Power-PC-Rechner und Clustersysteme vorgestellt IBM und Sun beschreiten auf der Unix-Expo Technik-Neuland

01.10.1993

NEW YORK (jm) - Obwohl vor allem die Novell Inc. die Unix-Gemeinde in New York in Atem hielt, gab es auf der Unix-Expo auch andere Ankuendigungen von Interesse: Hierzu gehoerte sowohl IBMs Vorstellung der ersten Power-PC-Systeme als auch Suns Praesentation von Sparccluster. Beide beschritten mit ihren Praesentationen - mit jeweils anderen technologischen Vorzeichen - Neuland.

Big Blues Vorstellung (vgl. CW Nr. 39 vom 24.09.93, Seite 5: "IBM erklaert RISC...") zeichnete die zukuenftige Ausrichtung des angeschlagenen DV-Riesen vor: RISC-Technologie von "Palmtop to Teraflop". Ein Tadpole-Notebook mit IBMs Power-PC-Technologie existiert zwar erst als Technologiestudie. Wichtiger jedoch ist die Bekanntmachung Phil Hesters, Vice-President Systems and Technology der Advanced Workstations and Systems Division (AWSD) von IBM, einzustufen, schon kommendes Jahr sei auch mit PC- Systemen auf Basis der Power-RISC-Architektur zu rechnen.

Damit macht sich Big Blue nicht nur auf den gleichen Weg, den zuvor schon die Digital Equipment Corp. mit ihrem Alpha-PC einschlug. Viele Industriebeobachter sehen in IBMs konsequenter RISC-Strategie, die in naher Zukunft auch den Low-end- Systembereich abdecken soll, einen Angriff auf Intels Pfruende. Allerdings wird IBM - so die Meinung einiger Analysten - erst noch beweisen muessen, dass sie gewichtige PC-Hersteller als Lizenznehmer fuer ihre Power-PC-Architektur gewinnen kann. Dell etwa oder Compaq haben offensichtlich schon abgewunken, raeumen IBMs RISC- Architektur fuer das PC-Segment wohl keine bedeutenden Volumenchancen ein. Die IBM wollte sich auf Nachfragen zu anderen Lizenznehmer nicht aeussern, man spreche mit allen.

Power-PC-Systeme arbeiten unter AIX/6000

Bei den auf der Unix-Expo in New York vorgestellten Power-PC- Systemen handelt es sich um die beiden Workstations "Powerstation 25 T" und "Powerstation 25 W", den "Powerserver 25 S" sowie um ein "250"-Basismodel. Die Power-PC-Systeme sind binaer-kompatibel zu allen RS/6000-Anwendungen. Sie laufen unter AIX/6000, Version 3.2.5, der ebenfalls in New York vorgestellten aktuellsten AIX/6000-Vari-ante.

Modell 25 T ist eine komplett ausgestattete Grafikworkstation mit 16 MB Arbeitsspeicher, 540 MB grosser Festplatte, sowie dem ebenfalls in New York vorgestellten Grafikbeschleuniger "XT150", der 2D-Grafiken in 256 Farben und in 8 Bit Farbtiefe auf einem 17- Zoll-Farbmonitor mit einer Aufloesung von 1280 x 1024 Pixel darstellen kann. Standard sind zudem Ethernetschnittstellen und SCSI-2-Controller sowie zwei 32-Bit-Mikrokanal-Erwei- terungssteckplaetze.

Diese Grundkonfiguration laesst sich durch diverse Optionen vor allem in der Grafikleistung ausbauen. Die Powerstation 25W ist aehnlich konfiguriert, jedoch ist das Standardpaket weniger anspruchsvoll angelegt.

Als Einstiegsserversystem gedacht ist der Powerserver 25S, der mit 1GB SCSI-2-Festplatte und einem RS-232-Adapter beispielsweise billige ASCII-Terminals bedienen kann. Intern ist das System fuer bis zu 2 GB, maximal fuer 30 GB Speicherkapazitaet ausgelegt.

Laut Hester befindet sich der in den vorgestellten Modellen zum Einsatz kommende 601-Prozessor in der Massenproduktion. Uebrigens wird diese erste Power-PC-Generation nur von IBM produziert, obwohl Motorola das Recht zur Eigenfertigung des Chips besitzt - ein kleiner Hinweis darauf, dass beide Unternehmen zumindest momentan nicht mit einer grossen Nachfrage rechnen.

Neuer RISC-Chip bekommt viele Brueder

Das Design des fuer Notebooks gedachten 603-Chips ist fertig. Fuer die 604- und 620-Implementationen gilt laut Hester, dass deren Design Ende 1993/Anfang 1994 abgeschlossen sein soll. Beide werden multiprozessortauglich sein, bei der 620-Variante handelt es sich erstmals um eine 64-Bit-Implementation. Die beiden 601-Nachfolger sollen etwa drei- bis viermal (604) beziehungsweise vier- bis sechsmal leistungsfaehiger sein als die jetzt vorgestellten Power- PC-CPUs.

Anders als die als Ein-Chip-Implementation ausgelegte Power-PC-CPU besteht die Power2-Architektur aus einem Prozessor-Modul mit acht Chips, IBM-intern auch als "Rios 2" bezeichnet.

Die in New York praesentierten Power2-Systeme sind ebenfalls binaerkompatibel zu allen AIX/6000-Applikationen. Beim "Powerserver 990" handelt es sich um ein System im Industriegehaeuse (Rack), dessen Leistungsfaehigkeit durch Koppelung von maximal vier 990- Rechnern unter Verwendung der HACMP/6000-Software (High Availability Cluster Multi Processing) noch erheblich gesteigert werden kann.

Sun clustert die Sparcserver 10

"Powerstation/Powerserver 58H" ist wie "Powerstation/Powerserver 590" ein sogenanntes Desk-side-Modell, das gegenueber Modell 590 (66 Megahertz) allerdings mit einer geringeren Taktrate von 55 Megahertz rechnet. Die IBM positioniert die beiden Server unter anderem als Ersatz fuer Minicomputer in Banken und Versicherungen oder als Server fuer verteilte, kommerzielle Datenbank-Anwendungen.

Angesprochen auf die Leistungswerte von DECs Alpha-CPU zeigte sich der Technologievordenker der AWSD nicht beeindruckt. Rechenleistung resultiere aus dem Produkt der drei nicht gleichgewichtigen Faktoren der Anzahl von Instruktionen, der Clocks per Instruction (cpi) sowie der Taktrate. Wie jeder wisse, lege DEC grossen Wert auf hohe Taktraten. IBMs Power-PC-CPU besitze hingegen eine wesentlich ausbalanciertere Architektur, habe somit mehr Reserven.

Stand bei der IBM vor allem die Hardware im Mittelpunkt der Praesentation, so bezieht Suns Cluster-Ankuendigung ihren Wert aus einer Mixtur aus Hard- und Software. Bei der den "Sparcluster1- Systemen" unterliegenden Hardware handelt es sich naemlich um bereits hinlaenglich bekannte Sparcserver10-Rechner - genauer den Modellen 40 -, die man zu maximal vier Clusterknoten koppeln kann.

Moeglich macht das die ONT-Technologie (Optimized Network Throughput), eine Kombination aus Hard- und Software. In der ersten Generation verbindet Sun die Server noch ueber einen Ethernetswitch, eben die ONT-Technologie. Eine Folgegeneration soll ueber einen sogenannten verteilten Lock-Manager die Sparcserver10-Rechner zu einem Array mit gemeinsam genutzten Massenspeichern verbinden. 1995 folge dann die Unterstuetzung des ATM-Protokolls (Asynchronous Transfer Mode).

Fuer den Anwender erscheint ein Cluster dabei wie ein einziges System, alle Netz-Clients haben ohne Routing-Funktionen direkt Zugriff auf die Daten aller Knoten. Der Anwender verwaltet alle Knoten mit einem zentral operierenden Administrations-Tool.

Erste Systeme will Sun ab Oktober ausliefern. Als Einstiegsvariante kostet ein Sparccluster rund 85 000 Dollar. Auf den Clustern muss Solaris 2.2 laufen. Sun-Manager Curt Wozniak bestaetigte, dass man erst ab kommenden Jahr den Oracle 7 Parallel Server unterstuetzen koenne.

Allerdings wurde bei der Praesentation in diesem Zusammenhang deutlich, dass Sun die Clustersysteme vornehmlich als NFS- Fileserver positioniert und nicht fuer Datenbank-Anwendungen einsetzen will.

Fuer DB-Anwendungen ist der Cluster kaum geeignet

Auf Nachfragen bestaetigte ein Beta-Tester der Sparccluster, dass fuer DB-Anwendungen sowohl Sparcserver1000-Rechner als auch die Sparccenter2000-Systeme besser geeignet seien. Clusterrechner spielten vor allem in Umgebungen ihre Staerken aus, wo die Ressourcen einzelner CPUs auf verschiedene Aufgabenstellungen gerichtet werden koennten.

Dies gelte beispielsweise fuer technische Umfelder, wo sich die Rechnerleistung von Clusterknoten denkbarerweise auf verschiedene Arbeitsgruppen in Netzen kanalisieren liesse. Solche Anforderungen seien aber bei DB-Anwendungen nicht gefragt.