in seinem Dialogteil nur an geübte Benutzer, die keine Help-Funktionen neben dem Handbuch benötigen.

Prados

SCS, Hamburg

Die im Rahmen dieser Untersuchung interessanten Komponenten "Prados/PM, -/PV und -/PB" erfüllen zusammen die praxisorientierten Anforderungen überwiegend teilweise. Besonders augenfällig ist, daß für die Terminplanung eine Vorwärtsberechnung bereitgestellt wird und "Prados" damit zwar in der Lage ist, den kritischen Weg, nicht aber Pufferzeiten zu berechnen. Die Bearbeitung von Teilnetzen und Verwaltung von Standardnetzen ist nach Angaben des Herstellers für künftige Versionen vorgesehen.

Bei der Terminplanung ist ein automatischer Kapazitätsabgleich durch das System nicht möglich. Das Dialogsystem von "Prados" richtet sich an den geübten Benutzer und bietet dem nur gelegentlichen Anwender kaum Hilfen an. Das Programm benötigt als Softwarevoraussetzung ein Unix-Betriebssystem und ist nicht an beliebige bereits bestehende Datengerüste anpaßbar.

Project/2

Project Software & Development Inc., London

Das Projektmanagement-System "Project/2" bietet unter Einbeziehung sämtlicher angebotener Zusatzoptionen eine nahezu vollständige Unterstützung der Anforderungen an. Diese Zusatzoptionen betreffen die termin- und kapazitätstreue Planung, die Einsatzmittel- und Kostenplanung, den Reportgenerator, die interaktive Grafikgestaltung und die Grafikausgaben.

Dennoch sind bei der Netzplanerstellung die Bearbeitung von Teilnetzen und die Verdichtung von Netzplänen nicht vorgesehen. Help-Funktionen sowie Laien- und Expertenmodus sind bei diesem durch umfangreiche Fehlerprüfungen und Menüsteuerung benutzerfreundlichen System ebenfalls nicht zu finden.

Der Beurteilung von Project/2 lagen allerdings keine Anwendererfahrungen zugrunde, was die Vergleichbarkeit mit den anderen Systemen einschränkt.

PPS-System

IABG, München/Ottobrunn

Das PPS-System bietet dem Projektmanagement eine nahezu vollständige Unterstützung an. Lediglich der Dokumentations- und Ergebnisverwaltung fehlen Möglichkeiten zur Archivierung der Projekthistorie, um Erfahrungsdaten für zukünftige Projekte zu gewinnen.

Im Gegensatz zu den Herstellerangaben in den Informationsbroschüren ist die Einführung der PPS-Dialogversion mit Help-Funktionen sowie Laien- und Expertenmodus noch nicht geschehen. Ebenso ist die Einbeziehung von "PPS-Intergraph" zur Zeit nur PPS2-Benutzern möglich. Diese Kritikpunkte sollen aber laut Herstellerangaben bis Mitte 1985 gegenstandslos werden.

Termikon

Reul, Reinking Programmsysteme, Berlin

Das Planungssystem "Termikon" bietet dem Projektmanagement eine weitgehende Unterstützung an, wenn es in allen Ausbaustufen eingesetzt wird. Nur in diesem Fall ist eine integrierte Termin-, Kosten- und Kapazitätsplanung möglich.

Der ausschließliche Einsatz der Ausbaustufe TP mit der Annahme unbegrenzter Kapazitäten ist problematisch und eignet sich nur für den Fall, wenn wenige Projekte durchgeführt werden sollen und der schnelle Abbau von Engpaßsituationen gewährleistet werden kann.

Praktiker bemängeln an "Termikon" zudem die niedrigen Verkaufszahlen und die damit verbundenen geringen Referenzen.

Artemis

Metier Management Systems, Düsseldorf

Die Beurteilung von "Artemis" zeigt zu fast 75 Prozent "Erfüllte" Anforderungen und lediglich zwei Positionen, zu denen das System keine Unterstützung anbietet. Dieses Ergebnis scheint die Einstufung von "Artemis" als das "führende computergestützte Informationssystem für Projektmanagement" (GPM Nachrichten (1984) 6, S. 40ff.) zu bestätigen.

Kritisch anzumerken ist jedoch, daß der Artemis-Dialog ausschließlich in englischer Sprache abläuft. Die Portabilität des Systems ist auf Hewlett-Packard-Rechner und IBM-kompatible Anlagen beschränkt.

Das entscheidende Kriterium für den nicht noch stärker verbreiteten Einsatz des Programms scheint jedoch der Preis zu sein, der für die HP-Basisversion laut ISIS Software Report zirka 250 000 Mark inklusive Hardware und für die IBM-kompatible Basis-Software rund 400 000 Mark beträgt.

Ciprec

IBM, Stuttgart

Das Projektmanagement-System "Ciprec" kann in der Grundversion ohne ein angebotenes Erweiterungspaket viele für das Projektmanagement wichtige Anforderungen nur teilweise wahrnehmen, wie zum Beispiel eine integrierte Termin-, Kosten- und Kapazitätsplanung und -überwachung. Nicht möglich ist auch die grafische Darstellung von Netzplänen, die für eine bessere Kommunikation unter den Projektbeteiligten notwendig wäre.

Die Erstellung von Balkenplänen, Diagrammen und Histogrammen ist nur unter Verwendung des Zusatzprogrammes GDDM/PGF zu erreichen. "Ciprec" ist ausschließlich auf die IBM-Welt zugeschnitten, was die Übernahme bestehender Daten auf beziehungsweise von Anlagen anderer Hersteller erschwert, wenn nicht unmöglich macht.

PAC II

Roland Berger & Partner, München

"Pac II" bietet für das Projektmanagement eine umfassende Unterstützung an. Lediglich die Grafikdarstellung mit Hilfe des Zusatzmoduls "Pac-Graphics" sollte wie bei "Pac III" auch Management-Grafiken am Terminal ermöglichen.

Anwender bedauern, daß Systemerweiterungen nur schwer durchsetzbar sind, und vermissen einen diesbezüglich engeren Kontakt zum amerikanischen Hersteller.

PAC III

Roland Berger & Partner, München

Für das Management von langjährigen Großprojekten im Bereich Forschung und Entwicklung bietet "Pac III" unter Einbeziehung der Grafikmodule eine - gemessen an den hier zugrundeliegenden praxisorientierten Beurteilungskriterien - nahezu optimale Unterstützung. Die im Frühjahr 1985 fertiggestellte deutschsprachige Version dürfte die Benutzerfreundlichkeit des Planungssystems noch erhöhen.

Aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit mit den anderen betrachteten Systemen muß jedoch die auf hingewiesen werden, daß für die Beurteilung von "Pac III" keine Anwendererfahrungen vorlagen, da der Vertrieb des Systems erst im März dieses Jahres aufgenommen wurde.

Reproplik

Siemens, München

Der Einsatzschwerpunkt von "Reproplik" ist die Planung, Überwachung und Steuerung von Software-Projekten. Eine integrierte Termin-, Kosten- und Kapazitätsplanung ist jedoch nur in Verbindung mit Kostenrechnungsverfahren möglich, zu denen das System Schnittstellen bereitstellt.

"Reproplik" bietet lediglich ein standardisiertes Berichtswesen an und verfügt nicht über einen Reportgenerator. Innerhalb der Dokumentation und Ergebnisverwaltung ist die Realisierung einer Erfahrungsdatenbank für die Software-Projektkalkulation geplant.

Das derzeit angebotene Dialogsystem von "Reproplik" erlaubt nur einfache Ein- und Ausgaben und erfordert eingehende Kenntnisse des Benutzers. Für künftige Versionen ist die Möglichkeit zur Formulierung von Suchfragen und Verknüpfung von Suchbegriffen vorgesehen.

*Thomas Schwichtenberg und Thomas Noth sind Mitarbeiter des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik (Prof. Dr. Peter Mertens) der Universität Erlangen-Nürnberg, Der Erhebungszeitraum für die PPS-Untersuchung endete im Februar 1985. Seither eingetretene Veränderungen sind in dieser Studie nicht berücksichtigt.