Polnische Comarch kauft ERP-Anbieter SoftM

14.11.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Ziele sind ein breiteres Produktangebot und die Eroberung westeuropäischer Märkte.

Comarch entwickelt im Kundenauftrag Software für unterschiedliche Branchen, liefert Abrechnungsprogramme für Telekommunikationsfirmen und Banken, agiert als Systemhaus und vermarktet Standardsoftware für die Bereiche ERP, Business Intelligence und Dokumenten-Management. Letztere Produkte richteten sich bislang vor allem an kleine Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Das soll sich nun ändern.

Das in Krakau beheimatete Unternehmen beschäftigt knapp 3000 Mitarbeiter an 23 Standorten und ist in elf Ländern aktiv. Im Geschäftsjahr 2007 erwirtschaftete Comarch einen Umsatz von rund 154 Millionen Euro. SoftM erzielte im Jahr 2007 mit 400 Mitarbeitern einen Umsatz von 59,4 Millionen Euro, davon entfielen gut 19 Millionen Euro auf Softwareprodukte. Eigenen Angaben zufolge war SoftM schon länger auf der Suche nach einem Partner. Erst vor kurzem kam es zu Gesprächen mit Comarch. Die Zusammenarbeit wird sowohl betriebswirtschaftliche Standardsoftware als auch das Systemgeschäft mit IT-Infrastruktur umfassen.

SoftM bedient schwerpunktmäßig mittelständische Firmen. Neben Produkten für die System-i-Plattform (AS/400) von IBM wie der "SoftM Suite" spielen die Java-basierenden Produkte "Semiramis" (ERP) und "Sharknex" (Rechnungswesen) die Hauptrolle. Bisher war SoftM auf dem osteuropäischen Markt kaum vertreten. Über die bestehenden Vertriebskanäle und die des neuen Eigentümers sollen Semiramis und Sharknex nun auch überregional vermarktet werden.

Aus beiden Unternehmen und deren Produkten soll ein europäischer Anbieter von Geschäftssoftware entstehen. Man hat sich viel vorgenommen: Der Hersteller positioniert sich gegen Branchengrößen wie Sage, SAP und Microsoft.

1,5 Prozent Marktanteil in Europa als Ziel

Schon 2010, so der Plan, wollen die Firmen in Europa einen Marktanteil von 1,5 Prozent im Geschäft mit ERP-Software für mittelständische Betriebe halten. Bis 2010 soll laut IDC der Gesamtmarkt auf 4,75 Milliarden Dollar angewachsen sein. Der Anteil von Comarch plus SoftM betrüge, wenn die Strategie aufgeht, etwa 70 Millionen Dollar. Dies setzt aber voraus, dass sich die Partner- und Vertriebsstrukturen entsprechend etablieren und es gelingt, die Lösungen erfolgreich bei den Kunden einzuführen.

Nach SoftM-Angaben bleiben die Entwicklungsstandorte erhalten. Comarch-Experten sollen die Entwicklungsabteilungen bei SoftM unterstützen. Beispielsweise ist geplant, das Semiramis-Team um 15 Softwarespezialisten von Comarch zu verstärken. Eine Verlagerung von Entwicklungszentren ist laut SoftM-CEO Franz Wiesholler nicht vorgesehen. Auch soll die SoftM Suite bestehen bleiben. Pläne, Produktlinien zusammenzuführen beziehungsweise neue zu entwickeln, gaben beide Firmen nicht bekannt.

Um Kunden in Osteuropa und künftig auch in den USA zu erreichen, wollen beide Firmen neben dem ERP-System Semiramis das Rechnungswesensystem Sharknex entsprechend ausprägen. Comarch selbst verfügt über kein vergleichbares Produkt für internationale Rechnungslegung.

ERP als Software as a Service

In Deutschland unterhält Comarch Niederlassungen in Dresden und Frankfurt am Main. Zu den hier offerierten Lösungen zählt das im On-Demand-Modell bereitgestellte ERP-Produkt "Altum".

SoftM hatte unlängst mit IBM eine Kooperation geschlossen, um Semiramis im On-Demand-Modus anzubieten. Diese Software richtet sich laut Hersteller jedoch an Mittelständler, während das Comarch-Produkt für kleine Firmen gedacht ist.

Der Deal umfasst elf Millionen Euro

Die Übernahme wird über eine Kapitalerhöhung der SoftM AG um fünf Millionen Euro sowie ein Angebot für Aktien der Teilhaber vollzogen. Insgesamt umfasst der Deal elf Millionen Euro. Comarch will so über 50 Prozent der Aktien erwerben. SoftM-Gründer Hannes Merten bleibt weiter beteiligt. Laut Comarch-CEO Janusz Filipiak soll der SoftM-Vorstand im Amt bleiben, das Münchner Unternehmen als Konzerntochter führen und die bisherige Produktstrategie fortsetzen. (fn)

Wer ist Comarch?

Das in Krakau ansässige Unternehmen beliefert Banken, Behörden, Telekommunikationsfirmen und den Handel mit Standardsoftware.

Zu den deutschen Kunden zählen unter anderem die TK-Konzerne O2 und T-Mobile.

Darüber hinaus entwickelt die Firma Software im Kundenauftrag und agiert als Systemhaus.

An ERP-Produkten hat Comarch neben einer MS-DOS-basierenden Software "CDN" für Kleinbetriebe in Polen und der auch in Deutschland angebotenen Software-as-a-Service-Lösung "Altum" nichts vorzuweisen.

Die SoftM-Programme für ERP und Rechnungswesen ergänzen das Angebot.