Post sieht grosse Einsparmoeglichkeiten Schulung: Beim gelben Riesen grassiert das Multimedia-Fieber

31.03.1995

BERLIN (hk) - 2200 Lernstationen stehen in den Schulungsraeumen der Post. Damit hat sie eigenen Angaben zufolge das weltweit groesste Multimedia-System fuer Weiterbildungszwecke im Einsatz. Rainer Hartlep, Multimedia-Direktor bei der Tochtergesellschaft Post- Consult, will den Einsatz neuer Medien in der Schulung weiter forcieren, weil er darin ein enormes Einsparpotential sieht.

Von ueber 100 Millionen Mark spricht die Post, wenn sie den Betrag beziffert, den sie bisher durch den Einsatz von Lernprogrammen eingespart hat. Seit 1991 setzt der gelbe Riese in der Weiterbildung seiner Mitarbeiter verstaerkt auf den Einsatz neuer Medien. Dabei spielten zwei Ueberlegungen eine wichtige Rolle: Zum einen nahmen die Kosten fuer externe Seminare stark zu, zum anderen war abzusehen, dass auf die Post ein enormer Schulungsaufwand durch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zukommt.

So mussten, so Hartlep, zum Beispiel Mitarbeiter mit den neuen Geschaeftsbedingungen bekannt gemacht werden, andere mit der veraenderten Tarifierung etc. Man legte grossen Wert darauf, die Kursprogramme zielgruppenorientiert und thematisch klar gegliedert anzubieten. "Mit den herkoemmlichen Weiterbildungsmethoden waere das Ganze nicht zu bewaeltigen gewesen", hat der Post-Manager errechnet. Reise-, Ausfall- und Seminarkosten haetten jeden Rahmen gesprengt.

Rund 500000 Lernende hat der gelbe Riese eigenen Angaben zufolge im Rahmen seines Clip (Computerunterstuetztes Lernen im Postdienst)-Programmes trainiert. Clip laeuft bisher allerdings nur auf Lernstationen. Der Lernende sitzt vor einem PC, an den ein Bildplattenspieler, Drucker und Lautsprecheraktivbox, wahlweise auch Kopfhoerer, angeschlossen sind. Die neue Generation der Multimedia-Rechner mit CD-ROM-Laufwerk, Video- und Soundkarte soll naechstes Jahr eingefuehrt werden.

Die Weiterbildungsinteressierten werden von 500 sogenannten Beratern betreut. Das sind Postangestellte, die sich um das Wohl der Mitarbeiter kuemmern, wenn diese sich mit Clip fortbilden. Vorgesehen ist, dass diese Berater, die in den jeweiligen Fachabteilungen beschaeftigt sind, zehn Prozent ihrer Arbeitszeit der Multimedia-Schulung widmen. Sie sind aber nicht nur fuer das Training ihrer Kollegen zustaendig, sondern ihnen obliegt auch die Betreuung der Systeme inklusive Einkauf der Hardware.

Clip umfasst derzeit 50 Programme, die sich mit den unterschiedlichsten Inhalten befassen, von der Arbeitssicherheit ueber kaufmaennische Buchfuehrung bis hin zur Einfuehrung in den Umgang mit Computern. Fuer den Fall, dass beim Lernen Schwierigkeiten auftreten, hat das Unternehmen zusaetzlich einen Hotline-Service eingerichtet.

Die bisherige Teachware beschaeftigte sich vor allem mit postspezifischen Themen. Kuenftig wolle die Post Consult als Anbieter auf dem Bildungsmarkt auftreten, so Hartlep, also mehr allgemeine Themen behandeln und die entsprechende Lernsoftware verkaufen.

Als Beispiel nennt er "English Express", ein Produkt, mit dem sich gezielt individuelle fremdsprachliche Defizite der Mitarbeiter beseitigen lassen. Der Lernende entscheidet sich fuer einen Dialog seiner Wahl, etwa Begruessung, Gespraech, Flugbuchung. Clip ermoeglicht ihm nun, Szenen zu beobachten, gleichzeitig englische Texte zu hoeren und selbst zu sprechen. Zusaetzlich korrigiert das Programm den Schueler, indem dieser seine fehlerhafte Aussprache mit der gespeicherten optimalen Version vergleichen und diesen Vorgang wiederholen kann, bis er ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht hat.

Die Posttochter beschaeftigt in der Entwicklung der Teachware derzeit 52 Personen, und zwar vor allem Programmierer, Paedagogen und Autoren. Dazu gehoeren noch Bildungsberater, die zusammen mit den Entwicklern kuenftig bei Kunden komplette Schulungsprojekte durchfuehren sollen, von der Bedarfsanalyse ueber die Erarbeitung von didaktischen Konzeptionen bis hin zur Realisierung unternehmensspezifischer Lernsoftware.