Interview

"Portale müssen Branchenwissen enthalten"

08.10.1999
Mit John Chen, Chairman und Chief Executive Officer von Sybase, sprach IDG-Korrespondentin Clare Haney auf dem Fortune Global Forum in Shanghai

IDG: Wie will Sybase auf dem Markt für mobile und Embedded-Datenbanken bestehen, wenn Entwickler und Endanwender Microsofts "Access" praktisch kostenlos nutzen können?

Chen: Um Microsoft machen wir uns keine Sorgen. Die konzentrieren sich sehr stark auf den Einzelplatzbenutzer und -entwickler. Wir hingegen zielen mehr auf eingebettete Datenbankanwendungen ab und versuchen in möglichst vielen Marktsegmenten präsent zu sein. Hätte Microsoft die Technik dafür, würden sie unter Windows CE nicht unsere Produkte nutzen. Außerdem bestimmen meistens nicht die Endbenutzer, was für eine Datenbank in den Embedded-Anwendungen eingesetzt wird.

Wen wir hingegen genauer beobachten, ist die IBM, weil sie die Fähigkeit be- sitzt, im Geschäft mitzuhalten, und neue Anwendungen erstellen könnte. Bisher hat sie jedoch noch nicht viel unternommen und ermöglicht uns so, unseren Vorsprung auszubauen. Um unsere Marktposition zu festigen, habe ich zudem einen eigenen Unternehmensbereich für unsere mobilen und Embedded-Datenbanken gegründet. Darin wollen wir uns ganz auf die Entwicklung neuer Anwendungen konzentrieren. Der Umsatz ist dabei zunächst zweitrangig.

IDG: Sie bieten immer noch keine native Unterstützung von SAP R/3 in Ihren Datenbanken. Ändert sich das irgendwann?

Chen: R/3 läuft nicht auf unseren Server-Datenbanken, aber sehr gut auf den mobilen Systemen. Unser Verhältnis zur SAP ist zudem pragmatischer geworden und nicht mehr eine Sache persönlicher Vorlieben. Für SAP gibt es keinen Grund, warum sie noch eine weitere Datenbank in R/3 unterstützen sollten, und auch wir brauchen ihre Anwendungen nicht. Wenn Sie heute ein neues Geschäft aufbauen, dann investieren Sie bestimmt nicht mehr in traditionelle ERP-Systeme. Sie setzen vielmehr auf neue Web-Anwendungen mit einem Firmenportal und nicht auf traditionelle Client-Server-Systeme.

IDG: Was verbirgt sich konkret hinter Ihrer Portalstrategie "Opendoor"?

Cheng: Eigentlich gefällt mir das Wort Portal nicht, weil es so wenig aussagt. Aber unglücklicherweise gibt es im Moment keinen besseren Ausdruck für diese neue Methode. Allgemein dient ein Portal zur Aggregation und Integration von Legacy- und Client-Server-Anwendungen mit dem Web und erlaubt einen Kontakt zwischen Business-to-Business- und Business-to-Consumer-Beteiligten.

Opendoor kommt nächstes Jahr auf den Markt und ist eine Kombination aus Dienstleistungen und Produkt. Dabei wollen wir Best Practices in Form von Frameworks mitliefern, die den Aufbau eines Portal erleichtern sollen. Dies ist wichtig, weil sich mit einem Portal an sich noch kein Geld verdienen läßt. Dazu ist vielmehr Branchen-Know-how nötig. Viele Versicherungsunternehmen beispielsweise wollen sich auch als Investmentfirmen etablieren und kommunizieren mit ihren Partnern direkt über das Web. Auch Banken sind zunehmend virtuell vertreten und müssen ihren Kunden mit dem Portal eine individuelle Umgebung verschaffen.

IDG: Das hierzu benötigte Branchenwissen erhalten Sie vom Finanzdienstleister und Partner Demica PLC, an dem Sie jetzt auch finanziell beteiligt sind. Reicht das schon für Ihre Portalstrategie?

Chen: Überhaupt nicht. Derzeit sind einige Dinge in der Planung, und Sie werden in den kommenden Monaten weitere Web-basierte Finanzlösungen von Sybase zu sehen bekommen. Außerdem sind wir sehr an der Telekommunikationsbranche interessiert, denn diese ist nach der Finanzbranche der andere große Markt für uns. Daher haben wir in der letzten Zeit etwa Leute angeworben, die Erfahrung mit Cisco-Produkten haben, und auch die Einstellung von Leo Hindery steht in diesem Zusammenhang (vormals President und CEO von AT&T Broadband & Internet Services, Anm. der Redaktion).

Auch das Gesundheitswesen ist ein interessanter Markt für Portale. Er ist aber ebenso wie der Finanzmarkt von regionalen und nationalen Eigenheiten geprägt, so daß jedesmal eine Anpassung der Anwendungen nötig ist. Der TK-Markt hingegen funktioniert weltweit nach den gleichen Regeln, und Anbieter stellen überall vergleichbare Anforderungen.