Mittelfristiges Programm für den Netzausbau vorgelegt, aber:

Post legt sich nicht auf ISDN-Details fest

03.01.1986

BONN (cmd) - Mit rund einjähriger Verspätung hat die Bundespost ihr Mitte 1984 vorgestelltes langfristiges Entwicklungskonzept für die Fernmeldenetze nun durch mittelfristige Planungslinien ergänzt. Wichtige Fragen, so etwa zum Übergang von bestehenden Netzen ins ISDN und umgekehrt, werden darin allerdings nur wenig konkret beantwortet.

Bei diesem Thema hält sich das von Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling in Bonn vorgestellte "Mittelfristige Programm für den Ausbau der technischen Kommunikationssysteme" weitgehend bedeckt. Zwar wird konstantiert, daß bei der Einführungsplanung der ISDN-Dienste den möglichen Übergängen zu den bestehenden Fernmeldenetzen und -diensten und damit - in umgekehrter Richtung - der Erreichbarkeit von ISDN-Terminals von herkömmlichen Endgeräten eine wesentliche Rolle zukomme. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sei aber heute schon absehbar, so das Ministerium wörtlich, "daß die Vielzahl der Möglichkeiten (zum Beispiel bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschwindigkeitsklassen im Datex-Netz) auf einige schwerpunktmäßige Übergänge reduziert werden muß".

Die netztechnischen Voraussetzungen für die geplante ISDN-Bereitstellung von 1988 sehen wie folgt aus: Knapp eine Million digitale Beschaltungseinheiten der Ortstechnik (verteilt auf 26 Orte), etwa eine halbe Million digitale Leistungsanschlüsse in der Ferntechnik (verteilt auf 50 Orte) und rund 260 000 digitale Fernleitungen. Die ISDN-Fähigkeit werde dann mit dem Übergang auf den digitalen Betrieb der Teilnehmeranschlußleitung sowie der Erweiterung der bestehenden digitalen Orts- und Fernvermittlungstechnik (im wesentlichen D-Kanal auf der Anschlußleitung und CCITT-Zeichengabesystem Nr. 7 zwischen den digitalen Vermittlungsstellen) realisiert.

Wenig Aussagekräftiges enthält das Programm auch in punkto Prognosen über das mögliche ISDN-Nachfragepotential. Grundsätzlich geht die Bundespost von drei parallel verlaufenden Entwicklungen aus, von denen sie sich stimulierende Wirkung erhofft: Von der "Tendenz zur Anwendung von mehreren Kommunikationsformen am Arbeitsplatz", von der "zunehmenden Verbreitung von Mikrocomputern" sowie von "Multiplikatoreffekten durch ISDN-Anwendungen innerhalb von Nebenstellenanlagen"

"Nichttelefon-Terminals" wesentliche Basis für ISDN

Bei den multifunktionalen Anwendungen am Arbeitsplatz setzen die Ministerialen stark auf die zunehmende Verbreitung von "Nichttelefon-Terminals". Außer der Aussage, daß dies "eine wesentliche Basis" für die Nachfrage nach ISDN-Anschlüssen darstellt, hält man sich hier aber mit eigenen Prognosen zurück. Zitiert wird dagegen aus einer Erhebung eines großen Herstellers, wonach bis zum Jahr 2000 die Zahl der Telefone am Arbeitsplatz von 10,6 Millionen (im Jahr 1976) auf 14 Millionen wächst und die Zahl der Nichttelefon-Terminals im gleichen Zeitraum von 0,3 Millionen auf mindestens sieben und elf Millionen im günstigsten Fall ansteigt.

Die erhoffte Nachfrage nach ISDN-Anschlüssen auf der Grundlage der zunehmenden Verbreitung von Mikros stützt sich auf folgende Annahmen: Von den derzeit jährlich 200 000 verkauften PCs werden rund 20 Prozent für die geschäftliche Kommunikation eingesetzt. Bis in die 90er Jahre erhöhen sich die Absatzzahlen konstant um 30 Prozent pro Jahr, wobei sich vor allem standortübergreifende Kommunikationsanwendungen zwischen Mikros und Großrechnern stark entwickeln. Mit der voraussichtlichen Gebührenstruktur im ISDN erhofft sich die Bundespost hier eine rege Nachfrage, da Anwendungen mit hohem Datenvolumen wie Stapelbetrieb und Dialog mit hohen Datenraten begünstigt würden.

Drittens sollen schließlich Multiplikationseffekte im Rahmen von Nebenstellenanlagen ISDN-Anwendungen fördern, auch wenn "die heute schon eingeführten beziehungsweise in der Markteinführung befindlichen ISDN-Nebenstellenanlagen ... bestimmte Merkmale der zukünftigen ISDN-Technik" (wie etwa die So-Schnittstelle oder der Betrieb von Mehrdienste-Nebenanschlüssen unter einer Rufnummer) noch nicht erfüllt seien.

Wie an anderer Stelle hält sich das Haus Schwarz-Schilling auch hier mit Zahlen oder Eckwerten zurück. Dafür werden zwei Gründe angeführt: Zum einen ermöglicht der ISDN-Basisanschluß die Anschaltung von acht Endgeräten. Zum anderen erzeugt die mögliche Ausweitung der Kommunikationsformen am Arbeitsplatz ein erhöhtes Verkehrsvolumen. Daher, so die Bundespost, werden sich die Wechselbeziehungen zwischen Netzdimensionierung und Geräteabsatz "erst auf der Grundlage des konkreten Nutzerverhaltens detailliert bestimmen lassen". Die heute zwischen zwei und drei Millionen geschäftlich genutzten Telefonhauptanschlüsse - davon 1,7 Millionen Hauptanschlüsse für eine Million Nebenstellenanlagen - mit rund elf Millionen angeschlossenen Sprechstellen seien hier lediglich ein erster Anhalt.

Für die Post ergibt sich daraus folgende Vorgehensweise im Hinblick auf den ISDN-Ausbau: Sie "richtet die Planung des Netzausbaus grundsätzlich darauf aus, termingerecht Realisierungsmöglichkeiten zur Deckung einer Nachfrage zu bieten, die dem Gesamtanwendungspotential entspricht". Lediglich in der Anfangsphase von 1988 bis 1990 bewege sich "aus entwicklungstechnischen Gründen" die Zahl der schaltbaren ISDN-Anschlüsse unterhalb der Potentialabschätzung.

Noch weniger konkret gibt sich die Post bei ihren Mittelfrist-Aussagen zu den Bereichen Breitband-ISDN-Dienste und -Anwendungen (2 bis 140 Mbit/s) sowie Glasfasertechnik und -netzausbau. Als wesentlichen Anwendungsfall und Vorreiter sieht man hier nach wie vor zunächst die Videokonferenz. Im weiteren zeitlichen Ablauf kämen dann vor allem Bildfernsprechen sowie die Dialogformen des schnellen Text- und Datenaustausches als Nutzungsschwerpunkte in Frage. Der prognostizierte Bedarf nach breitbandigen Anschlüssen schwanke jedoch zwischen 100 000 und 1,2 Millionen.