Der kürzeste Weg ist nicht immer der billigste

Postgebühren bestimmen die optimale Netzstruktur

22.10.1976

Bei der Planung von Datenübertragungs(DÜ)-Systemen spielt die Frage nach den Gesamtkosten eines Netzwerkes eine wesentliche Rolle. Diese Kosten gliedern sich im Gebührenbereich auf in eine einmalige Gebühr, die bei der Einrichtung eines Anschlusses beziehungsweise einer Datenverbindung zu entrichten ist und in monatliche Gebühren.

Innerhalb dieser monatlichen Gebühren, die den größten Teil der Gesamtkosten darstellen, unterscheide man zwischen Grundgebühren, Verkehrsgebühren und Gebühren für Datenübertragungseinrichtungen.

Geht man davon aus, daß die aufzubauende Applikation den Einsatz festgeschalteter Verbindungen erfordert, so erkennt man aus den Gebührentabellen der Bundespost die funktionale Abhängigkeit der monatlichen Gebühren einmal von der zu überbrückenden Entfernung, zum anderen von der gewählten Übertragungsgeschwindigkeit (Abbildung 1).

In Abbildung 2 wird diese Tatsache graphisch dargestellt. Es zeigt sich deutlich das degressive Verhalten der Gebührengeraden, nämlich unterschiedliche Steigungen in den Bereichen 0-50, 50-100 und 100 km und mehr.

Dieser degressive Kostenverlauf erweist sich als ein bedeutender Faktor bei der Planung der Struktur eines Netzwerkes.

Prinzipiell gibt es beim Aufbau eines Netzwerkes zur Übertragung von Daten verschiedene Möglichkeiten der Zusammenschaltung der einzelnen Komponenten. Im wesentlichen unterscheidet man zwischen Punkt-zu-Punkt-, Mehrpunkt- und Konzentrator-Verbindungen und Mischformen der drei genannten Typen.

Bei einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung besteht eine direkte Verbindung zwischen der Datenübertragungseinrichtung (DÜE) der Zentralrechnerseite und der DÜE der Datenstation.

Bei einer Mehrpunkt-Verbindung bedienen sich mehrere Datenstationen eines gemeinsamen Übertragungsweges.

In einem Konzentrator-Netzwerk wird der Datenfluß mehrerer Übertragungsleitungen innerhalb einer intelligenten Hardware, dem Konzentrator, zu einem Datenstrom zusammengefaßt und mit entsprechend höherer Geschwindigkeit an die Zentralseite des Systems weitergegeben.

Responsezeit definieren

Eine der zentralen Aufgaben bei der Auslegung eines Netzwerks besteht nun darin, bei vorgegebener Topologie, das heißt bei Kenntnis der Lage der anzuschließenden Datenstationen und des Zentralrechners für ein bekanntes Nachrichtenvolumen und ein definiertes Antwortzeitverhalten die Netzstruktur zu bestimmen, die von Kostenseite her ein Minimum darstellt. Dieser Planungsprozeß wird ganz wesentlich beeinflußt durch den degressiven Verlauf der Gebührenkurven: Im Bereich zwischen 0 bis 50 km und im Bereich zwischen 50 bis 100 km weisen die Gebührengeraden wesentlich größere Steigungen auf als in dem Bereich über 100 km.

Das bedeutet, daß von der Leitungskostenseite her die Verwendung längerer, direkter Verbindungswege sich als günstiger erweist, als die Kombination mehrerer kürzerer Verbindungsstücke zu einem Mehrpunkt-Netzwerk, in dem sich die Gebühren als Summe der Gebühren der Wege zwischen den einzelnen Knoten zusammensetzen.

Berücksichtigt man darüber hinaus, daß in einem Punkt-zu-Punkt-Netzwerk im allgemeinen Leitungen niedrigerer Geschwindigkeit verwendet werden können als in einem Mehrpunkt-Netzwerk, in dem ja Datenflüsse mehrerer Datenstationen zusammen über eine Leitung übertragen werden, so ergibt sich, daß auch Datenübertragungseinrichtungen für geringere Geschwindigkeiten eingesetzt werden können, die sich durch geringere Mietkosten auszeichnen.

Kürzer gleich billiger?

Weiterhin sollte unter, dem Gesichtspunkt der Ausfallsicherheit registriert werden, daß bei direkten Anschlüssen immer nur einzelne Datenstationen Fehlerfall beeinflußt werden, während in einem Mehrpunkt-Netzwerk ganze Gruppen lahmgelegt werden.

Was beweist, daß der kürzeste Verbindungsweg (wie im Mehrpunkt-Netz) nicht immer der billigste ist, sondern vielmehr die Kombination von direkten Verbindungen und Konzentratoren von der Kostenseite her eine interessante Alternative darstellt.

* Dr. Joachim Adler ist Dozent bei Sperry Univac, Abt. Systemausbildung für Großsysteme, Sulzbach/Ts. (Sperry-Univac-Haus)