Zugang für Unbefugte verboten

Porsche setzt auf Branchennetz ENX

03.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Sichere Kommunikationswege sind für Collaborative Computing unerlässlich. Die Porsche AG wickelt deswegen den Datenaustausch mit Partnern in der Entwicklung und Konstruktion über das geschlossene Branchennetz ENX ab.

Steigende Produktvielfalt bei gleichzeitig kürzerer Entwicklungszeit ist ein allgemeiner Trend in der Automobilbranche. Immer mehr Varianten eines Fahrzeugtyps müssen in den Entwicklungsabteilungen der Fahrzeughersteller konstruiert und immer schneller zur Serienreife gebracht werden. Ein Problem, das sich auch der Stuttgarter Porsche AG stellt. Da es an Ingenieursnachwuchs mangelt, arbeiten die Entwickler und Konstrukteure des Sportwagenherstellers mit externen Partnern zusammen.

Das "Collaborative Engineering", die gemeinsame Entwicklungsarbeit verschiedener Unternehmen, wird bei Porsche in allen Projekten zunehmend eingesetzt. Diese Art der Fahrzeugentwicklung erzeugt sehr große Datenmengen, die zwischen den beteiligten Partnern ausgetauscht werden müssen. CAD-(Computer Aided Design)-Daten werden nicht nur hin- und hergeschickt, sondern auch in CAD-Konferenzen online von mehreren Ingenieuren gleichzeitig bearbeitet. Das täglich dabei anfallende Datenvolumen bei Porsche liege zwischen 3 und 6 GB, erläutert Wolfgang Krieg, Leiter technische Anwendungen des Unternehmens. Mit der Zunahme von Kommunikation in der Fahrzeugentwicklung - für den Autohersteller ein hochsensibler Sicherheitsbereich - steigen auch die Sicherheitsanforderungen an die Kommunikationswege. "Das Internet können wir für die Übertragung dieser sicherheitskritischen Daten nicht nutzen", so Krieg. Vertrauliche Daten könnten ohne weiteres in die falschen Hände gelangen.

Porsche benutzt deswegen ENX (European Network Exchange), ein von der europäischen Automobilindustrie initiiertes, geschlossenes Netz auf TCP/IP-Basis.

Geschlossenes NetzIm Gegensatz zum Internet hat zu ENX nur ein eingeschränkter Teilnehmerkreis Zugang. Unternehmen, die das System nutzen wollen, müssen sich vorher bei der Verwaltungsorganisation "ENX Association" registrieren lassen. Der gesamte externe Datenverkehr läuft über private Leitungen, die von einem Service-Provider betrieben werden. In Deutschland ist die Telekom-Tochter T-Systems von der ENX Association als einziger Betreiber auf nationaler Ebene zertifiziert. Die europaweite ENX-Zertifizerung einiger großer Telecom-Anbieter ist in Gang und soll bis September abgeschlossen sein. Durch die europäische Zertifizierung können die Provider ihre Dienste nicht mehr nur auf nationaler Ebene anbieten, sondern werden europaweit in Wettbewerb zueinander stehen.

ENX wird ähnlich wie ein Internet-Zugang an einem Punkt mit dem internen Unternehmensnetz verbunden und kann von den Anwendern auch wie das normale World Wide Web genutzt werden. Besondere Applikationen auf den Clients sind laut Krieg nicht nötig. Zum Datenaustausch schließen sich zwei oder mehr Unternehmen zu abgesicherten Verbünden über Virtual Private Networks (VPN) zusammen. Die Kommunikationspartner tauschen dazu Schlüssel aus, die in einem Trust-Center zertifiziert werden.

Sicherheitsaspekte sind für Porsche aber nicht der einzige Grund, ENX einzusetzen. Krieg sieht zwei weitere wesentliche Vorteile des Systems. So müsse das Unternehmen nicht zu jedem wichtigen Partner eine eigene Standleitung unterhalten, sondern brauche nur eine einzige ENX-Verbindung. Darüber seien dann alle Unternehmen, die ENX nutzen, erreichbar. Fast alle großen Firmen der Automobilbranche und der Zulieferer arbeiten mit ENX. Ein weiterer Pluspunkt ist für Krieg die garantierte Bandbreite: Da bei CAD große Datenmengen anfallen, benötigt Porsche schnelle Verbindungen. Bei ENX sei die Bandbreite vertraglich garantiert und werde auch vom Provider ständig dokumentiert.

Schrittweiser AusbauIn der jetzigen Ausbaustufe beschränkt sich der ENX-Einsatz bei Porsche weitgehend auf den technischen Bereich. Aktuell setzt das Unternehmen das Branchennetz beim CAD-Datenaustausch ein. Ziel des Unternehmens ist es, noch in diesem Jahr den Datentransfer zu 40 der wichtigsten Partner auf ENX-Basis zu stellen. Für die kollaborative Entwicklung im CAE-(Computer Aided Engineering)-Umfeld wird ENX zurzeit von dem Autohersteller evaluiert. Im CAE wird mittels der CAD-Daten das Verhalten eines neu entwickelten Fahrzeuges in einer Simulation berechnet. Über weitere Projekte in dieser Richtung werde nachgedacht, so Krieg. Die ENX-Nutzung im Unternehmen muss nach seiner Ansicht langsam und schrittweise erfolgen: "Als der kleinste Fahrzeughersteller Deutschlands oder gar Europas marschiert Porsche nicht an der Spitze der ENX-Entwicklung. Da es aber jetzt Verfahren gibt, auf die wir uns stützen können, führen wir diese auch sukzessive ein."